Eine Zeit zum Aufatmen
Die Kraft von Ostern hat sich auch im beeindruckenden disziplinierten Bemühen der gesamten Bevölkerung gezeigt. Jetzt ist Schritt für Schritt daran zu denken, eine neue Form von Normalität zu finden. Mit wie vielen habe ich mitgelitten, die in großer Angst um ihre Gesundheit sich kaum hinausgetraut haben. Mit denen, die um infizierte Angehörige gebangt hatten. Und mit allen, die ihren Job schon verloren haben, oder als kleines Unternehmen vor dem wirtschaftlichen Ruin stehen, da der Schuldenberg zu groß ist.
Viele Geschäfte sind bereits offen, die anderen warten ungeduldig auf eine Öffnung und fühlen sich ungerecht behandelt. Unserem Erzbischof Kardinal Schönborn ist es Zeit seiner Amtsführung ein Herzensanliegen, jede Kirche möglichst immer offen stehen zu wissen, damit jeder und jede zumindest auf einen Sprung zum Gebet hineinschauen kann. Es war höchst schmerzlich, in der Karwoche – trotz der hervorragend vom ORF übertragenen Gottesdienste – die Kirchentore für die Zeitspanne der Feier verschlossen halten zu müssen. Ansonsten sind die Kirchen ja derzeit nicht versperrt, sondern für das persönliche Gebet geöffnet. Aber jetzt brauchen wir wieder mehr Freiraum zum Atmen. Nicht nur in der Natur, wo sich der wärmende Frühling mehr und mehr durchsetzt, sondern auch in der Art und Weise unseres kirchlichen Zusammenkommens. Stufenweise Rückkehr steht in Aussicht, aber natürlich mit einer Reihe von Auflagen, die uns schon fast in Fleisch und Blut übergegangen sind: die Art unserer Begrüßung und das Abstandhalten. Selbst wenn Schutzmasken sein müssen, wir sehnen uns danach, die wohltuende geistliche Grundnahrung unseres gemeinsamen Betens und Singens wieder in unseren geliebten Kirchen aufzunehmen.
Der Autor ist Dompfarrer zu St. Stephan