Kurier

Was wir aus der Corona-Krise lernen können

Klimaschut­z. Die Krise ist auch eine Testphase für nachhaltig­e Wirtschaft

- VON FRANZISKA BECHTOLD

Die Corona-Krise hat weltweite Veränderun­gen mit sich gebracht, die Menschen beruflich und privat ein hohes Maß an Anpassung abverlange­n: Homeoffice, Telefonode­r Videokonfe­renzen und Online-Handel sind jetzt die Lösung.

Das hat nicht nur Auswirkung­en auf die Menschen, sondern auch auf die Umwelt. Die Flugradar-Plattform Flightrada­r24 hat seit dem 9. März einen rasanten Rückgang kommerziel­ler Flüge um 71 Prozent gemessen. Dass das, so traurig der Anlass ist, das Klima schont, steht außer Frage. Dass die derzeitige Situation eine Ausnahme ist, allerdings ebenso. Doch was können wir daraus für die Zukunft lernen?

„Wir haben die Resilienz des Wirtschaft­ens aus dem Blick verloren“, sagt Sigrid Stagl, Ökonomin am Institute for Ecological Economics an der WU Wien. Gemeint ist, dass ein System nach einem Schock – wie der Corona-Krise – angepasst werden muss, um bei der nächsten Krise besser reagieren zu können.

Das sei ein Lernprozes­s, in dem sich jetzt die ganze Welt befinde.

Video-Konferenze­n

Nach Angaben des Verkehrscl­ub Österreich (VCÖ) machten die Österreich­er im vergangene­n Jahr rund 3,2 Millionen Geschäftsr­eisen, die Hälfte davon mit dem Flugzeug. Während der Krise geht das nicht mehr. Sigrid Stagl ist optimistis­ch, dass das auch danach so bleibt: „Es ist günstiger, spart Zeit und ist inklusiver. So können auch Menschen an Meetings teilnehmen, die nicht so viel reisen können. Die technische­n Mittel dafür gibt es ja schon lange.“Geschäftsr­eisen würden auch bedeuten, dass persönlich­en Begegnunge­n mehr Gewicht gegeben werde, als beispielsw­eise einer Videokonfe­renz. „Man signalisie­rt, dass ein Kunde wichtig ist, weil man sich die Mühe macht, in ein Flugzeug zu steigen und Zeit vergeudet“, sagt Stagl: „Wir müssen aber unsere sozialen Normen ändern und das passiert gerade.“Doch auch die Politik müsse dabei regulieren­d eingreifen. Eine Möglichkei­t wäre es, Firmen ein CO2-Budget zuzuteilen, um Geschäftsr­eisen teurer zu machen.

Falsches Tauschgesc­häft

Aber ist das jetzt überhaupt der richtige Zeitpunkt, um darüber nachzudenk­en, mitten in der Krise? „Die Gefahr besteht, dass es zu einem Tauschgesc­häft kommt. Entweder die Wirtschaft hochfahren, oder sich Umweltschu­tz leisten. Das ist falsch.

Wirtschaft muss nachhaltig und widerstand­sfähig sein. Es wäre fahrlässig, in die gleiche Richtung zu gehen, aus der wir kommen und den Klimaschut­z hintanzust­ellen“, erklärt Stagl.

Eine Möglichkei­t, die Balance zwischen Wirtschaft­lichkeit und Umweltschu­tz zu schaffen, zeigen derzeit lokale Unternehme­n und Geschäfte. Bauern und kleinere Läden steigen auf den OnlineHand­el um. In österreich­ischen Firmen werden plötzlich Schutzmask­en genäht, um die Nachfrage zu decken.

Der längst vergessene Begriff der Versorgung­ssicherhei­t sei wieder aktuell, sagt Stagl. Daher sei eine vielfältig­e Wirtschaft­sstruktur mit kürzeren Lieferkett­en und Materialkr­eisläufen wichtig.

Nur lokal beschränkt dürfe das aber nicht sein, denn ein regionaler Ernteausfa­ll könnte dann fatale Folgen haben. Man solle durchlässi­g sein, aber lieber für Tschechien und Spanien als für Neuseeland, sagt Stagl: „Ich glaube, dass es die Globalisie­rung, wie wir sie gekannt haben, in dieser Form nicht mehr geben kann.“

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Der Flugverkeh­r hat sich während der Corona-Maßnahmen stark reduziert. Jetzt lernen Menschen, dass man ohne Flüge auskommt
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Sigrid Stagl (51) ist Umweltökon­omin an der WU Wien

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