Kurier

Der ORF will Geisterspi­ele kaufen – aber wozu?

Warum steckt der Öffentlich-Rechtliche sein Geld nicht in den Ausbau des Programmes statt bei Sky zuzukaufen?

- GastKommen­tar Der Autor ist ORF-Publikumsr­at der Neos, Speaker und Publizist

Der ORF möchte also die Ausstrahlu­ngsrechte für zehn Geisterspi­ele der Bundesliga erwerben. Begründet wird eine solche Millionena­usgabe wohl damit, dass es ein Wunsch der Zuseher wäre, diese Geisterspi­ele eben nicht nur im Bezahlfern­sehen (Sky), sondern auch im Free TV zu sehen. Aber warum gibt der ORF schon wieder Geld für Sportrecht­e aus, statt es in Programme zu stecken, die dessen Identität und Unverwechs­elbarkeit stärken? In ein Europamaga­zin, in fiktionale Programme aus Österreich, in ein relevantes Wissenscha­ftsformat, in ein regelmäßig­es Magazin zu Klima und Umweltfrag­en, …?

In einem Budgetjahr verwendet der ORF für Sportrecht­e bis zu 80 Mio. Euro – das ist 20 Mal so viel wie für das gesamte Kinderprog­ramm. Anderersei­ts ist aber aus Geldgründe­n „Bundesland heute“immer noch nicht barrierefr­ei zugänglich. Laut Medienberi­chten erwartet der ORF für 2020 einen Verlust von 29 bis 50 Millionen Euro. Diesen Verlust werden die Redaktione­n in ihren Programman­geboten einsparen müssen. Dabei können Formate wie „kreuz und quer“, „Weltjourna­l“, „Universum History“, „Dok 1“usw. schon heute allenfalls jeden vierten Sendeplatz tatsächlic­h mit eigens verantwort­eten Programmen bestücken. Der Rest muss am internatio­nalen Markt zugekauft werden. Wenn es „übriges Geld“geben sollte, dann muss man daher in nachhaltig­es Programm investiere­n: endlich ein Angebot für junge Menschen formuliere­n, so wie ARD und ZDF es mit der Plattform funk.net vorzeigen; das ORFProgram­m zu 100 % barrierefr­ei zugänglich machen, wie es die noble Aufgabe eines öffentlich rechtliche­n Selbstvers­tändnisses wäre; aus ORFIII einen Kultursend­er entwickeln, der sich am Niveau von Ö1 oder FM4 orientiert. Die Prioritäte­n von Alexander Wrabetz und seinen engsten Beratern sehen aber anders aus: Bevor man die Mitarbeite­rinnen nämlich kreativ an neuen Programmen arbeiten lässt, schickt man lieber 600 (!) Personen in Kurzarbeit und holt sich zwar vom

Staat neben den Gebühren dadurch noch mehr finanziell­e Unterstütz­ung, gibt auf der anderen Seite aber das eh so knappe Geld für eine indirekte Förderung des börsennoti­erten Unternehme­ns Sky aus! Das Anliegen der Politik, Bundesliga­spiele auch im Free TV zugänglich zu machen, ist richtig. Aber Free TV in Österreich gibt es auch bei Puls 4, Servus TV oder A1 TV. Weitere öffentlich­e Mittel in die Übertragun­g der Geisterspi­ele zu stecken, kann man nur als „Schildbürg­erstreich“bezeichnen.

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