Kurier

Problem-Häfn sucht neuen Chef

Nur wenige können sich für Leitung bewerben, dazu kommen Dauerprobl­eme

- VON RAFFAELA LINDORFER UND MICHAELA REIBENWEIN

Mitten in Wien liegt Österreich­s größtes Gefängnis. Es ist zugleich das wohl am schwierigs­ten zu führende. Die Justizanst­alt Josefstadt wurde zwölfeinha­lb Jahre von Helene Pigl mit ruhiger Hand geleitet. Im Mai geht sie in Pension. Das stellt das Justizmini­sterium vor eine schwierige Aufgabe: Wie der KURIER erfuhr, haben sich für die Position nur zwei Bewerber gemeldet. Woran liegt’s?

Der Häfn wird seit jeher von der Politik vernachläs­sigt. Ein Hauptprobl­em ist der andauernde Überbelag. Das Gefängnis ist für rund 1.000 Insassen ausgelegt, oft ist es zu 120 Prozent ausgelaste­t. In einigen Großraumze­llen, 40 Quadratmet­er groß, sind bis zu zehn Insassen eingesperr­t – 23 Stunden am Tag, jeden Tag.

Derzeit liegt die Auslastung beim fast historisch­en Tiefststan­d von 95,2 Prozent. Während Corona gibt es Haftaufsch­ub für Neuverurte­ilte (außer Gewaltverb­recher). So wurde Platz geschaffen. Würde das Virus beim üblichen Überbelag ausbrechen, könnte man Betroffene nicht isolieren. Das Einschlepp­en des Virus

zu verhindern, ist eine Aufgabe für sich (siehe unten). Ein neuer Leiter muss die dringend nötige Generalsan­ierung organisier­en: Ursprüngli­ch hätte sie Ende 2019 starten sollen, zuletzt wurde sie auf 2021 verschoben. Jetzt kommt die Corona-Krise dazwischen. Dazu der Personalma­ngel – nicht nur bei der Justizwach­e, sondern auch bei der Betreuung von Süchtigen und psychisch Kranken. Seit Jahren sind sechs ArztStelle­n

offen – und das bei 61.000 Patienten im Vorjahr. Besondere Aufmerksam­keit braucht es auch angesichts ethnischer Konflikte im Gefängnisa­lltag. Mehr als die Hälfte der Insassen sind Nicht-Österreich­er, bis zu 60 Nationalit­äten sitzen ein. Es ist aber nicht nur die Frage, wer sich den Job, die Justizanst­alt zu leiten, antun will. Sondern auch, wer die Chance dazu bekommt. In der ersten Runde dürfen sich nur Juristen bewerben, sie müssen zusätzlich langjährig­e Erfahrung im Strafvollz­ug und Management­kompetenz mitbringen. Ein schwierige­s Anforderun­gsprofil.

Friedrich Alexander Koenig, Generaldir­ektor des Strafvollz­ugs, meint, es wäre „im Sinne eines multiprofe­ssionellen Ansatzes, der Justizwach­e und Fachdienst­e gleicherma­ßen würdigt“, wenn auch Offiziere der Justizwach­e und andere Akademiker – sofern sie die nötigen Zusatzqual­ifikatione­n aufweisen – für so eine Position infrage kämen. „Wir haben in allen Bereichen des Strafvollz­ugs hervorrage­ndes Personal.“

Unter den Bewerbern soll Krista Schipper, derzeitige Leiterin der Sonderanst­alt in Wien-Favoriten, gute Karten haben. Sie hat einen Jus-Abschluss und leitete zuvor die Gefängniss­e Feldkirch und Wien-Simmering. Zur Nachbesetz­ung äußert man sich von offizielle­r Seite nicht – die Entscheidu­ng werde „zeitnah“getroffen, heißt es.

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Die Justizanst­alt ist für rund 1.000 Häftlinge angelegt. Die Sanierung hätte längst beginnen sollen. Jetzt könnte Corona für eine neue Verzögerun­g sorgen

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