Der Mann, der den Stephansdom rettete
Die Weigerung, den „Steffl“zu vernichten Geschichten mit Geschichte
In meiner SonntagKolumne schrieb ich über die fast völlige Zerstörung des Stephansdoms in den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs. Nachzutragen wäre noch die Heldentat eines Mannes, der den Dom vor der vollkommenen Auslöschung rettete.
Wir schreiben den 10. April 1945, es tobt die „Schlacht um Wien“, doch der Krieg ist zu diesem Zeitpunkt für die deutschen Truppen längst verloren. Da hissen Widerstandskämpfer der Gruppe O5 am Südturm des Doms eine weiße Fahne als Zeichen der Kapitulation. Dies soll Adolf Hitler in seinem Berliner Führerbunker mitgeteilt worden sein, worauf er wütend „Vergeltung für den Verrat“und damit die Zerstörung des Doms verlangte.
In Schutt und Asche
Fest steht, dass der SS-Offizier und militärische Wiener Stadtkommandant Sepp Dietrich den Befehl an den Wehrmachtshauptmann Gerhard Klinkicht weiterleitete, „den Dom zunächst mit 100 Granaten in Schutt und Asche zu legen. Sollte das nicht ausreichen, ist bis zu seiner völligen Zerstörung weiterzuschießen.“
Gerhard Klinkicht war 1915 in Celle bei Hannover zur Welt gekommen, und er hatte eine innige Beziehung zum Dom, zumal er als Jugendlicher im Rahmen einer Pfadfinderreise in Wien war und damals den Südturm bestieg. Die befohlene Vernichtung des Doms hätte er „als Wahnsinnstat“empfunden, war der „Steffl“ für ihn doch ein „Mahnmal der Liebe und des Friedens“.
Der 30-jährige Hauptmann erhielt Dietrichs Befehl über Funk. Er zerriss das Blatt Papier, auf dem die Anordnung vermerkt wurde und sagte zu seinen Kameraden: „Nein, dieser Befehl wird nicht ausgeführt!“Für ihn war das „eine Gewissensentscheidung“, wie Klinkicht später berichtete. Dabei wusste er natürlich, dass die Befehlsverweigerung als Hochverrat galt und von den Nationalsozialisten mit der Todesstrafe geahndet wurde. Es ist den Wirren der letzten Kriegstage zu danken, dass Klinkicht seine Entscheidung überlebte.
Der Kardinal dankte
Er zog nach dem Krieg nach Bayern und zeigte auch weiterhin seine Liebe zu dem Wiener Wahrzeichen, indem er umgerechnet insgesamt 150.000 Euro für die Sanierung und den Erhalt des Doms spendete. Gerhard Klinkicht starb am 14. März 2000 im Alter von 85 Jahren.
Drei Jahre davor dankte Kardinal Christoph Schönborn dem „Retter des Stephansdoms“und enthüllte in dessen Anwesenheit am Südturm diese Tafel, die für alle Zeiten an seinen Heldenmut erinnert: „Hauptmann Gerhard Klinkicht. Mit seiner Gewissensentscheidung bewahrte er im April 1945 den Stephansdom vor der Zerstörung.“