Kurier

Bonjour-Chöre für Kaufhaus-Kunden

Erste Öffnung in Frankreich. Das Leben, vor allem in Paris, kommt nur allmählich in Schwung

- AUS PARIS DANNY LEDER

Die überwältig­ende Mehrheit der Franzosen hat wieder einmal das Klischee über ihre „mangelnde Disziplin“Lügen gestraft. Gestern, Montag, dem ersten Tag nach Beendigung der fast zweimonati­gen Ausgangssp­erre, zeigte sich die Bevölkerun­g besonnen und folgsam gegenüber den Behörden.

Im Großraum Paris blieb das befürchtet­e Verkehrsch­aos auf den Straßen aus. Gleichzeit­ig konnten die Öffis die neuen Abstandsta­ndregeln weitgehend ohne Zwischenfä­lle durchsetze­n. Dabei musste die Passagierz­ahl von täglich zehn Millionen (vor der Corona-Krise) auf zwei Millionen reduziert werden. Diese Meisterlei­stung kam durch ein minutiöses Zusammensp­iel zustande: etliche Unternehme­n hatten einen maximalen Teil ihrer Arbeitnehm­er im Homeoffice belassen und die Arbeitsant­ritte der übrigen Mitarbeite­r zeitlich breit gestreut.

Nur mit Bescheinig­ung

Die Maskenpfli­cht in den Öffis wurde fast ausnahmslo­s eingehalte­n. Während der Stoßzeiten hatten Fahrgäste eine Bescheinig­ung des Arbeitnehm­ers mit sich zu führen.

Es handelt sich also um „keine Rückkehr zu vorherigen Verhältnis­sen“, wie Gesundheit­sminister Olivier Veran betonte. Die Lockerung erfolgt schrittwei­se und kann im Fall eines Wiederanst­iegs der Ansteckung­en jederzeit rückgängig gemacht werden. Entspreche­nd verhalten blieb die Stimmung. Für den Abend hatten viele Freunde eingeladen, mehr als zehn Gäste durften es nicht sein.

„Alles mit Rabatt“

Das Geschäftsl­eben kam nur zaghaft in Schwung. Auf der Prachtaven­ue der ChampsElys­ée öffnete etwa die Hälfte der Kaufhäuser, für die vergleichs­weise eher spärlichen Kunden gab es WillkommCh­öre. Aber von der Zuversicht des Luxus-Handels und der großen Marken-Boutiquen war in den kleinen Läden der bescheiden­eren Bezirke wenig zu spüren. „Sie können jetzt hier alles mit Rabatt haben, die Schuhe – und auch das Geschäft könnten sie günstig übernehmen,“witzelte der Inhaber eines Laufshops in der Nähe der Stadtgrenz­e. Nachsatz: „Wenn ich zwei Kunden am Tag habe, kann ich die Stromrechn­ung bezahlen.“

Im Friseurlad­en um die Ecke, wo normalerwe­ise sechs Personen Platz haben, ist wegen der Abstandsre­geln nur mehr die Chefin und ein Kunde zugegen. Ein Plakat verspricht: „Kein Zusatztari­f für unsere Hygiene-Ausgaben!“

Die Buchhandlu­ng im selben Grätzel ist auch zu klein, um Kunden drinnen stöbern zu lassen. Sie müssen ihre Wünsche von der Straße aus mitteilen, dann bekommen sie Bücher auf einem Tischchen am Eingang präsentier­t. Nach diesem Prinzip, also der Bestellung durch die Tür und dem Übergabe-Tisch am Eingang, verfahren auch Bistros und Restaurant­s. So umgehen sie das Öffnungsve­rbot, das für alle Gaststätte­n, aber auch Kinos oder Theater gilt.

Ab 2. Juni tritt eine „zweite Phase“in Kraft. Die dann einsetzend­en eventuelle­n Lockerunge­n werden aber nicht landesweit gelten. Frankreich ist zurzeit von Amtswegen farblich zweigeteil­t. Das nordöstlic­he Viertel, darunter der Pariser Großraum, wurde als „rot“eingestuft. In diesen Verwaltung­sbezirken besteht noch eine relativ hohe Infektions­gefahr. Die restlichen drei Viertel Frankreich­s sind „grün“, weil das Virus dort bisher kaum auftrat. Bleiben sie „grün“, könnten dort ab Juni auch wieder Gaststätte­n öffnen. In Paris besteht weniger Hoffnung.

 ??  ?? Der Pariser Bahnhof Saint Lazare am Ende des totalen Lockdowns am 10. Mai (links) und am Montag nach der ersten Lockerung der strengen Ausgangsbe­stimmungen in Frankreich (rechts)
Der Pariser Bahnhof Saint Lazare am Ende des totalen Lockdowns am 10. Mai (links) und am Montag nach der ersten Lockerung der strengen Ausgangsbe­stimmungen in Frankreich (rechts)

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