Letzter Ausweg: „Pfandl“
Rasch Cash. Über 100 Pfandhäuser gibt es, vom Dorotheum bis zu winzigen Geschäften. Krisenprofiteure sind sie nicht
38 Milliarden Euro will die Regierung für Selbstständige, Kurzarbeiter, Vereine und Betriebe bereitstellen, damit sie liquide sind und wirtschaftlich überleben können. Doch Anspruch auf die Hilfen haben nicht alle. Für so manche gibt es seit vergangener Woche zumindest eine kleine Hilfe: Die Pfandleiher waren unter den ersten Branchen, die vergangene Woche wieder öffnen durften. „Eigentlich geht es um Menschen, die ihr Zeug versetzen müssen, damit sie an Geld kommen. Wissen viele nicht, dass das für manche Menschen sehr relevant ist“, erklärte GrünenKlubchefin Sigi Maurer vor wenigen Tagen die Entscheidung der Regierung (sie löschte den Tweet).
Schnelles Bargeld
Martin Abel ist Pfandleiher in Wien-Brigittenau. In Jubelstimmung kommt der Mann mit dem bulligen Aussehen, und dem freundlichen Wesen, aber nicht. „Mir ist es lieber, wenn die Konjunktur gut läuft. Ich hoffe auch, dass unser Sozialstaat die Krise für viele lindert.“
Einen Ansturm von Kunden habe er bisher auch nicht bemerkt. Möglich, dass es noch ein paar Wochen dauere, bis den Menschen das Geld ausgeht, sagt Abel.
„Und ich sag’ meinen Kunden schon klar, dass Kredite bei der Bank billiger wären“, erklärt er. Doch anders als bei einer Bank kann man bei Pfandleihern relativ rasch handelseins werden: Abel zahlt etwa ein Drittel des Wertes, von fast allem, was ihm angeboten wird. Die Kunden haben dann zehn Wochen Zeit, das Geld zurückzuzahlen, Abel behält sich „vier bis sieben Prozent“Zinsen, pro Monat, versteht sich. Sonst wird die belehnte Ware versteigert, das Geld bekommt der Kunde zurück – abzüglich der Zinsen. So läuft das überall.
Auch Michael Ringl sieht sich nicht als Gewinner der
Krise. Auch er sperrte vergangenen Dienstag sein Pfandhaus in Wien-Kagran wieder auf. Am ersten Tag kamen mehr Menschen als sonst. Noch nicht wegen der anstehenden Wirtschaftskrise, sondern weil sie Dinge abholen wollten, die sie vor den Ausgangsbeschränkungen belehnt hatten. „Plötzlich sind die Kinder immer daheim, da brauchen sie eben die Playstation“, sagt Ringl.
Vor allem Stammkunden hat er in der letzten Zeit außerhalb des Geschäfts getroffen. Eine generell höhere Nachfrage nach dem schnellen Geld für die Miete, für Essen oder Windeln erwartet der 54-Jährige erst in zwei bis drei Monaten, dann würden sich Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit bemerkbar machen. „Wer denkt, ich verdiene mir hier eine goldene Nase, der hat keine Ahnung von meinem Geschäft“, sagt Ringl.
Die Leute seien froh, dass es ihn gibt, wenn am Ende des Monats die Pension oder das Arbeitslosengeld nicht mehr reicht. „Deswegen verstehe ich nicht, warum wir Pfandhäuser gerade in der Krise zusperren mussten.“
Vom Magister bis zum Flüchtling würden alle zu ihm kommen: „Aber schon eher die ohne Arbeit“, sagt Ringl. Er mag es nur nicht, wenn die Leute als Bittsteller kommen, weinen oder ihm die Gründe für ihr Kommen erklären. „Das geht mich nichts an und es ist ja nichts Schlimmes, ins Pfandhaus zu gehen“, sagt Ringl.
Vor allem sei es „jedenfalls besser als das Wettbüro – oder ein Raubüberfall“.
Während die klassischen Pfandhäuser von Krisen profitieren würden, erleben andere gerade eher eine Flaute. Florian Folkmanns Pfandhaus hat sich auf das Belehnen von Autos spezialisiert. „Wir haben jetzt keinen Vorteil, wir freuen uns, wenn die Wirtschaft gut läuft“, sagt er. Die Mehrheit seiner Kunden würde das schnelle Geld brauchen, um sich Luxus zu finanzieren. Oft sind das Urlaubsbuchungen oder größere Investitionen etwa in Elektrogeräte, erklärt Folkmann.
„Unsere Kunden können sich das leisten, darauf schauen wir auch“, sagt er. Sie bringen Autos oder eben auch nur den Zweitschlüssel und den Typenschein und zahlen das Geld zurück, sobald etwa das Urlaubsgeld da ist. „Da geht es oft um Überbrückung und das geht bei uns viel schneller als bei der Bank“.
Belehnung per Post
Das ist auch der Grund, warum sich manche an Ilik Anaevs „eBoerse“wenden. Neben den Filialen hat er einen Onlineservice. Bei ihm geht es um kleinere Summen von maximal 1.000 Euro. Spezialisiert hat er sich auf Smartphones, aber auch Schmuck wird genommen.
Anaev rechnet in ein bis zwei Monaten mit einem Anstieg der Kunden. „Dann haben die Leute ihre Ersparnisse aufgebraucht. Aber viele leben so am Limit, dass sie nichts besitzen, das sie belehnen können“, meint er. Online kann man sich bei der „eBoerse“berechnen lassen, wie viel man bekommt. Schickt man das Gerät ein, wird das Geld überwiesen. Dadurch kann Anaev Kunden in ganz Österreich und auch Deutschland bedienen.
Derzeit darf Michael Ringls Pfandhaus in Wien-Donaustadt nur mit Maske betreten werden