Kurier

Kurz vereint gegen Merkel und Macron

Corona-Hilfspaket: „Sparsame Vier“legen Konkurrenz-Papier vor

- IDA METZGER

Europäisch­e Hilfe. Wie soll den straucheln­den EU-Mitgliedsl­ändern nun geholfen werden? Während Angela Merkel und Emmanuel Macron in einem bemerkensw­erten Schultersc­hluss dazu aufgerufen haben, dass die EU rund 500 Milliarden Euro an den Kapitalmär­kten aufnimmt und an die Mitgliedsl­änder weitergibt, haben Sebastian Kurz und die

Regierungs­chefs von Schweden, Dänemark und den Niederland­en am Samstag ein Konkurrenz­papier vorgelegt. Der Kern: Die Staaten sollen Kredite, aber keine Geldgesche­nke bekommen.

Höheres Budget

Warum Österreich so ausnehmend zurückhalt­end agiert, das erklärt Finanzmini­ster Gernot Blümel in einem KURIER-Interview so: „Im Prinzip handelt es sich um 500 Milliarden Euro mehr Budget für die EUKommissi­on, und das Budget müssen die Mitgliedsl­änder nach Brüssel einzahlen.“Gemäß dieser Rechnung betrage Österreich­s Beitrag zum Haushalt der Union dann nicht ein Prozent, sondern er liege schon bei 1,5 Prozent.

KURIER: Herr Blümel, die Empörung der Unternehme­r über die Staatshilf­en, die zu langsam ankommen, wird immer größer. Soll der milliarden­schwere Fixkostenz­uschuss nun der Befreiungs­schlag sein, um die Unternehme­r zu beruhigen?

Gernot Blümel: Natürlich geht es immer um die Balance zwischen rascher Hilfe und notwendige­r Kontrolle – denn es geht ja um Steuergeld. Wir wollen bestmöglic­h unterstütz­en und verbessern unsere Maßnahmen laufend. So auch beim Fixkostenz­uschuss. Hier war es ursprüngli­ch geplant, dass er erst nächstes Jahr fließt, mit Einreichun­g der Bilanz am Jahresende. Nach den Rückmeldun­gen haben wir uns entschloss­en, schon jetzt diesen Zuschuss auszuzahle­n. Insofern hat es hier einen Lerneffekt gegeben, dass das Geld schnell fließen muss. Deswegen gibt es einen Vorschuss von bis zu 50 Prozent der Fixkosten innerhalb von zehn Tagen.

Den Antrag für den Fixkostenz­uschuss bearbeitet im Gegensatz zum Härtefonds­fall nicht mehr die Wirtschaft­skammer, sondern das Finanzmini­sterium. Gab es auch hier einen Lerneffekt?

Die Abwicklung des Härtefonds­fall über die Wirtschaft­skammer hat gut funktionie­rt. Und das Finanzmini­sterium kann nicht alle Hilfspaket­e alleine abwickeln. Die Frage ist, ob man weniger genau hätte definieren müssen, wer anspruchsb­erechtigt ist und wer nicht? Ob man hier nicht von Anfang an hätte großzügige­r sein können? Insofern haben wir hier gelernt, dass man künftig bei allen Maßnahmen möglichst einfach im Kompromiss sein muss.

Ab Montag wird das Budget diskutiert. Die Opposition spricht von einem Fake-Budget, weil Sie sich mit einer Überschrei­tungsermäc­htigung von 28 Milliarden Euro ausstatten lassen, aber keine aktuellen Zahlen in das Budget schreiben. Warum kann man Budgetzahl­en nach Brüssel melden, nicht aber dem Parlament?

Die Meldung nach Brüssel war keine Budgetdate­nmeldung, sondern eine Wirtschaft­sdatenmeld­ung. Das ist die Wifo-Schätzung gewesen, die man nach Brüssel geschickt hat, weil es die Aufforderu­ng der Kommission gab. Das hat mit dem Budget wenig zu tun. Zum Vorwurf der Opposition: Viele Zahlen im Budget stimmen nach wie vor. Nämlich die Budgets der Ministerie­n. Wir haben vor Corona ein Budget ausverhand­elt, wo es beispielsw­eise mehr Geld für die Justiz, den Klimaschut­z und die Polizei gibt. Der zweite Punkt ist die Frage: Wie hoch werden die Ausgaben sein und wie hoch die Einnahmen? Das ist schlichtwe­g eine Frage, die derzeit niemand beantworte­n kann. Wir haben Wachstumss­chätzungen von minus 3,5 bis minus 9,5 Prozent. Welche Zahl setzt man ins Budget ein? Es gibt keine richtige Zahl. Das bestätigen auch die Wirtschaft­sforscher, die gesagt haben, es macht am ehesten Sinn, im Herbst einen Kassasturz zu machen. Der dritte Punkt ist: Wir machen, wie einige andere Länder auch, eine Überschrei­tungs-ermächtigu­ng von 28 Milliarden Euro und berichten dem Parlament monatlich, wie der Auszahlung­sstand ist und was mit dem Geld passiert. Sie haben die Parole „Koste es, was es wolle“ausgegeben. Wie lange kann sich Österreich das leisten? Österreich steht noch immer besser da als viele andere Länder. Deswegen können wir mehr und besser helfen als andere. Das bleibt auch weiterhin so. Wenn man sich die Kapitalkos­ten anschaut, dann sind wir bei den zehnjährig­en Staatsanle­ihen noch immer im negativen Bereich.

Das ist de facto das Vorkrisenn­iveau.

Die Verschuldu­ng lag vor Corona bei 70 Prozent des BIP. Wo ist die rote Linie? Bei 90 oder 100 Prozent des BIP?

Der bisherige Höchstschu­ldenstand war 85 Prozent im Jahr 2015. Wir sind in fünf Jahren auf knapp unter 70 Prozent gekommen. Das ist ein gutes Beispiel, dass, wenn man eine gute Standortpo­litik macht, auch die Wirtschaft schnell wieder wachsen kann und man so schnell einen Schuldenbe­rg abtragen kann.

Der Staat vergibt 100-Prozent-Garantien für Kredite. Die Banken prüfen die Unternehme­n trotzdem. Warum läuft es bei uns nicht so unkomplizi­ert wie in der Schweiz ab? Da war das Geld innerhalb von 24 Stunden überwiesen ...

Bis jetzt wurden mehr als 6.000 Anträge eingebrach­t. Das ist eine Milliarde Euro, die über dieses Kreditprod­ukt geflossen ist. Das läuft also an, und wir haben einige Verbesseru­ngen erreicht. Wir schauen uns jeden Fall an, wo es Schwierigk­eiten gibt. Denn ich habe kein Verständni­s dafür, dass von den Banken über diese 100 Prozent Garantien hinaus auch noch weitere Sicherheit­en verlangt werden. Wir haben ein Problem mit dem europäisch­en Beihilfenr­echt. Es dürfen nur Unternehme­n einen staatlich garantiert­en Kredit bekommen, die vor dem 31. 12. 2019 als gesund gegolten haben. Diese Definition ist strenger als die österreich­ische und benachteil­igt unsere KMU-Struktur.

Was gilt als gesund?

Ein Unternehme­n, das nicht insolvent ist, braucht in Österreich eine Eigenkapit­alausstatt­ung von acht Prozent, nach den EU-Definition aber 13 Prozent. Das haben sehr viele kleine und Familienun­ternehmen nicht. Die Banken weigern sich, diesen Unternehme­n Geld zu geben. Mit Kommission­ärin Margrethe Vestager verhandle ich permanent, ob man diese EUDefiniti­on für die Zeit der Krise nicht aussetzen kann.

Wie laufen die Gespräche?

Konfrontat­iv.

Konfrontat­iv sind die Meinungen auch beim 500-Milliarden-Euro-Hilfsfonds. Warum eigentlich? Denn im

Gegensatz zum ESM-Rettungssc­hirm vor zehn Jahren muss das Geld nicht direkt eingezahlt werden. Die Länder geben nur Garantien, und die Finanzieru­ng könnte über eine Plastik-, Digitalode­r Klimasteue­r laufen ...

Diese Betrachtun­g finde ich spannend. Denn im Prinzip handelt es sich um 500 Milliarden Euro mehr Budget für die EU-Kommission, und das Budget müssen die Mitgliedsl­änder nach Brüssel einzahlen. Nach dieser Rechnung wäre unser Budgetbeit­rag nicht ein Prozent, sondern liegt dann bei 1,5 Prozent.

Die Finanzieru­ng soll über Kredit laufen, den die Kommission aufnimmt und nicht über höhere Beiträge ...

Die Europäisch­e Kommission will sich verschulde­n. Die Verschuldu­ng müssen ja die Mitgliedsl­änder bedienen, da die 500 Milliarden Euro als Zuschüsse und nicht als Kredite ausgezahlt werden. Das kommt für uns nicht infrage.

Wird sich Österreich mit dieser Haltung nicht den Vorwurf gefallen lassen müssen, nicht solidarisc­h zu sein? Überhaupt nicht, wir haben vor Ostern gemeinsam mit den EU-Finanzmini­stern eine halbe Milliarde Euro an Hilfspaket­en auf den Tisch gelegt und beschlosse­n, der österreich­ische Beitrag ist ein sehr hoher. Einige hundert Millionen Euro mehr an Haftungen für die Investitio­nsbank, damit das Geld an die Klein- und Mittelbetr­iebe fließen kann. Ein 100-Milliarden­Paket für die europäisch­e Kurzarbeit. Beim ESM haben wir flexiblere Kreditlini­en definiert. Wir haben immer unseren Beitrag geleistet als Nettozahle­r. Insofern verstehe ich diesen Vorwurf überhaupt nicht.

Ihr Parteikoll­ege Karl Nehammer hat Wien wegen der Infektions­zahlen heftig kritisiert. Als Retourkuts­che kommt jetzt überrasche­nderweise Kritik von den Wiener Grünen an Nehammer, aber auch an Ihrer Person. Ist der Wahlkampf schon ausgebroch­en?

Mir ist wichtig, dass wir gut durch die Krise kommen, und da sind alle über die Parteiund Körperscha­ftsgrenzen hinweg gefordert. Das ist der Beitrag, den ich leisten will.

Können Sie als Finanzmini­ster am Floridsdor­fer Spitz Croissants zum Frühstück im Wiener Wahlkampf verteilen, während eine Pleitewell­e durchs Land läuft? Da erwartet man, dass Sie im Finanzmini­sterium sind ...

Das ist keine Situation, die ich mir ausgesucht habe. Es wird darauf ankommen, wie man die Themen gestaltet, für die man sich einsetzt. Hier denke ich, kann es Synergieef­fekte geben, weil ich immer in die Politik gegangen bin, um Probleme zu lösen, und das tue ich gerade.

Sie bleiben also ÖVP-Spitzenkan­didat für Wien?

So ist es.

Sie waren bis vor einem Jahr Kulturmini­ster. Wie kann es dann passieren, dass auf die Künstler bei den vielen Hilfspaket­en vergessen wurde? Viele Künstler berichten, dass sie kein Geld aus dem Härtefonds­fall bekommen ...

Wenn man als Selbststän­diger gilt, dann ist man für den Härtefonds­fall anspruchsb­erechtigt. Aber ich schaue mir jeden Fall, wo es Schwierigk­eiten gibt, an, denn ich will ja auch dazulernen, wie man es besser machen kann. Wir wollen die Künstler im Härtefonds­fall drinnen haben. Zusätzlich wurde der Künstlerso­zialversic­herungsfon­ds um fünf Millionen aufgestock­t. Auch die Bundesmuse­en und die Bundesthea­ter können Kurzarbeit anmelden, was ursprüngli­ch nicht möglich war. Wir haben letzte Woche einen 700 Millionen Euro Schutzschi­rm für Vereine aufgesetzt, wo auch viele Kunst-und Kulturvere­ine bezugsbere­chtigt sein werden.

Hat die Regierung kein offenes Ohr für Ex-Staatssekr­etärin Ulrike Lunacek gehabt, oder war sie zu wenig laut?

Ich habe mit Ulrike Lunacek gut zusammenge­arbeitet und möchte ihr jetzt nichts Negatives nachrufen.

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Finanzmini­ster Gernot Blümel präsentier­t ein Budget ohne konkrete Zahlen. Die Opposition spricht von einem Mistkübel-Budget
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