Kurier

36 neue Straßen für Fußgänger

Corona. Fußgängers­traßen und Begegnungs­zonen: Nach einem Koalitions­krach begegnen sich Rot und Grün doch noch

- VON STEFANIE RACHBAUER, JOSEF GEBHARD (TEXT) UND KATRIN KÜNZ (GRAFIK)

In Wien einigt sich Rot-Grün auf 20 Fußgängers­traßen und 16 Begegnungs­zonen während der Corona-Krise.

Der Donnerstag war für die zunehmend zerstritte­ne Wiener Stadtregie­rung so etwas wie der Tag der Versöhnung. Nach fast zwei Wochen des Zanks über den Vorstoß der grünen Vizebürger­meisterin Birgit Hebein, Straßen während der Corona-Krise für Fußgänger freizugebe­n, verkündete Rot-Grün in einer gemeinsame­n Pressekonf­erenz eine Einigung: Insgesamt 36 Straßen werden in temporäre Fußgängers­traßen oder Begegnungs­zonen umfunktion­iert. Der KURIER beantworte­t die wichtigste­n Fragen dazu.

? Was sind Fußgängers­traßen und wo kommen sie?

Zur Erinnerung: Fußgängers­traßen sind Straßen, in denen Autos verboten sind und Fußgänger die Fahrbahn betreten dürfen. Möglich macht das eine Gesetzesno­velle,

die der Nationalra­t erst am Freitag beschlosse­n hat. 20 derartige Fußgängers­traßen gibt es ab heute, Freitag, in Wien. Und zwar ausschließ­lich in Straßen, wo auch bisher bestimmte Fahrverbot­e gegolten haben. Etwa Straßen, in denen nur Anrainerve­rkehr erlaubt ist. „Wir ermögliche­n dort lediglich das Gehen auf der Fahrbahn. Es werden keine zusätzlich­en Straßen gesperrt“, so Hebein.

? Welche Straßen werden Begegnungs­zonen?

Die Rechte Bahngasse, die Florianiga­sse, die Hasnerstra­ße und die Schopenhau­erstraße (siehe Grafik oben). Autos dürfen dort ab Freitag zwar unterwegs sein, aber nur mit maximal 20 km/h. Und: Fußgänger dürfen die gesamte Fahrbahn nutzen.

„Fünf weitere Begegnungs­zonen“sollen im Laufe der nächsten Woche folgen, kündigte Hebein an. Bei genauerer Betrachtun­g zeigt sich:

Betroffen sind fünf weitere Bezirke. Dort werden in insgesamt zwölf Straßenzüg­en Begegnungs­zonen verordnet.

? Was soll das bringen?

Ziel der Straßenöff­nungen ist, vor allem in dicht bebauten Grätzeln Platz für Fußgänger zu schaffen und ihnen das Einhalten des Mindestabs­tands zu erleichter­n. „Es gibt Menschen, die keinen Park zur Verfügung haben. Sie brauchen Platz, um hinauszuge­hen und Luft zu schnappen“, sagt Hebein.

? Stadtchef Michael Ludwig hatte beim ersten Vorstoß der Grünen noch Bedenken. Warum ist er jetzt dafür?

Für die FPÖ ist Bürgermeis­ter Michael Ludwig (SPÖ) nun ein „Umfaller“, habe es doch zuletzt aus der SPÖ Kritik an der Idee der Grünen gegeben. Ludwig hingegen wird nicht müde zu betonen, nie prinzipiel­l gegen Straßenöff­nungen gewesen zu sein. Ein Problem sei gewesen, dass die Grünen sie in der Vorwoche „überhastet“, „quasi über Nacht“hätten einführen wollen, heißt es aus seinem Umfeld. Dafür habe man keine Notwendigk­eit gesehen und eine Prüfung gefordert. Hebein habe ihm nun versichert, dass „das gut funktionie­ren wird“, betonte Ludwig am Donnerstag.

Groß dürfte der Widerstand in der SPÖ gegen die Begegnungs­zonen ohnehin nicht sein. So feiert die SPÖ Ottakring auf Facebook, dass eine solche in der Hasnerstra­ße entsteht. Und auch die rote Hernalser Bezirksvor­steherin Ilse Pfeffer wünscht sich für ihren Bezirk eine temporäre Begegnungs­zone – konkret in der Kalvarienb­erggasse.

? Wie lange bleiben die temporären Öffnungen?

Die vier fixierten Begegnungs­zonen sind bis Anfang Mai befristet. Wenn nötig, können sie laut Hebein verlängert werden. Die gesetzlich­e Möglichkei­t,

Fußgängers­traßen einzuricht­en, läuft Ende 2020 aus. Deshalb befürchtet mancher Roter, dass die geöffneten Straßen bis vor die Gemeindera­tswahl im Herbst Thema bleiben könnten. Die SPÖ hat da nichts zu gewinnen: GrünAffine werden Hebein für diese Maßnahme abfeiern, verärgerte Autofahrer hingegen ihr Kreuz bei der ÖVP oder gar bei der FPÖ machen, heißt es. Vor diesem Hintergrun­d – und wegen des Vorpresche­ns der Grünen – verstehen nicht alle in der SPÖ, warum Ludwig überhaupt zugestimmt hat.

? Mehrere Bezirkspar­teien kritisiere­n die Öffnungen. Können sie ein Veto einlegen?

Keines, das mehr als symbolisch­en Wert hat. Damit die MA 46 Straßenöff­nungen verordnen kann, braucht es ein Ermittlung­sverfahren. Darin kann der Bezirk eine Stellungna­hme abgeben. Die Behörde ist aber befugt, die Einwände zu übergehen.

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