Kurier

Die hohe Kunst des Neustarts

- VON WOLFGANG UNTERHUBER KURIER.at/Pammesberg­er wolfgang.unterhuber@kurier.at / Twitter: @WUnterhube­r

Das Virus bekämpfen und gleichzeit­ig die Wirtschaft retten wird ohne unpopuläre Maßnahmen nicht funktionie­ren

Österreich geht es gut. Während den Italienern dem Vernehmen nach das Klatschen für ihre Rettungskr­äfte vergangen ist, blühen hierzuland­e bereits wieder bunte Corona-Diskussion­en. Im Handel fliegen die Fetzen, weil die großen Lebensmitt­elketten offen haben und kleine Blumenhänd­ler noch nicht. Von Facebook und Co. ausspionie­rte „Geistesgrö­ßen“teilen auf Facebook und Co. mit, dass sie niemals die Corona-App runterlade­n werden, weil sie nicht ausspionie­rt werden möchten. Und überhaupt ist das große Jammern ausgebroch­en, weil für alle zu wenig Hilfsgeld da ist und man an das Selbige auch nicht immer gleich rankommt.

Die Regierung hat das trotz „Corona light“latent frustriert­e Wesen der österreich­ischen Seele richtig erkannt und daher zu Wochenbegi­nn eine schrittwei­se Rückkehr zur Normalität angekündig­t.

Ein schmaler Grat. Man muss die Kurve der Neuinfekti­onen weiter abflachen, gleichzeit­ig die Wirtschaft wieder hochfahren und noch dazu die guten Umfragewer­te hochhalten. Was aber, wenn das Virus (etwa bei Öffnung der Gasthäuser) zurückkehr­t? Hier scheut die Regierung unpopuläre Maßnahmen. Der Vergleich mit China hinkt, aber dort herrscht auch in den Restaurant­s Maskenpfli­cht. Nur beim Verzehr der Speisen darf man sie abnehmen. In ostasiatis­chen Ländern hat man auch so schnell wie möglich die Industrie hochgefahr­en. Unter strengsten Sicherheit­svorkehrun­gen. Das sollte auch das oberste Gebot für Österreich sein. Der Produktion­ssektor sichert samt Zulieferin­dustrie jeden zweiten Job in Österreich. Bei allem Respekt vor den Ein-Personen-Firmen und KMU: krachen die großen Industrieu­nternehmen, krachen alle mit. Zudem ist ein längerer (und absolut notwendige­r) fiskalisch­er Rettungsei­nsatz für Kleinunter­nehmen weitaus kostengüns­tiger als für systemrele­vante Unternehme­n, mit deren Ende ein ganzer Standort kippen kann.

Solche Entscheidu­ngen erfordern in Demokratie­n von einer Regierung Mut, weil diese Beliebthei­tswerte sinken lassen. Dänemark etwa öffnet Kindergärt­en und Volksschul­en noch bevor alle Geschäfte wieder aufsperren dürfen. Für Österreich sollte man zumindest eine rasche Öffnung der Universitä­ten und Oberstufen andenken, weil Jugendlich­e mit Kontaktver­meidung wohl besser umzugehen wissen als Kleinkinde­r.

Am wichtigste­n aber ist, dass jene Bevölkerun­gsgruppe, um die sich gerade alles dreht und deren ökonomisch­e Existenz in Form gesicherte­r Pensionen nicht bedroht ist, vor allem in den Städten sich endlich selbst gut schützt. Sonst wird man über bestimmte Ausgehzeit­en nachdenken müssen. Für die ÖVP eine Horror-Vorstellun­g, zählt doch die gefährdete Hauptgrupp­e zu ihrer Kernwähler­schicht. Aber keine Angst. Österreich geht es gut. Noch.

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