Kurier

Letzter Ausweg: „Pfandl“

Rasch Cash. Über 100 Pfandhäuse­r gibt es, vom Dorotheum bis zu winzigen Geschäften. Krisenprof­iteure sind sie nicht

- VON KONSTANTIN AUER UND BERNHARD GAUL

38 Milliarden Euro will die Regierung für Selbststän­dige, Kurzarbeit­er, Vereine und Betriebe bereitstel­len, damit sie liquide sind und wirtschaft­lich überleben können. Doch Anspruch auf die Hilfen haben nicht alle. Für so manche gibt es seit vergangene­r Woche zumindest eine kleine Hilfe: Die Pfandleihe­r waren unter den ersten Branchen, die vergangene Woche wieder öffnen durften. „Eigentlich geht es um Menschen, die ihr Zeug versetzen müssen, damit sie an Geld kommen. Wissen viele nicht, dass das für manche Menschen sehr relevant ist“, erklärte GrünenKlub­chefin Sigi Maurer vor wenigen Tagen die Entscheidu­ng der Regierung (sie löschte den Tweet).

Schnelles Bargeld

Martin Abel ist Pfandleihe­r in Wien-Brigittena­u. In Jubelstimm­ung kommt der Mann mit dem bulligen Aussehen, und dem freundlich­en Wesen, aber nicht. „Mir ist es lieber, wenn die Konjunktur gut läuft. Ich hoffe auch, dass unser Sozialstaa­t die Krise für viele lindert.“

Einen Ansturm von Kunden habe er bisher auch nicht bemerkt. Möglich, dass es noch ein paar Wochen dauere, bis den Menschen das Geld ausgeht, sagt Abel.

„Und ich sag’ meinen Kunden schon klar, dass Kredite bei der Bank billiger wären“, erklärt er. Doch anders als bei einer Bank kann man bei Pfandleihe­rn relativ rasch handelsein­s werden: Abel zahlt etwa ein Drittel des Wertes, von fast allem, was ihm angeboten wird. Die Kunden haben dann zehn Wochen Zeit, das Geld zurückzuza­hlen, Abel behält sich „vier bis sieben Prozent“Zinsen, pro Monat, versteht sich. Sonst wird die belehnte Ware versteiger­t, das Geld bekommt der Kunde zurück – abzüglich der Zinsen. So läuft das überall.

Auch Michael Ringl sieht sich nicht als Gewinner der

Krise. Auch er sperrte vergangene­n Dienstag sein Pfandhaus in Wien-Kagran wieder auf. Am ersten Tag kamen mehr Menschen als sonst. Noch nicht wegen der anstehende­n Wirtschaft­skrise, sondern weil sie Dinge abholen wollten, die sie vor den Ausgangsbe­schränkung­en belehnt hatten. „Plötzlich sind die Kinder immer daheim, da brauchen sie eben die Playstatio­n“, sagt Ringl.

Vor allem Stammkunde­n hat er in der letzten Zeit außerhalb des Geschäfts getroffen. Eine generell höhere Nachfrage nach dem schnellen Geld für die Miete, für Essen oder Windeln erwartet der 54-Jährige erst in zwei bis drei Monaten, dann würden sich Arbeitslos­igkeit und Kurzarbeit bemerkbar machen. „Wer denkt, ich verdiene mir hier eine goldene Nase, der hat keine Ahnung von meinem Geschäft“, sagt Ringl.

Die Leute seien froh, dass es ihn gibt, wenn am Ende des Monats die Pension oder das Arbeitslos­engeld nicht mehr reicht. „Deswegen verstehe ich nicht, warum wir Pfandhäuse­r gerade in der Krise zusperren mussten.“

Vom Magister bis zum Flüchtling würden alle zu ihm kommen: „Aber schon eher die ohne Arbeit“, sagt Ringl. Er mag es nur nicht, wenn die Leute als Bittstelle­r kommen, weinen oder ihm die Gründe für ihr Kommen erklären. „Das geht mich nichts an und es ist ja nichts Schlimmes, ins Pfandhaus zu gehen“, sagt Ringl.

Vor allem sei es „jedenfalls besser als das Wettbüro – oder ein Raubüberfa­ll“.

Während die klassische­n Pfandhäuse­r von Krisen profitiere­n würden, erleben andere gerade eher eine Flaute. Florian Folkmanns Pfandhaus hat sich auf das Belehnen von Autos spezialisi­ert. „Wir haben jetzt keinen Vorteil, wir freuen uns, wenn die Wirtschaft gut läuft“, sagt er. Die Mehrheit seiner Kunden würde das schnelle Geld brauchen, um sich Luxus zu finanziere­n. Oft sind das Urlaubsbuc­hungen oder größere Investitio­nen etwa in Elektroger­äte, erklärt Folkmann.

„Unsere Kunden können sich das leisten, darauf schauen wir auch“, sagt er. Sie bringen Autos oder eben auch nur den Zweitschlü­ssel und den Typenschei­n und zahlen das Geld zurück, sobald etwa das Urlaubsgel­d da ist. „Da geht es oft um Überbrücku­ng und das geht bei uns viel schneller als bei der Bank“.

Belehnung per Post

Das ist auch der Grund, warum sich manche an Ilik Anaevs „eBoerse“wenden. Neben den Filialen hat er einen Onlineserv­ice. Bei ihm geht es um kleinere Summen von maximal 1.000 Euro. Spezialisi­ert hat er sich auf Smartphone­s, aber auch Schmuck wird genommen.

Anaev rechnet in ein bis zwei Monaten mit einem Anstieg der Kunden. „Dann haben die Leute ihre Ersparniss­e aufgebrauc­ht. Aber viele leben so am Limit, dass sie nichts besitzen, das sie belehnen können“, meint er. Online kann man sich bei der „eBoerse“berechnen lassen, wie viel man bekommt. Schickt man das Gerät ein, wird das Geld überwiesen. Dadurch kann Anaev Kunden in ganz Österreich und auch Deutschlan­d bedienen.

Derzeit darf Michael Ringls Pfandhaus in Wien-Donaustadt nur mit Maske betreten werden

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Schnelles Geld.
Pfandleihe­r Abel freut sich nicht über die Krise. Lieber sei ihm eine Hochkonjun­ktur – auch, weil er eine Innenstadt-Bar betreibt Schnelles Geld.
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