Wettlauf um die Beatmungsgeräte
Intensivstation. Österreichweit 2.600 Geräte verfügbar. Krankenhaus Zams hat bereits elf Intensivpatienten
Das Krankenhaus Zams in Tirol stößt an seine Grenzen: 54 Covid-19-Patienten werden dort derzeit behandelt, elf lagen Donnerstag auf der Intensivstation, neun wurden beatmet. „Leider benötigen die meisten Patienten, die von den Covid-19-Normalstationen auf die Intensivstation kommen, relativ bald eine Intubation und maschinelle Beatmung“, sagt Intensivmediziner Walter Hasibeder aus Zams. „Das haben wir in den vergangenen Tagen gelernt.“
Österreichweit werden an die 100 Covid-19-Patienen auf Intensivstationen betreut.
„Derzeit lernen wir jeden Tag dazu“, betont Hasibeder. „Was wir vielleicht am Anfang von anderen Ländern wie Italien gehört und noch nicht so richtig geglaubt haben, bewahrheitet sich jetzt. Viele Patienten sprechen nicht auf nicht-invasive Beatmungsmethoden (z. B. Masken, Anm.) an und müssen durch Intubation mechanisch beatmet werden.“Und das relativ lang.
Hohe Nachfrage
Derzeit geht man im Gesundheitsministerium davon aus, dass drei Prozent der Erkrankten intensivmedizinischer Betreuung – und damit großteils wohl auch künstlicher Beatmung – bedürfen (siehe auch Seite 13).
Laut aktueller Erhebung durch die Gesundheit Österreich GmbH (GÖG) verfügt Österreich über insgesamt 2.600 Beatmungsgeräte (für Erwachsene und Kinder) – das entspricht 30 Geräten pro 100.000 Einwohner. Derzeit sind 900 davon für Covid-19Patienten verfügbar. Es muss ja auch die übrige intensivmedizinische Versorgung gewährleistet bleiben.
In Europa ist inzwischen ein Wettlauf um zusätzliche Beatmungsgeräte ausgebrochen. Zu allererst braucht Italien erhöhte Kapazitäten.
Man ging dort mit einer Zahl von acht Geräten pro 100.000 Einwohner in das, was verzweifelte Ärzte einen „Krieg“nennen. Ähnlich niedrig die Größenordnung in Großbritannien. Premier Boris Johnson bat sogar fachfremde Firmen wie Honda und Dyson, die lebenserhaltenden Geräte zu produzieren. Experten aus Deutschland halten es für unrealistisch, dass etwa ein Autohersteller seine Produktion in kürzester Zeit auf komplexe Beatmungsgeräte umstellen könnte. Medizintechniker Niklas Kuczaty: „Wenn das ausfällt, ist der Patient tot.“
In Israel, wo man sich relativ früh über den Ernst der Lage bewusst war, hält man bei 40 Geräten pro 100.000 Einwohner. Dennoch hat das dortige Gesundheitsministerium zusätzlich zu den verfügbaren rund 3.500 Geräten noch einmal 1.000 bestellt.
Nach den Modellrechnungen ist die Gerätezahl in Österreich ausreichend. Doch die Altersstruktur der Erkrankten ist international starken Schwankungen unterworfen, was den Bedarf erhöhen könnte. Auch die Möglichkeit, dass Stationen aufgrund von Infektionen beim Personal ausfallen, ist schwer kalkulierbar.
Schwieriger Markt
Derzeit würden auf nationaler und europäischer Ebene Maßnahmen getroffen, um Engpässen in der Versorgung bestmöglich entgegenzuwirken, heißt es in Österreich. Gesundheitsminister Anschober spricht auf KURIER-Anfrage von einer „schwierigen Marktsituation mit schlecht verfügbaren Materialien“. Gemeinsam mit dem Roten Kreuz würden sämtliche verfügbare Beschaffungskanäle ausgeschöpft. Bereits am 16. März habe man sich an einem gemeinsamen Beschaffungsvorgang für Beatmungsgeräte durch die EU beteiligt. Wie hoch der Bedarf in Österreich letztlich sein wird, lässt sich heute noch nicht sagen. Und auch nicht, wie viele Geräte noch angekauft werden können. Ein vom KURIER kontaktierter Vertreiber für Medizintechnik aus Österreich versicherte jedenfalls, man arbeite weiterhin unter Hochdruck, „um alle Krankenhäuser und Gesundheitseinrichtungen versorgen zu können“.
Die Gesundheitsökonomin Maria Hofmarcher sieht ein mögliches Nadelöhr eher beim Personal als bei den Geräten. Aber sie ist zuversichtlich. „Die in Österreich gesetzten Maßnahmen helfen, die Zahl intensivpflichtiger Patienten so gering wie möglich zu halten.“
Antikörper.
Was passiert, wenn man eine Infektion mit dem Virus Sars-CoV-2 oder auch die dadurch ausgelöste Erkrankung Covid-19 überstanden hat? Diese Frage diskutieren Virologen derzeit intensiv. Gleich vorweg: Eine allgemeingültige Antwort darauf gibt es nicht, die Meinungen der Wissenschafter gehen auseinander. Warum? Da das Virus neu ist, „kann man es noch gar nicht wissen“, sagt etwa Heinz Burgmann, Virologe an der MedUni Wien.
Ob man, wie nach anderen Infektionen mit bekannten Viren, immun gegen eine neuerliche Infektion ist, ist derzeit offen. Viele Experten vermuten aber einen Schutz zumindest für einen gewissen Zeitraum – genannt wurden bisher zwei bis drei Jahre. Virologen wie Stephan Aberle, ebenfalls MedUni Wien, gehen zumindest davon aus, dass eine nochmalige Infektion dann weniger schwer ausfällt, sagte er der Austria
Presse Agentur.
Ein wichtiger Faktor für die Forschung sind derzeit Antikörper, die das Immunsystem nach einem ersten Virenkontakt ausbildet. Im Fall des neuen Coronavirus weiß man, dass dies nach sieben bis zehn Tagen geschieht. Heinz Burgmann: „Wir können jetzt mal schauen, ob sich Antikörper bilden und dadurch eine Immunität zeigt.“Anhand von Antikörpern könne aber auch festgestellt werden, ob jemand mit leichten oder gar keinen Symptomen mit dem neuen Coronavirus infiziert war.
Immunität: Virologen sind sich noch nicht sicher