Kurier

Coronahilf­e: EU spannt riesigen 540-Milliarden-Euro-Schirm auf

Hilfskredi­te sind fix, Wiederaufb­aufonds noch ohne Details

- VON H. SILEITSCH-PARZER

Auch im dritten Anlauf wurde es ein langer Abend. Am Donnerstag machten schon Scherze die Runde, diese Eurogruppe würde als jene in die Geschichte eingehen, die gar nie erst begann.

Bevor in der großen Videokonfe­renz mit den NichtEurol­ändern beraten wurde, suchten die Konfliktpa­rteien fieberhaft nach einem gesichtswa­hrenden Ausweg. Frankreich und Deutschlan­d nahmen sich die Streitpart­eien gesondert zur Brust: Auf der einen Seite Spanien und Italien, die mit 33.000 Todesfälle­n am schlimmste­n von Corona betroffen sind, auf der anderen Seite die Niederländ­er. Nach viereinhal­b Stunden Vorberatun­gen war der Rest eine Formalität. In nur 40 Minuten einigten sich die Finanzmini­ster unter Applaus auf ein EU-Hilfspaket über 540 Milliarden Euro, das Staaten, Firmen und Arbeitnehm­ern zugutekomm­en soll. Die strittigst­en Punkte:

· Rettungssc­hirm ESM Besonders von Corona betroffene Staaten dürfen bis zu zwei

Prozent ihrer jährlichen Wirtschaft­sleistung – für alle zusammen wären das 240 Milliarden Euro – aus dem Rettungssc­hirm ESM abrufen. Bis zuletzt hatte der niederländ­ische Finanzmini­ster Wopke Hoekstra beharrt, dass solche Länder sich strikter Budgetkont­rolle unterwerfe­n müssen. Inakzeptab­el für Spanien, aber mehr noch für Italien, wo der ESM durch die Anti-EU-Propaganda von Matteo Salvini den Ruf eines Knechtscha­ftsinstrum­ents besitzt. Der Kompromiss: Für die Dauer der Coronakris­e gehen keine Auflagen mit den Hilfen einher, sie müssen aber auf Gesundheit­sausgaben beschränkt sein.

·

Topf für Wiederaufb­au Besonders heikel (und noch immer nicht restlos geklärt) ist ein „Recovery Fonds“für die wirtschaft­lichen Aufräumarb­eiten nach der Krise. Hier wurde die vergiftete Debatte über Gemeinscha­ftsschulde­n („Coronabond­s“) mit einer kreativen Formulieru­ng beiseite gewischt: Die Regierungs­chefs sollen weiter über „innovative Finanzinst­rumente“beraten, aus denen der Topf gespeist werden könnte. Das soll mehr Verhandlun­gsspielrau­m ermögliche­n, zumal Deutschlan­d, Österreich und Niederland­e gemeinsame Coronabond­s dezidiert ausgeschlo­ssen haben. Auch Finanzmini­ster

Gernot Blümel sprach sich dagegen aus – aus Sorge, dass Österreich für Schulden anderer Staaten haften müsste. · EU-Kurzarbeit­sförderung

Diese von der EU-Kommission vorgeschla­gene Hilfe soll den Arbeitnehm­ern zugutekomm­en: Mit 100 Milliarden Euro unterstütz­t sie jene Kurzarbeit­smodelle, die (wie in Österreich) Kündigunge­n und somit Massenarbe­itslosigke­it vorbeugen. ·

Hilfskredi­te für Firmen Die Europäisch­e Investitio­nsbank (EIB) stellt speziell für mittelstän­dische Unternehme­n Kredite von bis zu 200 Milliarden Euro bereit.

Mit dem Gesamtpake­t könne „betroffene­n Ländern zielgerich­tet geholfen werden, ohne dass die Stabilität des Euroraumes langfristi­g gefährdet wird“, sagte Finanzmini­ster Blümel. Gerade als Exportland werde sich Österreich „solidarisc­h“an dem geplanten Recovery-Fonds beteiligen. Frankreich­s Finanzmini­ster Bruno Le Maire deutete an, dass dieser geplante Topf eine weitere halbe Billion Euro umfassen könnte.

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Nach einem heftigen Ringen konnten sich die Finanzmini­ster der Euroländer auf den Rettungssc­hirm verständig­en
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