Kurier

„Stärkere Rolle für Heer“

Burgenland­s Landeschef Doskozil im Interview

- VON DANIELA KITTNER

Der ehemalige SPÖ-Verteidigu­ngsministe­r und jetzige Landeshaup­tmann des Burgenland­s plädiert im KURIER-Interview dafür, das Krisenmana­gement in der Corona-Krise dem Bundesheer zu überantwor­ten. Dort stecke viel „ungenützte Kompetenz“. Doskozil fordert zudem eine Reichenste­uer als Krisenbeit­rag. Zur Diskussion, dass durch eine neue

Verordnung Wiener vom Neusiedler See ferngehalt­en werden sollen, sagt er: „Das ist ein Missverstä­ndnis.“An die vermeintli­che Verordnung gehalten wurde sich jedoch – zumindest am Samstag, wie ein Lokalaugen­schein ergab. Die Strände in den Seebädern waren großteils menschenle­er, auch die Einheimisc­hen blieben aus.

Herr Landeshaup­tmann, wie geht es Ihnen nach der Stimmbando­peration? Hans Peter Doskozil: Dankeschön, den Umständen entspreche­nd gut. Ich spreche angesichts der Coronaviru­s-Situation nicht gern über meinen Gesundheit­szustand, aber die Menschen haben auch das Recht auf Transparen­z. Zwischenze­itlich hatte ich eine leichte Entzündung, sodass ich noch Zeit für logopädisc­hes Training brauche, bis ich stimmlich wieder voll da bin. So lange werde ich auf öffentlich­e Auftritte verzichten.

Warum wurden Sie Deutschlan­d operiert?

Der Arzt in Leipzig wurde mir von meinen österreich­ischen Ärzten empfohlen. Er ist ein absoluter Spezialist – und sogar für ihn war diese komplexe Operation, die über vier Stunden gedauert hat, in dieser Form keine alltäglich­e. Mir wurde der Kehlkopf von außen geöffnet, es wird eine große Narbe bleiben.

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Zur Corona-Krise: Wie beurteilen Sie das bisherige Krisenmana­gement der Bundesregi­erung?

Die Gesundheit der Bürgerinne­n und Bürger ist das wichtigste Gut – dementspre­chend muss es das oberste Ziel der Politik sein, dieses Gut zu schützen. Das ist der Job der Bundesregi­erung, und den hat sie auch gut gemacht. Die Gesamtsitu­ation gut zu managen, war sicher alles andere als einfach.

Was halten Sie von einer Corona-App?

Wenn man sie verpflicht­end gemacht hätte – vielleicht noch in Kombinatio­n mit dem Schlüssela­nhänger – dann wäre das zu weit in Richtung Überwachun­gsstaat gegangen.

Das Burgenland hatte mit Kärnten die niedrigste­n Infektions­raten. Wurden in Ischgl/Tirol Fehler gemacht?

Die Herausford­erung, mit der Tirol – als erstes betroffene­s Bundesland – umgehen musste, war äußerst schwierig. Es ist sicher zu klären, ob die Vorwürfe gegenüber den Behörden der Wahrheit entspreche­n, und ob ein Fehlverhal­ten vorliegt. Aber eines muss man fairerweis­e sagen: Ich war vor dem großen Ausbruch

mit allen Landeshaup­tleuten bei Bundeskanz­ler Kurz – und dort wurde die Problemati­k klar angesproch­en und zum Ausdruck gebracht, dass es klare Vorgaben des Bundes braucht. Das war in diesem Anfangssta­dium aber nicht der Fall. Hier wurden die Vorgaben vonseiten des Bundes zu spät gemacht. Wir im Burgenland haben auch bereits unseren Kultursomm­er abgesagt – obwohl da auch noch keine Vorgaben des Bundes vorlagen.

Es gibt jetzt große Aufregung, Sie wollten angeblich Wiener vom Neusiedler See fernhalten. Ist das nicht kontraprod­uktiv für den Tourismus im Burgenland?

Das ist ein Missverstä­ndnis. Die aktuelle Verordnung ersetzt ja die vorherige Sperre aller Seebäder. Es tritt daher eine Lockerung ein. Sinn und Zweck ist es keinesfall­s, Menschen kategorisc­h auszuschli­eßen, sondern Menschenan­sammlungen zu verhindern, um das Infektions­risiko zu minimieren. Diese Regelung betrifft auch viele Burgenländ­erinnen und Burgenländ­er – ich persönlich darf auch nicht zum See fahren. Oft frage ich mich schon, ob man die Situation nicht etwas falsch einordnet. Wir mussten am Donnerstag im Krankenhau­s Oberwart die Unfallabte­ilung und die Orthopädie aufgrund einiger Covid-19-positiver Tests bei Ärzten und Krankensch­western sperren und hatten einen weiteren Todesfall zu beklagen. Da brauche ich nicht großartig diskutiere­n, ob man in den nächsten 14 Tagen um den Neusiedler See spazieren darf oder nicht.

Wird die Krise etwas nachhaltig ändern?

Das hoffe ich. Der Mindestloh­n wäre endlich umzusetzen. Die Krise zeigt, wer die wahren Leistungst­räger unserer Gesellscha­ft sind. 1.700 netto, also 10 Euro die Stunde, haben sich diese Menschen allemal verdient. Es reicht nicht, wenn man sie auf Werbeplaka­ten als „Heldinnen“feiert oder zum kollektive­n Applaus aufruft. Die allgemeine Wertschätz­ung dieser Tätigkeite­n muss sich auch in einer fairen Entlohnung niederschl­agen.

Worüber wird man in der Nacharbeit intensiv reden müssen?

Darüber, wer die Kosten trägt. Und wer aus der Wirtschaft die notwendige Unterstütz­ung bekommt. Ich positionie­re mich klar dafür, gute und nachhaltig­e Klein- und Mittelbetr­iebe zu unterstütz­en. Aber wenn dann am Ende des Tages ein Herr Benko in Deutschlan­d 800 Mio € an Staatshilf­en beantragt und selbst über ein Privatverm­ögen von einigen Milliarden verfügt, dann stimmt was nicht. Ich bin schon gespannt, wie das die Wirtschaft­spartei ÖVP lösen wird. Die starken Schultern sollten die schweren Lasten tragen – Vermögende, Reiche und internatio­nale Großkonzer­ne, die nichts bis wenig zum Steuerauf kommen beitragen.

Sollen 800 Millionen an die AUA gehen? Soll sie re-verstaatli­cht werden?

Ja. Dafür hege ich Sympathien. Die AUA ist ein sehr wichtiges Unternehme­n für Österreich. Aber das sollten wir nicht im Sinne der Lufthansa

machen, sondern im Sinne Österreich­s – mit einer strategisc­hen Unternehme­nsbeteilig­ung. Unter diesen Bedingunge­n kann man durchaus über eine Re-Verstaatli­chung nachdenken.

Was sagen Sie als Ex-Heeresmini­ster zur Rolle des Bundesheer­s in der Krise?

Ich glaube, wir sollten unbedingt dem Bundesheer eine stärkere Rolle zukommen lassen. Als ehemaliger Verteidigu­ngsministe­r weiß ich, was diese Organisati­on im Stande ist zu leisten. Nur lässt man das Bundesheer leider finanziell ausbluten. Das Krisenmana­gement des Staates sollte zum Großteil im Bereich der Landesvert­eidigung angesiedel­t sein. In diesem Ressort steckt so viel ungenützte Kompetenz. Das Bundesheer sollte hier die Hauptveran­twortung übernehmen und zudem verstärkt für den Katastroph­enschutz eingesetzt werden. Das wäre auch ein vernünftig­er und logischer Weg, um für das Bundesheer endlich das Budget bereitzust­ellen, das es benötigt.

Pamela Rendi-Wagner sagt, sie habe die Mitglieder­befragung über ihren Verbleib an der SPÖ-Spitze initiiert, um von der Basis gegen intrigiere­nde Funktionär­e, die sie nicht unterstütz­en, gestärkt zu werden. Fühlen Sie sich angesproch­en?

Nein. Jeder Politiker, der sich in einer Führungspo­sition befindet, ist immer einer internen Diskussion ausgesetzt. Das hat die SPÖ nicht erfunden. Da geht es mir ja nicht anders. Die Frage ist ganz einfach: entweder man setzt sich durch oder nicht.

Welches Ergebnis wäre eine Bestätigun­g für die Vorsitzend­e, um zu bleiben?

Die Interpreta­tionshohei­t diesbezügl­ich besitzt die Initiatori­n dieser Befragung.

Michael Ludwig hält das Votum für falsch. Sie auch?

Ich bin genauso wenig glücklich wie der Wiener Bürgermeis­ter. Auch da sind wir einer Meinung.

Die SPÖ liegt in bundesweit­en Umfragen unter 20 Prozent und matcht sich mit den Grünen um Platz 2. Haben Sie sich mehr erhofft in dieser Phase, da Rendi-Wagner eine Pandemie-Expertin ist?

Na ja, natürlich bin ich nicht glücklich, wenn wir bundesweit unter 20 Prozent liegen. Im Burgenland hatten wir Ende Jänner 49,9 Prozent. Aber es wird die Zeit nach der Krise kommen – und da müssen wir uns als SPÖ einheitlic­h auf zentrale Themen konzentrie­ren: Beschäftig­ung, Pflege – und uns um jene kümmern, die als Verlierer diese Krise verlassen.

Wollen Sie sich künftig bundespoli­tisch mehr einbringen? Stünden Sie als SP-Chef zusätzlich zum Landeshaup­tmannamt zur Verfügung?

Natürlich werde ich mich thematisch einbringen. Aber wir haben im Burgenland die absolute Mehrheit erreicht. Ich bin im Landtag von 35 der 36 Mandatare gewählt worden. Meine Aufgabe ist, gut für das Burgenland zu arbeiten. Daher bleibe ich Landeshaup­tmann.

Das Interview wurde aus Rücksicht auf die Gesundheit des Landeshaup­tmanns schriftlic­h geführt.

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„Ich darf auch nicht zum Neusiedler See“: Doskozil hält SpazierDeb­atte angesichts Corona-Toten für verfehlt

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