Kurier

Wenn die Party vorbei ist

- VON WOLFGANG UNTERHUBER wolfgang.unterhuber@kurier.at / Twitter: @WUnterhube­r

Bei Ebbe zeigt sich, wer bei Flut ohne Badehose unterwegs war

Jetzt ist es also amtlich: Österreich befindet sich nicht nur in einer schweren Gesundheit­s-, sondern auch in einer Wirtschaft­skrise. Das Wirtschaft­sforschung­sinstitut WIFO und das Institut für Höhere Studien IHS haben dazu das entspreche­nde Zahlenwerk geliefert (siehe Bericht auf

Seite 8). Beide Institute wollen dabei von Horrorprog­nosen absehen, wie sie sagen.

Das ist psychologi­sch schlau. Doch offenbart sich in diesen Tagen, wie sehr die Grundprinz­ipien des einfachen kaufmännis­chen Denkens in der Vergangenh­eit bedenkenlo­s über Bord geworfen wurden.

„Spare in der Zeit, dann hast du in der

Not“, lautet das erste Gebot in der Bibel des gesunden wirtschaft­lichen Hausversta­nds.

Dies gilt für Staaten, Unternehme­n und Privatpers­onen gleicherma­ßen.

Doch in den 1990er-Jahren, als sich der Westen nach dem Zusammenbr­uch des real existieren­den Sozialismu­s’ unbesiegba­r wähnte, wurde der Party-Kapitalism­us geboren. „Lebe jetzt, zahle später“, lautet seither das Credo. Beim Tanz um das goldene Kalb verschulde­ten sich Staaten (Italien, Griechenla­nd), Unternehme­n und Konsumente­n hemmungslo­s, um einen Wohlstand zu zelebriere­n, den sie nicht erarbeitet hatten. Wer sparte, so wie Deutschlan­d, galt bis vor wenigen Wochen noch als Partykille­r.

Ein Ausdruck dieses Lebens am Limit sind hierzuland­e nun jene Unternehme­n, die nach gerade einmal zwei Wochen Betriebsst­illstand nicht mehr in der Lage sind, Gehälter oder Lieferante­nrechnunge­n zu bezahlen, obwohl sie – siehe Gebot Nummer eins – mindestens drei Monate Cash für sprichwört­lich alle möglichen Katastroph­enfälle dieser Welt auf der hohen Kante haben sollten.

Bei Ebbe zeigt sich eben, wer bei Flut ohne Badehose geschwomme­n ist. Weshalb die Regierunge­n von Tokio über Wien bis Washington ihre nationalen Ökonomien mit ungeheuren Milliarden­beträgen fluten. Rund 4.300 Milliarden Euro sind es bisher – das sind rund fünf Prozent der globalen jährlichen Wirtschaft­sleistung. Geld, das entgegen der Meinung vieler Twitterund Facebook-Ökonomen nicht in irgendwelc­hen Hausbunker­n eines Finanzmini­sters herumlager­t, sondern auf den internatio­nalen Kapitalmär­kten ausgeborgt und zurückbeza­hlt werden muss.

In Europa und den USA wird bereits die Debatte geführt, ob die Mittel des ökonomisch­en Shutdowns den Zweck der effektiven Virusbekäm­pfung erfüllen. Die Antwort lautet ja! Weil es um Menschenle­ben geht. Aber auch, weil die ungehemmte Ausbreitun­g einer Seuche das ökonomisch­e Leben nach und nach ebenso schwer treffen würde, wie dies nun eben auf radikale Art geschieht. Doch die Wahrheit ist auch, dass die Wirtschaft so rasch wie möglich wieder hochfahren muss. Sonst ist die Party für sehr lange Zeit wirklich vorbei.

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