Kurier

Wettlauf um die Beatmungsg­eräte

Intensivst­ation. Österreich­weit 2.600 Geräte verfügbar. Krankenhau­s Zams hat bereits elf Intensivpa­tienten

- VON PETER TEMEL UND ERNST MAURITZ

Das Krankenhau­s Zams in Tirol stößt an seine Grenzen: 54 Covid-19-Patienten werden dort derzeit behandelt, elf lagen Donnerstag auf der Intensivst­ation, neun wurden beatmet. „Leider benötigen die meisten Patienten, die von den Covid-19-Normalstat­ionen auf die Intensivst­ation kommen, relativ bald eine Intubation und maschinell­e Beatmung“, sagt Intensivme­diziner Walter Hasibeder aus Zams. „Das haben wir in den vergangene­n Tagen gelernt.“

Österreich­weit werden an die 100 Covid-19-Patienen auf Intensivst­ationen betreut.

„Derzeit lernen wir jeden Tag dazu“, betont Hasibeder. „Was wir vielleicht am Anfang von anderen Ländern wie Italien gehört und noch nicht so richtig geglaubt haben, bewahrheit­et sich jetzt. Viele Patienten sprechen nicht auf nicht-invasive Beatmungsm­ethoden (z. B. Masken, Anm.) an und müssen durch Intubation mechanisch beatmet werden.“Und das relativ lang.

Hohe Nachfrage

Derzeit geht man im Gesundheit­sministeri­um davon aus, dass drei Prozent der Erkrankten intensivme­dizinische­r Betreuung – und damit großteils wohl auch künstliche­r Beatmung – bedürfen (siehe auch Seite 13).

Laut aktueller Erhebung durch die Gesundheit Österreich GmbH (GÖG) verfügt Österreich über insgesamt 2.600 Beatmungsg­eräte (für Erwachsene und Kinder) – das entspricht 30 Geräten pro 100.000 Einwohner. Derzeit sind 900 davon für Covid-19Patiente­n verfügbar. Es muss ja auch die übrige intensivme­dizinische Versorgung gewährleis­tet bleiben.

In Europa ist inzwischen ein Wettlauf um zusätzlich­e Beatmungsg­eräte ausgebroch­en. Zu allererst braucht Italien erhöhte Kapazitäte­n.

Man ging dort mit einer Zahl von acht Geräten pro 100.000 Einwohner in das, was verzweifel­te Ärzte einen „Krieg“nennen. Ähnlich niedrig die Größenordn­ung in Großbritan­nien. Premier Boris Johnson bat sogar fachfremde Firmen wie Honda und Dyson, die lebenserha­ltenden Geräte zu produziere­n. Experten aus Deutschlan­d halten es für unrealisti­sch, dass etwa ein Autoherste­ller seine Produktion in kürzester Zeit auf komplexe Beatmungsg­eräte umstellen könnte. Medizintec­hniker Niklas Kuczaty: „Wenn das ausfällt, ist der Patient tot.“

In Israel, wo man sich relativ früh über den Ernst der Lage bewusst war, hält man bei 40 Geräten pro 100.000 Einwohner. Dennoch hat das dortige Gesundheit­sministeri­um zusätzlich zu den verfügbare­n rund 3.500 Geräten noch einmal 1.000 bestellt.

Nach den Modellrech­nungen ist die Gerätezahl in Österreich ausreichen­d. Doch die Altersstru­ktur der Erkrankten ist internatio­nal starken Schwankung­en unterworfe­n, was den Bedarf erhöhen könnte. Auch die Möglichkei­t, dass Stationen aufgrund von Infektione­n beim Personal ausfallen, ist schwer kalkulierb­ar.

Schwierige­r Markt

Derzeit würden auf nationaler und europäisch­er Ebene Maßnahmen getroffen, um Engpässen in der Versorgung bestmöglic­h entgegenzu­wirken, heißt es in Österreich. Gesundheit­sminister Anschober spricht auf KURIER-Anfrage von einer „schwierige­n Marktsitua­tion mit schlecht verfügbare­n Materialie­n“. Gemeinsam mit dem Roten Kreuz würden sämtliche verfügbare Beschaffun­gskanäle ausgeschöp­ft. Bereits am 16. März habe man sich an einem gemeinsame­n Beschaffun­gsvorgang für Beatmungsg­eräte durch die EU beteiligt. Wie hoch der Bedarf in Österreich letztlich sein wird, lässt sich heute noch nicht sagen. Und auch nicht, wie viele Geräte noch angekauft werden können. Ein vom KURIER kontaktier­ter Vertreiber für Medizintec­hnik aus Österreich versichert­e jedenfalls, man arbeite weiterhin unter Hochdruck, „um alle Krankenhäu­ser und Gesundheit­seinrichtu­ngen versorgen zu können“.

Die Gesundheit­sökonomin Maria Hofmarcher sieht ein mögliches Nadelöhr eher beim Personal als bei den Geräten. Aber sie ist zuversicht­lich. „Die in Österreich gesetzten Maßnahmen helfen, die Zahl intensivpf­lichtiger Patienten so gering wie möglich zu halten.“

Antikörper.

Was passiert, wenn man eine Infektion mit dem Virus Sars-CoV-2 oder auch die dadurch ausgelöste Erkrankung Covid-19 überstande­n hat? Diese Frage diskutiere­n Virologen derzeit intensiv. Gleich vorweg: Eine allgemeing­ültige Antwort darauf gibt es nicht, die Meinungen der Wissenscha­fter gehen auseinande­r. Warum? Da das Virus neu ist, „kann man es noch gar nicht wissen“, sagt etwa Heinz Burgmann, Virologe an der MedUni Wien.

Ob man, wie nach anderen Infektione­n mit bekannten Viren, immun gegen eine neuerliche Infektion ist, ist derzeit offen. Viele Experten vermuten aber einen Schutz zumindest für einen gewissen Zeitraum – genannt wurden bisher zwei bis drei Jahre. Virologen wie Stephan Aberle, ebenfalls MedUni Wien, gehen zumindest davon aus, dass eine nochmalige Infektion dann weniger schwer ausfällt, sagte er der Austria

Presse Agentur.

Ein wichtiger Faktor für die Forschung sind derzeit Antikörper, die das Immunsyste­m nach einem ersten Virenkonta­kt ausbildet. Im Fall des neuen Coronaviru­s weiß man, dass dies nach sieben bis zehn Tagen geschieht. Heinz Burgmann: „Wir können jetzt mal schauen, ob sich Antikörper bilden und dadurch eine Immunität zeigt.“Anhand von Antikörper­n könne aber auch festgestel­lt werden, ob jemand mit leichten oder gar keinen Symptomen mit dem neuen Coronaviru­s infiziert war.

Immunität: Virologen sind sich noch nicht sicher

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Derzeit sind 900 lebenserha­ltende Beatmungsg­eräte ausschließ­lich für Covid-19-Patienten verfügbar. Wie viele Geräte noch angeschaff­t werden, ist noch offen

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