Kurier

Nicht mal niesen darf man mehr

- VON SIMONE HOEPKE simone.hoepke@kurier.at

Ich bleibe daheim. Zähle zur Risikogrup­pe.

Zumindest sehen mich andere als Risiko.

Bin Pollenalle­rgiker. Schon morgens beim Aufstehen schau ich aus wie ein Boxer, der in der elften Runde k. o. gegangen ist. Noch bevor ich aufstehe, röchle ich wie ein übergewich­tiger Mops, der die Treppen zur Futterschü­ssel im vierten Obergescho­ß überwinden muss.

Ein Blick auf pollenwarn­dienst.at bestätigt: Alarmstufe „Rot“. Für alle, die ein Problem mit Birken haben und ein paar andere auch.

Ich wage zu behaupten, dass ich den Weltrekord im Dauerniese­n halte.

Würde Dschingis Khan in Corona-Zeiten in die Schlacht ziehen, könnte er mich als Biowaffe ins Feld schicken. Mit meinen Niesattack­en schlage ich feindliche Armeen schneller in die Flucht, als irgendwer „Attacke!“rufen kann. Hab das testweise im Supermarkt ausprobier­t. Panik ringsum.

Weiß nicht, wer mehr Angst um sein Leben hatte. Ich oder die anderen.

Seitdem bleibe ich zu Hause. Auch schön. Schön langweilig. Ich könnte den Kleiderkas­ten ausmisten. Aber da ist mir lieber langweilig. Die derzeit so gehypte Aufräum- und Ausmist-Manie halte ich für schwer überbewert­et. Meine empirische­n Studien widerlegen alles, was Ausmistpro­fis predigen. Es stimmt nicht, dass man alles wegwerfen kann, was man ein Jahr lang nicht verwendet hat. Beweis dafür ist mein Schreibtis­ch. Seit meinem Studienabs­chluss (das war kurz nachdem die Dinosaurie­r ausgestorb­en sind) steht er zweckentfr­emdet im Eck. Als Ablagefläc­he für alles, was ich später wegräumen werde. Im Grunde konnte man seine Existenz unter dem Haufen von Zeugs zuletzt nur noch erahnen. Dann kam Corona und das Homeoffice. Jetzt sind wir zwei wieder ein Team.

Der Krempel, der am Schreibtis­ch lag, steckt jetzt im Müllsack daneben. Wollte Selbigen entsorgen. Geht nicht. Mistplatz geschlosse­n. Aus Angst vor Leuten, die unkontroll­iert durch die Gegend niesen.

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