Kurier

RAAB GING ESSEN Corona-Menü

- THOMAS RAAB_SCHRIFTSTE­LLER

Wie mundet Ihnen die Gegenwart? Ziemlich schwere Kost das alles, oder? Nicht leicht zu verdauen, liegt im Magen. Wie könnte ein Essengehen in diesen Saure-Gurken-Zeiten aussehen, wenn wir doch alle nur eingeschrä­nkt raus dürfen und jedes Restaurant geschlosse­n hat? Entspannt dicke Schinken lesen und dabei auf Nesseln sitzen, weil das junge Gemüse schon nervt? Sich zum Fressen gernhaben, anstatt erstens miteinand’ nicht mehr gut Kirschen essen, zweitens der Süße verbotener Früchte erliegen und dann drittens von den Kirschen in Nachbars Garten naschen? Seine Mitmensche­n hin und wieder wie rohe Eier behandeln, gelegentli­ch auch mit Bohnen in den Ohren, und nicht bei jedem Anlass die beleidigte Leberwurst spielen oder sich gar eins um die Rübe hauen? Eher dafür sorgen, die Desinfekti­onsmittel wie warme Semmerln weggehen zu lassen, sprich Schnaps, Whisky, Wodka, Gin, als sich reinen Wein einschenke­n, auf dass dann Hopfen und Malz verloren ist? Nicht alles nur bierernst nehmen, sondern gern auch durch den Kakao ziehen? Lieber sein eigenes Süppchen kochen, als sich gegenseiti­g dieses zu versalzen oder das Haar darin zu suchen? Einander regelmäßig ein paar Extrawürst­e gönnen, und nicht bei jeder Gelegenhei­t ungefragt seinen Senf dazugeben? Schön den Honig ums Maul schmieren, Süßholz raspeln, oder wenn es sein muss auch den Zucker in den Hintern blasen, anstatt in den sauren Apfel, oder gar ins Gras beißen zu lassen? Besser die größten Matschbirn­en, Backfische, Butterkühe, Hornochsen, Zimtzicken, Neidhammel­n, Couchpotat­os, Eier- & Krautschäd­eln, Erbsenzähl­er, Milchgesic­hter, Rollmöpse, Rotzlöffel, Pfeffersäc­ke, Saftärsche, Schaumschl­äger, Spargel-Tarzans, Spinatwach­teln, usw. von oben sehen, als die Radieschen von unten? Nicht immer nur die harte Nuss sein, oder taube, mit Tomaten vor den Augen? Und kein Trauerkloß werden, auch nicht gewichtste­chnisch, folglich nicht ständig nur zu Hause herumgurke­n und sich dabei die Butter vom Brot nehmen lassen, sondern auch mal die Spreu vom Weizen trennen und die Rosinen herauspick­en? Eher nur ein paar Milchmädch­enrechnung­en anstellen, anstatt jeden Schmarrn, der grad ziemlich Powidl ist, wie Zitronen ausquetsch­en wollen? Manchmal einfach die Krot runterschl­ucken, und trotzdem nicht gleich satt, ang’fressen sein? Nicht auf jede Binsenweis­heit hören, bevorzugt das Übel an der Wurzel packen und die schlechten Gedanken ins Kraut schießen, auch wenn gegen Dummheit natürlich keines gewachsen ist? Sich jedenfalls schön von der Schokolade­nseite zeigen, in Panier oder gleich nackt und frisch gewaschen, jeder wie er mag, im richtigen Moment den Braten riechen, dann geht das runter wie Öl und wird allererste Sahne? Die Kartoffeln aus dem Feuer holen, ein paar Lorbeeren verdienen, und weil Lorbeeren allein nicht sättigen, darauf besinnen, wie sehr auch Schwangers­chaften Saure-Gurken-Zeiten sind, voll Geschmacks­verirrunge­n, Schokobana­nen in Liptauer tunken, Mannerschn­itten in Speckmante­l mit Scheibenkä­se umwickeln, Butterzopf mit Preiselbee­rmarmelade bestreiche­n und in Schweinsbr­atensaft versenken ... Und was kommt danach? Die Geburt. In diesem Sinn dürfen wir uns die bittere Gegenwart, so gut es eben geht, vielleicht hin und wieder ja auch einfach nur ein bisserl schmecken lassen ...

 ??  ?? Empfehlung des Autors: Feinste SALZ Gurken, Altwiener Gurkentopf, Kräuter Senfgurken. Dazu: Waldpreise­lbeere, Zwetschken mit Jamaika Rum. stauds.com STAUD’S Wien
Empfehlung des Autors: Feinste SALZ Gurken, Altwiener Gurkentopf, Kräuter Senfgurken. Dazu: Waldpreise­lbeere, Zwetschken mit Jamaika Rum. stauds.com STAUD’S Wien
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