Kurier

Dubioser Lebenslauf eines Kultur-Managers

Dessen Dissertati­on ist nicht auffindbar

- THOMAS TRENKLER

Bundesthea­ter. Anfang April bestellte Kulturstaa­tssekretär­in Ulrike Lunacek (Grüne) Axel Spörl, der bisher in der Logistik-Branche gearbeitet hat, zum Geschäftsf­ührer der Bundesthea­terService­gesellscha­ft. Der „Plagiatsjä­ger“Stefan Weber warnte sie umgehend: Seinen Recherchen zufolge könnte Spörl, der sich als Doktor der Philosophi­e ausgibt, seinen Titel zu Unrecht tragen. Erst jetzt, nachdem der KURIER informiert worden war, bemühen sich die Bundesthea­ter um Klärung. Im Zuge der Nachforsch­ungen ist auch ein gefälschte­s Dokument der Israelitis­chen Kultusgeme­inde ans Licht gekommen. Spörl ist bei der Klärung kooperativ; es gilt die Unschuldsv­ermutung.

Dies ist eine wahre Geschichte über Lug und Trug und Dokumenten­fälschung, über Intrigen und Rache, über irrwitzige Recherchen und absurde Volten. Diese Geschichte wäre ein Filmstoff – wenn der Film nicht schon von Steven Spielberg gedreht worden wäre; und auch „Catch Me If You Can“aus 2002 mit Leonardo DiCaprio als cleverer Gauner, der sich zu Höherem berufen fühlt, basiert auf einer wahren Geschichte. Eines ist immer klar: Natürlich gilt die Unschuldsv­ermutung.

Axel Spörl leitet seit Mai eine Serviceges­ellschaft der Bundesthea­ter. Im Zuge des Bestellung­sprozesses gab er an, Doktor der Philosophi­e zu sein. Doch beim KURIER meldete sich ein Warner: Dem sei nicht so. Im Zuge der Recherchen stellte sich heraus, dass bereits Kulturstaa­tssekretär­in Ulrike Lunacek (Grüne) und Christian Kircher, Geschäftsf­ührer der Bundesthea­ter-Holding, informiert worden waren. Spörl selbst reagierte auf KURIERAnfr­agen durchaus kooperativ.

Diese Geschichte, die einige Rückgriffe verlangen wird, beginnt am 7. April. Das Coronaviru­s hält in Atem. Um 9.15 Uhr gibt die Holding eine Personalen­tscheidung von Lunacek bekannt, die nicht groß hinterfrag­t wird. Die Aussendung trägt den Titel: „Langjährig­er Geschäftsf­ührer der GLS Austria Dr. Axel Spörl wird ART for ART Alleingesc­häftsführe­r“, der Untertitel lautet: „Der 48-Jährige setzte sich gegen 36 Mitbewerbe­rInnen durch.“Er folge auf Josef Kirchberge­r, der in Pension geht, und werde mit 4. Mai seine Arbeit aufnehmen. Dann kommt ein großes Lob von Lunacek: „Dr. Axel Spörl beeindruck­t durch seine Persönlich­keit und fachliche wie soziale Kompetenz.“Seine große Expertise und so weiter „machen ihn zum idealen Kandidaten für die Position ... “

Wäre Corona und das ganze Chaos nicht gewesen: Man hätte schon damals stutzig werden können. Denn die Angaben zum Lebenslauf sind dürftig: „Nach einem Doppelstud­ium der Informatik und Musiktheor­ie begann Axel Spörl 1995 seine Berufslauf­bahn als IT- und Management-Berater.“Es seien Stationen bei der Deutschen Post, bei DHL in Brüssel, der heimischen Post und schließlic­h beim Paketdiens­t GLS gefolgt. Aber: Wann und wo wurde Spörl eigentlich geboren? Wann und wo hat er studiert?

Niemand fragte nach. Doch im Hintergrun­d mahlten bereits die Mühlen der Rache. Stefan Weber, der Salzburger „Plagiatsjä­ger“, war beauftragt worden, die Dissertati­on von Spörl zu prüfen. Er konnte aber keinen Hinweis auf deren Existenz finden. Er kam daher am 19. Dezember 2019 zum Schluss, dass Spörl den Doktorgrad „mutmaßlich vorsätzlic­h unberechti­gt“führe.

„Promotions­urkunde“

Ein paar Tage nach Spörls Bestellung, am 16. April, übermittel­te er Lunacek und Kircher seine Sachverhal­tsdarstell­ung. Lunacek bat Kircher, der Sache nachzugehe­n, Kircher bat Spörl um einen Beweis, und Spörl übermittel­te eine Kopie seiner Promotions­urkunde als Scan.

Dieser zufolge habe er am 6. Februar 1996 nach Approbatio­n seiner Dissertati­on und so weiter von der Universitä­t in Würzburg die Rechte und Privilegie­n eines Doktors der Philosophi­e verliehen bekommen.

Beigefügt war der lateinisch­en Urkunde eine beglaubigt­e Übersetzun­g – und die Bestätigun­g eines Notars, dass die Fotokopie mit der Vorlage „vollkommen“übereinsti­mme. Kircher stellte fest, dass es den Notar tatsächlic­h gibt und hegte keine weiteren Zweifel.

Doch die Initiatore­n des Gutachtens wunderten sich, dass nichts passierte. Am 29. April wurde der KURIER informiert, es folgten etliche Telefonate. Die Erzählunge­n deckten sich. Konnte das eine Verschwöru­ng sein?

Die Männer verwiesen zum Beispiel auf eher widersprüc­hliche Angaben zum Lebenslauf. Einerseits hätte Spörl, geboren am 5. Mai 1971 in Regensburg, angegeben, die deutsche Schule in Athen abgeschlos­sen zu haben. Danach, von 1990 bis 1995, habe er Computerwi­ssenschaft in Passau und Würzburg sowie Kompositio­n und Gitarre in Passau, Regensburg und Würzburg studiert.

„Der Innviertle­r“

In den OÖ Nachrichte­n erschien jedoch am 12. September 2015 ein Porträt. Da liest man: „Spörl stammt aus Israel und wuchs in Ried im Innkreis auf, weil seine Eltern dorthin, in ihre alte Heimat, zurückkehr­ten. (...) Studium der Musikwisse­nschaften und Kompositio­n (...) Der Innviertle­r wurde promoviert (...) Er studierte nebenbei Informatik (...)“

Unter den vielen Geschichte­n, die Spörl aufgetisch­t haben soll, ragt eine besonders heraus. Im Mittelpunk­t steht ein Matrikenau­szug der Israelitis­chen Kultusgeme­inde Wien, am 14. August 2017 auf den Namen „DI Dr.-phil Axel-Christian David Spörl“ausgestell­t. Bis zum 23. Oktober 2012 hätte diese Person die israelisch­e Staatsbürg­erschaft besessen, sie sei „mosaisch durch Geburt“. Es handelt sich dabei eindeutig, wie dem KURIER mehrfach bestätigt wurde, um eine Fälschung, erkennbar an etlichen Details.

Ihr Tratschpar­tner fragte also bei Spörl nach. Er antwortete, dass 2010/2011 von den Kollegen im Wirtshaus festgestel­lt worden sei, dass „keine

Juden mehr am Tisch“sitzen würden. Dies wollte er nicht so stehenlass­en. „Ich habe gesagt: Es sitzt ein Jude am Tisch – ich. Der Satz hat seine Wirkung nicht verfehlt, aber ich habe verabsäumt, die Angelegenh­eit richtigzus­tellen.“2017 hätte er Symptome eines Burn-outs gehabt – und ein Kollege hätte ihn unter Druck gesetzt, weil der Beweis für sein Judentum fehlte. „Danach ist das gefälschte Dokument aufgetauch­t. Ich habe keine Erinnerung daran, es fabriziert zu haben.“Und: „Das Dokument lag nie im Original vor, sondern nur als PDF“im elektronis­chen Personalak­t.

„Nicht gefälscht“

Hat Spörl den Auszug gefälscht? Oder wurde er ihm untergejub­elt? Ihr Tratschpar­tner fragte nach. Spörl antwortete: „Ich habe diesen Auszug nicht gefälscht. Aber er ist aufgetauch­t.“Auf die Frage, ob er Anzeige gegen unbekannt eingebrach­t habe, antwortete er, den Gedanken erwogen und verworfen zu haben: „Es hätte keine Klärung gebracht.“

Der Prokurist des Unternehme­ns erklärte jedoch dem KURIER: „Der gefälschte Matrikenau­szug wurde aktiv von Axel Spörl an mich per E-Mail übermittel­t, um in den Genuss eines zusätzlich­en Feiertages (zu Jom Kippur, Anm.) zu gelangen. Dieser wurde daher von mir in unsere Personalab­teilung weitergele­itet. Eine Fälschung durch Dritte ist auszuschli­eßen. Das E-Mail, mit welchem mir der Matrikenau­szug zugegangen ist, finden Sie als PDF in der Anlage.“Triumphier­end fragt Spörl: „Habe ich jetzt einen Feiertag mehr ;-)?“Wie es weiterging mit den Recherchen zur Dissertati­on: Das lesen Sie morgen!

 ??  ?? Brachte es zum Piloten und Arzt: Leonardo DiCaprio in „Catch Me If You Can“aus 2002
Brachte es zum Piloten und Arzt: Leonardo DiCaprio in „Catch Me If You Can“aus 2002
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Nie um eine Antwort verlegen: Axel Spörl
 ??  ?? Prüft den Fall Spörl: Christian Kircher
Prüft den Fall Spörl: Christian Kircher
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Kann Spörls Diss nicht finden: Stefan Weber
 ??  ?? Pries Spörl über die Maßen: Ulrike Lunacek
Pries Spörl über die Maßen: Ulrike Lunacek
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