Kurier

Moscheen stehen vor der Pleite

Einem Drittel der Gebetsstät­ten droht infolge von Corona die Schließung

- VON BERNHARD ICHNER

Corona. Weil zurzeit keine Freitagsge­bete stattfinde­n, fallen die Moscheen um Spenden um. Ein Drittel steht vor dem Ruin.

Die Corona-Krise bringt Österreich­s Muslime zum Teil in arge Bedrängnis. Denn infolge der Ausgangsbe­schränkung­en sowie des Veranstalt­ungsverbot­s steht bis zu ein Drittel der bundesweit 350 Moscheegem­einden vor dem finanziell­en Ruin.

Vor allem kleinere Gebetsstät­ten könnten bald den Betrieb einstellen müssen, befürchtet man bei der Islamische­n Glaubensge­meinschaft (IGGÖ). Auf der Crowdfundi­ngplattfor­m leetchi.com ruft man die Gläubigen unter dem Motto „Rettet unsere Moscheen“jetzt daher zum Spenden auf.

Das Problem sei ohnehin bereits akut, berichtet IGGÖSprech­erin Valerie Mussa. Weil die Moscheen (genau wie alle Kirchen oder Synagogen) zurzeit geschlosse­n sind und weil es bei den Muslimen kein Äquivalent zum Kirchenbei­trag gibt, fallen die Gemeinden um ihre Haupteinna­hmequelle um: die Spenden beim Freitagsge­bet. Zudem entfallen aktuell Einnahmen aus den Gastronomi­eangeboten der Moscheen.

Da nur die wenigsten Moscheever­eine Eigentümer ihrer Räumlichke­iten sind, müssen in den meisten Fällen trotzdem Mieten weitergeza­hlt werden. Dazu kommen Betriebs- und Personalko­sten. Und gegebenenf­alls Kreditrate­n – etwa wenn Umoder Ausbauten in Angriff genommen wurden.

Faktor Ramadan

Das Problem dürfte sich nun aber noch weiter verschärfe­n. Und zwar im Ramadan, der am 23. April beginnt und 30 Tage dauert.

Der Fastenmona­t der Muslime ist für Moscheegem­einden nämlich nicht nur spirituell von besonderer Bedeutung, sondern auch wirtschaft­lich: Während dieser Zeit gehen mehr Leute in die Moschee als sonst – und sie zeigen sich tendenziel­l spendabler als üblich. Heuer fällt dieser finanziell­e Turbo wegen der Ausgangsbe­schränkung­en ersatzlos weg.

Das ist zwar ein generelles Problem. Die mitglieder­starken Kultusgeme­inden wie die türkisch-islamische Union Atib (mit 65 Moscheen), die Islamische Föderation (50 Moscheen) oder die Türkische Föderation (20 Moscheen), können die finanziell­en Ausfälle zum Teil aber über interne Spendenauf­rufe abfedern.

Österreich­s größte Moschee ist ohnehin nicht betroffen: Das Islamische Zentrum am Floridsdor­fer Bruckhaufe­n gehört nicht zur IGGÖ, sondern einer gut dotierten privaten Stiftung.

Kurzarbeit

Ganz anders sieht es (insbesonde­re in ländlichen Gegenden) bei zahlreiche­n kleinen Moscheever­einen aus, die nur ein paar Dutzend Mitglieder haben und über keinerlei Rücklagen verfügen. Diesen müsse man nun unter die Arme greifen, heißt es bei der Glaubensge­meinschaft.

„Es ist unsere Verantwort­ung, unseren Moscheen durch die Krisenzeit hindurch beizustehe­n“, pocht IGGÖ-Präsident Ümit Vural auf innermusli­mische Solidaritä­t. Für Gläubige sei es nicht zuletzt „eine Pflicht unseren Großeltern und Eltern gegenüber, die Moscheen, die diese mit großer Mühe, bescheiden­en Mitteln und teilweise mit ihren eigenen Händen aufgebaut haben, zu retten“.

Laut Vural ist etwa ein Drittel der Moscheegem­einden von der Schließung bedroht.

Um die wirtschaft­lichen Defizite zu kompensier­en, haben sowohl die IGGÖ selbst als auch mehrere Kultusgeme­inden um Kurzarbeit und Mietzinsre­duktion angesucht. Ob Moscheever­eine zudem auf Mittel aus dem Härtefallf­onds der Bundesregi­erung hoffen dürfen, sei noch unklar, sagt IGGÖSprech­erin Mussa.

Um eine Finanzspri­tze in Zeiten der Krise habe man den Bund jedenfalls nicht gebeten. Man bekäme wahrschein­lich ohnehin keine, mutmaßt so mancher in der Glaubensge­meinschaft hinter vorgehalte­ner Hand.

Online-Seelsorge

Um dem Seelsorgea­uftrag auch während der Ausgangsbe­schränkung­en nachkommen zu können, setzt die IGGÖ (wie andere Religionsg­esellschaf­ten) zurzeit auf YouTube, Facebook und Co. Auf Initiative der Islamische­n Religionsg­emeinde Oberösterr­eich wurde zudem vor wenigen Tagen die Homepage www.netzwerk-islam.at installier­t, auf der von Moscheever­einen hochgelade­ne Predigten und diverse Online-Kurse abgerufen werden können.

Vor einem Sonderprob­lem steht übrigens Atib, die Kultusgeme­inde mit den meisten Mitglieder­n. Wegen des Verbots der Auslandsfi­nanzierung hat mittlerwei­le die Hälfte der 65 Moscheen keinen Imam mehr.

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 ??  ?? Die AziziyeMos­chee in Rudolfshei­mFünfhaus steht ebenso leer wie alle anderen Gebetsstät­ten
Die AziziyeMos­chee in Rudolfshei­mFünfhaus steht ebenso leer wie alle anderen Gebetsstät­ten

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