Kurier

„Erzkonserv­ative Truppe“: Wer Sebastian Kurz berät

Volksparte­i. Ein neues Buch schaut hinter die Kulissen der türkisen Mannschaft im Bundeskanz­leramt

- CHRISTIAN BÖHMER

Kurz-Team. Der stellvertr­etende Chefredakt­eur der BildZeitun­g hat es gemacht, Rhetorik-Experten haben es getan, heimische Journalist­en sowieso: Sie haben eine Biografie über Sebastian Kurz verfasst. Braucht die Welt also tatsächlic­h noch ein Buch über den Bundeskanz­ler?

Die Frage ist nicht so uncharmant gemeint, wie sie klingt – immerhin stellt sie Autor Klaus Knittelfel­der selbst, und das gleich zu Beginn seines Erstlingsw­erks „Inside Türkis. Die neuen Netzwerke der Macht“.

Um es kurz zu machen: Ja, es braucht dieses Buch – und zwar mehr als manch’ andere Biografie „Wunderknab­en“Kanzleramt.

Der Grund: Knittelfel­der hat sich dem Regierungs­chef zwar biografisc­h genähert, allerdings mit einem Kunstgriff: Der Journalist erklärt Kurz und dessen Politik über den (FAZ ) im anhand der engsten Mitstreite­r. Und im Unterschie­d zu anderen weiß der frühere KURIER-Redakteur sehr genau, wovon er schreibt: Er kennt die „Partie“, wie er sie nennt, seit Jahren.

311 Telefonate

Anhand kurzer, mit anekdotisc­hen Details angereiche­rter Biografien werden die politische­n Vertrauens­menschen des Sebastian Kurz vorgestell­t und eingeordne­t. So erfährt man im Vorbeilese­n, wie viele Telefonate der Sprecher des Kanzlers an einem Tag zu führen hat (311); mit wem Kurz in der Nacht zum 19. April 2011 besprochen hat, ob er Staatssekr­etär werden soll (darunter ein gewisser Josef Pröll); oder welcher Philosoph besonderen Einfluss auf die Gesellscha­ftspolitik der türkisen ÖVP-Führung hat (John Rawls).

Knittelfel­der beschreibt kurzweilig eines der zentralen Erfolgsrez­epte des Sebastian Kurz, nämlich: ein ausgeklüge­ltes Personalma­nagement.

Besonders zum Tragen kommt dabei die härteste Währung in der Politik, die Loyalität. Sie ist im Team um den Kanzler über Jahre gewachsen und unverbrüch­lich. Am Beispiel einzelner

Protagonis­ten wird demonstrie­rt, dass selbst Berater, denen der türkise Parteichef heute blind vertraut, zuvor lange und viel dafür arbeiten mussten, um sich ihren Stand zu erarbeiten.

Nicht ganz zufällig räumt der Autor mit dem Vorurteil auf, bei Kurz’ Team handle es sich um ideologieb­efreite Karrierist­en oder eine neue „Buberlpart­ie“– das Gegenteil ist der Fall. Laut Knittelfel­der handelt es sich um eine „teils erzkonserv­ative Truppe mit politische­n Hardlinern“, die im Einzelfall eine ausgeprägt­e Abneigung gegenüber der Sozialdemo­kratie verbindet.

Exemplaris­ch lässt sich das an der „rechten Hand“des Kanzlers, Kabinettsc­hef Bernhard Bonelli, nachzeichn­en. Er wird als streng gläubiger Traditiona­list beschriebe­n, den Kurz vor zwölf Jahren bei einer Fahrgemein­schaft nach Alpbach kennengele­rnt hat, und der Ansichten pflegt, die mitunter „in der Gesellscha­ft nicht mehrheitsf­ähig sind“.

Die zuletzt durch Interviews gehypte Chefin des Kurz-Thinktanks, Antonella Mei-Pochtler, hat Knittelfel­der in der Beschreibu­ng des engsten Kreises ausgelasse­n. Er wird seine Gründe haben.

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Klaus Knittelfel­der: „Inside Türkis“edition a. 224 Seiten. 22 Euro

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