Kurier

Mehrheit will Staatshilf­e für Austrian Airlines

800-Millionen-Euro-Frage. Soll der Staat die Fluggesell­schaft retten? Nein, sagen jene Steuerzahl­er, die ohnehin nie fliegen. Doch, sagen Experten. Sonst droht „eine Katastroph­e“

- VON SIMONE HOEPKE

Soll die AUA 800 Millionen Euro vom Staat bekommen, um wieder zu fliegen? Ja, sagen KURIER-Leser. Was der Fluglinie jetzt droht und sie einst auszeichne­te.

Um 800 Millionen Euro kann man hochemotio­nal streiten. Vor allem, wenn diese kolportier­te Summe an die AUA gehen soll. Also eigentlich an den deutschen LufthansaK­onzern, der die rot-weiß-rote Airline 2009 übernommen hat – inklusive einer Mitgift von 500 Millionen Euro.

Und jetzt soll schon wieder Geld in Richtung Frankfurt fließen, wettern die einen. Eine Frechheit, schließlic­h handelt es sich um Steuergeld. Und ein Drittel der Österreich­er steigt laut einer VCÖ-Umfrage ohnehin so gut wie nie in ein Flugzeug. Trotzdem ist es eine Notwendigk­eit, kontern die anderen. Denn was wäre Österreich ohne die Austrian Airlines?

Zugegeben: Schon geschichtl­ich gesehen, florierte die Wirtschaft immer an Verkehrskn­otenpunkte­n. Erst dort, wo Brücken Ufer verbanden, später an Eisenbahnk­notenpunkt­en, heute dort wo es viele Flugverbin­dungen gibt. Nicht umsonst buttern Staaten Millionen in ihre Airlines – siehe Singapur oder auch die Golfstaate­n.

Farbe der Strümpfe

Die Bedeutung der Flugverbin­dungen steht auch René Siegl außer Frage. Er ist Geschäftsf­ührer der Austrian Business Agency (ABA) und damit mit Betriebsan­siedlungen internatio­naler Konzerne in Österreich beschäftig­t: „Wir brauchen das Streckenne­tz der AUA“, sagt er. Dieses sei mit ein Grund, warum knapp 400 internatio­nale Konzerne eine Niederlass­ung in Wien eröffnet haben und insgesamt rund 20.000 Menschen in der Stadt beschäftig­en. „Bei der Frage, ob Stewardess­en rote oder blaue Strümpfe tragen sollen, bin ich aber leidenscha­ftslos“, sagt Siegl. Nachsatz: „Da bin ich Marktwirts­chaftler.“

Nicht ganz so emotionslo­s ist Peter Malanik, Präsident des Österreich­ischen Luftfahrtv­erbandes.

Er war von 2008 bis 2012 Vorstand der Austrian Airlines und ist der Meinung, dass die Fluglinie gerettet werden muss, um den Wirtschaft­sstandort abzusicher­n. Hier könne man sich nicht auf andere Airlines verlassen. „Nach Antalya, Barcelona oder Palma werden bestimmt andere Airlines fliegen, das sind ja die attraktive­n Strecken.“Also quasi die Autobahnen der Luft, auf der sich Billigairl­ines ein Wettrennen liefern. Bedeutend

für den Wirtschaft­sstandort Wien sind aber vor allem auch die Langstreck­enverbindu­ngen und klassische Business-Strecken in den Osten, die sonst mangels großer Nachfrage schlicht wegfallen würden. Und damit auch die sogenannte „Drehscheib­enfunktion“des Flughafens Wien. Das ist auch die Sorge von Norbert Kettner, Geschäftsf­ührer des Wien Tourismus. Mehr als 80 Prozent der Touristen in der Bundeshaup­tstadt reisen aus dem

Ausland an. „Knapp 50 Prozent mit dem Flugzeug, bei Kongressto­uristen sind es sogar 75 Prozent“, rechnet Kettner vor. Bei der Frage, wo Kongresse über die Bühne gehen, seien die Flugverbin­dungen entscheide­nd. „Wenn ich den Organisato­ren erklären muss, dass sie ‚nur‘ zwei Mal umsteigen müssen, um nach Wien zu kommen, kann ich mir die Präsentati­on gleich sparen.“Der Wegfall der AUA-Verbindung­en wäre aus seiner Sicht „eine Katastroph­e. Nicht nur für den Tourismus, sondern für den ganzen Wirtschaft­sstandort“.

Für den Ökonom Marcus Scheibleck­er, der derzeit für einen IWF-Job beim Wirtschaft­sforschung­sinstitut (WIFO) karenziert ist, ist eine Gegenleist­ung für die Rettung naheliegen­d. „Wenn der Staat ein Unternehme­n rettet, hat er aus ökonomisch­er Sicht das Recht, etwas dafür zu verlangen“, sagt er zur APA. Dieser Meinung ist auch Infrastruk­turministe­rin Leonore Gewessler: „Wenn wir mehrere Hundert Millionen in die Hand nehmen, muss dieses Geld an Bedingunge­n geknüpft werden. Es ist Steuergeld, und der Steuerzahl­er muss davon etwas haben, wenn es dem Unternehme­n wieder besser geht.“

Branche stürzt ab

Übrigens ist die AUA mit ihrem Ruf nach staatliche­r Hilfe nicht allein. „Staatliche Unterstütz­ung gibt es für die Luftfahrti­ndustrie in praktisch allen Erdteilen und Ländern, so hat etwa die USA bereits 28 Milliarden Dollar Soforthilf­e bereitgest­ellt“, betont auch Günther Ofner, Vorstand der Flughafen Wien AG.

Der Mutterkonz­ern Lufthansa hat auch in Berlin um staatliche Hilfe angesucht. Laut Lufthansa-Chef Carsten Spohr verbrennt die Airline derzeit „ungefähr eine Million Euro“ihrer Liquidität­sreserven – pro Stunde. Ohne staatliche Hilfe könne das nicht lange gut gehen.

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