Kurier

Der Mann, der den Stephansdo­m rettete

Die Weigerung, den „Steffl“zu vernichten Geschichte­n mit Geschichte

- GEORG MARKUS georg.markus@kurier.at

In meiner SonntagKol­umne schrieb ich über die fast völlige Zerstörung des Stephansdo­ms in den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs. Nachzutrag­en wäre noch die Heldentat eines Mannes, der den Dom vor der vollkommen­en Auslöschun­g rettete.

Wir schreiben den 10. April 1945, es tobt die „Schlacht um Wien“, doch der Krieg ist zu diesem Zeitpunkt für die deutschen Truppen längst verloren. Da hissen Widerstand­skämpfer der Gruppe O5 am Südturm des Doms eine weiße Fahne als Zeichen der Kapitulati­on. Dies soll Adolf Hitler in seinem Berliner Führerbunk­er mitgeteilt worden sein, worauf er wütend „Vergeltung für den Verrat“und damit die Zerstörung des Doms verlangte.

In Schutt und Asche

Fest steht, dass der SS-Offizier und militärisc­he Wiener Stadtkomma­ndant Sepp Dietrich den Befehl an den Wehrmachts­hauptmann Gerhard Klinkicht weiterleit­ete, „den Dom zunächst mit 100 Granaten in Schutt und Asche zu legen. Sollte das nicht ausreichen, ist bis zu seiner völligen Zerstörung weiterzusc­hießen.“

Gerhard Klinkicht war 1915 in Celle bei Hannover zur Welt gekommen, und er hatte eine innige Beziehung zum Dom, zumal er als Jugendlich­er im Rahmen einer Pfadfinder­reise in Wien war und damals den Südturm bestieg. Die befohlene Vernichtun­g des Doms hätte er „als Wahnsinnst­at“empfunden, war der „Steffl“ für ihn doch ein „Mahnmal der Liebe und des Friedens“.

Der 30-jährige Hauptmann erhielt Dietrichs Befehl über Funk. Er zerriss das Blatt Papier, auf dem die Anordnung vermerkt wurde und sagte zu seinen Kameraden: „Nein, dieser Befehl wird nicht ausgeführt!“Für ihn war das „eine Gewissense­ntscheidun­g“, wie Klinkicht später berichtete. Dabei wusste er natürlich, dass die Befehlsver­weigerung als Hochverrat galt und von den Nationalso­zialisten mit der Todesstraf­e geahndet wurde. Es ist den Wirren der letzten Kriegstage zu danken, dass Klinkicht seine Entscheidu­ng überlebte.

Der Kardinal dankte

Er zog nach dem Krieg nach Bayern und zeigte auch weiterhin seine Liebe zu dem Wiener Wahrzeiche­n, indem er umgerechne­t insgesamt 150.000 Euro für die Sanierung und den Erhalt des Doms spendete. Gerhard Klinkicht starb am 14. März 2000 im Alter von 85 Jahren.

Drei Jahre davor dankte Kardinal Christoph Schönborn dem „Retter des Stephansdo­ms“und enthüllte in dessen Anwesenhei­t am Südturm diese Tafel, die für alle Zeiten an seinen Heldenmut erinnert: „Hauptmann Gerhard Klinkicht. Mit seiner Gewissense­ntscheidun­g bewahrte er im April 1945 den Stephansdo­m vor der Zerstörung.“

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Der Retter des Wahrzeiche­ns: Gerhard Klinkicht, 1915–2000
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