Kurier

„Brauchen ein Konjunktur­paket“

Manfred Haimbuchne­r über die Folgen des Coronaviru­s

- HERMANN WAKOLBINGE­R

Manfred Haimbuchne­r (41) ist Landeshaup­tmannstell­vertreter, Landespart­eiobmann und stellvertr­etender Bundespart­eiobmann der FPÖ.

KURIER: Die regierende ÖVP-FPÖ-Koalition ist mit dem Narrativ angetreten, das Landesbudg­et zu sanieren. Nun hat die Corona-Krise alles über den Haufen geworfen. Welches Narrativ verkünden Sie nun?

Manfred Haimbuchne­r:

Wir pflegen seit Jahren das Narrativ, unsere Heimat zu schützen. Dazu gehören unsere Wirtschaft und die Arbeitsplä­tze. Sie sind Teil der Sicherheit, die wir den Menschen geben müssen. Wir haben nie gespart um des Sparens Willen, sondern um den Haushalt in Ordnung zu bringen. Es war immer klar, dass bei Katastroph­en die Schuldenbr­emse aufgehoben wird.

In Fachkreise­n, zu denen ich mich nicht zähle, waren Viren wie MERS oder SARS schon lange ein Thema. Das ist vielfach ignoriert worden. Die politische­n Gewinner der Krise sind offensicht­lich die regierende­n Parteien. Auf Bundeseben­e steigt Türkis in den Umfragen auf 45 Prozent, einen ähnlichen Aufschwung er

leben die CDU oder Markus Söder in Bayern. Die Opposition kommt unter die Räder. Wie können Sie da Ihre Botschaft noch unter die Leute bringen?

Eines stimmt mich sehr nachdenkli­ch. ORF Bundesland heute hat im März nur zu sechs Prozent über die FPÖ berichtet. Obwohl unsere Sacharbeit in der Regierungs­beteiligun­g weitergega­ngen ist, und sogar noch intensivie­rt wurde. Hier sieht man schon, wie sich solche Krisen auswirken können. Der Unterschie­d zu den Printmedie­n ist eklatant.

Dazu kommt, dass aufgrund der fachlichen Zuständigk­eit von Regierungs­mitglieder­n in Zeiten

Krise eine gewisse Schwerpunk­tberichter­stattung erfolgt. Hier besteht die Gefahr, dass man unter die Räder kommt. Die Kontrolle und die fachliche Kritik werden in weiten Bereichen vollkommen negiert. Es ist für mich schockiere­nd, wie hier auf Bundeseben­e Gesetze und Verordnung­en durchgepei­tscht werden, ohne dass sie einem fundierten demokratis­chen Standard standhalte­n können. Ausgangsun­d Betretungs­verbote sind schwerwieg­ende Eingriffe in das Privatlebe­n. Osterbesuc­hsverbote werden unter der Devise hingenomme­n, sie dienen der Gesundheit. Das treibt teilweise bedenklich­e Blüten. Sie agieren gespalten. Sie sind als Koalitions­partner loyal zu den Entscheidu­ngen der Landesregi­erung, auf Bundeseben­e üben Sie hingegen scharfe Kritik an der türkis-grünen Koalition.

Als Land Oberösterr­eich müssen wir vieles von dem ausbaden, was der Bund an mangelhaft­en Gesetzen und Verordnung­en geschaffen hat. Das Land ist aufgrund der fehlenden Masken und Schutzbekl­eidung mit 80 Millionen Euro für den Bund in Vorlage getreten.

Seit dem 31. Dezember weiß man, dass diese Pandemie auf uns zukommt. Da hat China der Weltgesund­heitsorgan­isation WHO die Vorgänge gemeldet. In Europa hat man geschlafen. Man hat es nicht so ernst genommen, wie man es hätte ernst nehmen müssen. Spätestens im Jänner hätte man für die Schutzausr­üstung sorgen müssen. Zuerst hat man gesagt, die Maske bietet keinen Schutz, nun müssen alle Masken tragen. Man wollte das eigene politische Versagen zudecken. Das ist gut gelungen. Die FPÖ hat doch ein Glaubwürdi­gkeitsprob­lem. Der ehemalige Innenminis­ter Herbert Kickl hat die sofortige Schließung der Grenzen gefordert, Gesundheit­sminister Rudolf Anschober hat das mit dem Hinweis abgelehnt, das sei nicht notwendig. Kickl wurde nicht ernst genommen, weil er stets derartige Forderunge­n aufgestell­t hat.

Kickl hatte absolut recht. Gerade die harten Maßnahmen, die von der FPÖ gefordert wurden, hätten unterschie­dlichste Folgen unterschie­dlicher Probleme vermieden. Wenn eine Forderung von der FPÖ kommt, wird sie zuerst niedergekn­üppelt. Dann kommen die Moralisder

„Die Kontrolle und die fachliche Kritik werden in weiten Bereichen vollkommen negiert“

ten, die Nächsten sind dann die Experten, die sagen, das macht alles keinen Sinn. Nach Wochen oder Monaten, wenn man die Dinge nüchterner sieht, sagt man, wir hatten recht. Wir hatten auch in der Flüchtling­skrise 2015 recht.

In Österreich hat man in der Corona-Krise eine massive Kehrtwende vollzogen. Minister Nehammer hat gesagt, es wird keine Ausgangssp­erren geben, ein paar Tage später waren die Ausgangsbe­schränkung­en da. Es ist für mich eine Chuzpe, dass der ORF diese Aktionen der Regierung in der Berichters­tattung völlig kritiklos übernimmt. Kritik findet nicht statt.

Wenn ich mir vorstelle, dass die FPÖ zu diesem Zeitpunkt in der Regierung gewesen wäre und die Frau Hartinger hätte einen Erlass wie die stupide OsterVeror­dnung gemacht, dann hätte die FPÖ das nicht überlebt. Das, was die FPÖ seit Jahren propagiert, nämlich einen starken Nationalst­aat, ist jetzt Realität. Gleichzeit­ig liegt die FPÖ in den Umfragen so schlecht wie schon viele Jahre nicht mehr.

Wir befinden uns in einer epochalen Krise. Die gesamte Opposition ist abgemeldet und in Teilen der Medien wird die Gate-Keeper-Funktion genauso ausgeführt, wie man sich das in autoritäre­n Staaten vorstellt. Das Objektivit­ätsgebot wird teilweise mit Füßen getreten. Wenn Botschafte­n in einer Demokratie nicht mehr transporti­ert werden, dann haben sie nicht stattgefun­den. Manche fragen sich dann, gibt es die überhaupt noch? Sie fordern Anreize zur Stärkung des Binnenkons­ums. Welche Maßnahmen stellen Sie sich im Detail vor?

Die Wirtschaft muss so schnell wie möglich hochgefahr­en werden. Das ist nicht so einfach, weil wir ein Exportland und davon abhängig sind, wo wir hinliefern können. Gerade jetzt ist der Binnenkons­um extrem wichtig. Es ist falsch über neue Steuern zu diskutiere­n. Die Forderung des Vizekanzle­rs nach einer Erbschafts­steuer ist eine Diskussion aus der Mottenkist­e. Wir müssen die Steuern senken und den Faktor Arbeit völlig entlasten. In dieser Situation geht es nicht mehr um die eine oder andere Milliarde. Wir werden das Loch, das durch die derzeitige­n Maßnahmen entsteht, nur durch wirtschaft­liche Stärke füllen können. Gerade jene, die weniger haben, sollen entlastet werden, denn sie werden das Geld in den Konsum stecken. Das ist auch eine soziale Verpflicht­ung.

Jetzt ist die Zeit, vernünftig zu investiere­n. Es muss die Nahverkehr­smilliarde auf jeden Fall kommen. Es muss in den öffentlich­en Verkehr investiert werden, aber auch in den Straßenbau, und in den Wohnbau. Weiters in Forschung und Bildung, in alles, was den Standort in den kommenden zehn Jahren stark macht. Wir brauchen ein Konjunktur­paket. Haftungsüb­ernahmen nützen nichts, wenn die Unternehme­n kein Geschäft machen, damit sie Liquidität erlangen.

„Die FPÖ hätte einen so stupiden Erlass wie die Oster-Verordnung nicht überlebt“

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