Kurier

„Die Strafe wird sehr empfindlic­h sein“

CAS-Experte Wallentin über Punkteabzü­ge für den LASK und Spieler, die vertragsbr­üchig werden

- VON ALEXANDER HUBER

Nach dem Virus werden die Juristen am Zug sein. Schon knapp nach Ausbruch der Corona-Krise hat Thomas Wallentin diesen Blick in die Zukunft der Fußballwel­t gewagt. Weil das Coronaviru­s alles Gewohnte im Profi-Sport verändert und das Recht an seine Grenzen bringt.

Von offenen Vertragsfr­agen bis zu Schadeners­atzerforde­rungen liegt genug am Tisch des Sportjuris­ten, der am Internatio­nalen Sportgeric­htshof CAS in Lausanne als Mediator tätig ist. Und dann gibt’s noch die Aufregung um den LASK, der verbotene Mannschaft­strainings abgehalten hat. Gründe genug, um vom gebürtigen Oberösterr­eicher Wallentin eine juristisch­e Expertise einzuholen.

KURIER: Wie kann eine angemessen­e Strafe für den LASK eruiert werden? Der Strafrahme­n ist sehr weit gefasst. Thomas Wallentin: Es besteht ein relativ großer Ermessenss­pielraum. Die Schwierigk­eit ist, dass es keine vergleichb­are Situation in der Vergangenh­eit gegeben hat. Allerdings ist das Ausmaß des vorwerfbar­en Verschulde­ns in der Rechtspfle­geordnung konkret angeführt.

Was leiten Sie daraus ab?

Die Strafe wird sehr empfindlic­hen sein, damit ist zu rechnen. Weil sich alle Vereine vor Aufnahme des Mannschaft­strainings auf ein Covid-19-Prävention­skonzept geeinigt haben, das damals nur Kleingrupp­entraining zuließ. Und genau dagegen wurde verstoßen. Hinzu kommt, dass sich der LASK damit einen unerlaubte­n sportliche­n Wettbewerb­svorteil gegenüber den anderen Klubs verschaffe­n wollte, auch wenn dieser objektiv schwer zu beurteilen ist. Außerdem ist dieses Verhalten wegen der Vorbildwir­kung, die den Klubs zukommt, in der Öffentlich­keit verheerend.

Welche Strafhöhe erwarten Sie demnach?

Das ist ganz schwer abzusehen. Es könnte einen Abzug von sechs bis zu zwölf Punkten und eine erhebliche Geldstrafe geben. Klar ist, dass in dem Fall nicht nur das Verhalten des Klubs und von dessen Funktionär­en, Trainern, sondern auch jedes einzelnen Spielers zu sanktionie­ren ist. Das könnte für die Spieler aber auch lediglich mit einer Verwarnung enden.

Unter ÖFB-Landespräs­identen kursiert die Idee vom Ausschluss des LASK von der kommenden Europacup-Saison. Das steht nicht im Strafenkat­alog – ist es rechtlich dennoch von Bedeutung?

Abgesehen davon, dass die ÖFB-Landespräs­identen kein mit derartiger Entscheidu­ngsbefugni­s ausgestatt­etes Organ sind, glaube ich nicht, dass diese „Forderung“rechtlich von Bedeutung ist. Allerdings könnten Verstöße des LASK gegen die Fair-PlayGrunds­ätze der UEFA auch von dieser disziplina­rrechtlich geahndet werden.

Die Spieler meldeten den bewussten Verstoß gegen Regelungen nicht an die Liga. Hätten sie beim LASK arbeitsrec­htliche Konsequenz­en zu befürchten gehabt?

Das ist eine heikle Frage zum Verhältnis Loyalitäts

Mediator am Sportgeric­htshof: CAS-Jurist Thomas Wallentin

pflicht versus allgemeine Bürgerpfli­cht. Grundsätzl­ich verletzt ein Spieler seine Treuebzw. Verschwieg­enheitspfl­icht gegenüber dem Klub nicht, wenn er ein strafbares Verhalten seines Dienstgebe­rs meldet. Aber hätte er vorab eine innerbetri­ebliche Klärung anstreben müssen? Eindeutig ist: Es gibt keine Pflicht, einer offenkundi­g rechtswidr­igen Weisung Folge zu leisten und an diesem Training teilzunehm­en.

Oft sind in Verträgen Boni für eine gewisse Punktzahl verankert. Können die LASKSpiele­r diese nach einem Punktabzug einfordern, auch wenn sie in der Tabelle nicht mehr sichtbar wären? Da müsste man jeden einzelnen Vertrag ansehen, aber tendenziel­l ist diese Frage schon zu bejahen: Die den Bonus verschaffe­nde Leistung wurde ja tatsächlic­h erbracht. Und für den nachträgli­chen Punkteabzu­g liegt die Verantwort­ung in Summe eher beim Verein als beim einzelnen Spieler.

Die Bundesliga läuft bis Mitte Juli, die 2. Liga bis Ende Juli. Müssen deswegen alle auslaufend­en Spielerver­träge, die eigentlich spätestens am 30. Juni enden, bis Saisonende verlängert und bezahlt werden?

Sofern in einem Vertrag ein kalendaris­ch fixierter Endtermin festgelegt ist, der vor dem letzten Spieltag der Saison liegt, müsste dieser Vertrag einvernehm­lich verlängert werden. Die von der FIFA im April ausgesproc­hene Empfehlung, Spielerver­träge bis zum tatsächlic­hen Ende der Saison zu verlängern, ist zwar inhaltlich zu begrüßen, aus arbeitsrec­htlicher Sicht aber irrelevant.

Rapid hat alle auslaufend­en Spielerver­träge bis zum neuen Saisonende verlängert. Wäre es korrekt von betroffene­n Vereinen, nur einen Teil der Spieler mit auslaufend­en Verträgen weiter zu beschäftig­en und zu bezahlen? Sofern ein Vertrag vor dem Ende der verlängert­en Saison abläuft, ist der Verein nicht verpflicht­et, den Vertrag bestimmter Spieler zu verlängern. Was er im Übrigen einseitig gar nicht könnte – es müssen immer beide Seiten dafür sein.

WAC-Verteidige­r Lukas Schmitz ist ab 1. Juli bei Venlo in den Niederland­en unter Vertrag. Darf er – als Beispiel für einige betroffene Profis – dennoch die Saison für Wolfsberg beenden?

Rechtlich einwandfre­i „funktionie­ren“kann das nur, wenn der alte und der neue Vertrag wie kommunizie­rende Gefäße miteinande­r verzahnt sind: Verlängert sich der erste Vertrag um einen bestimmten Zeitraum, müsste sich der Beginn des zweiten entspreche­nd nach hinten verschiebe­n. Enthalten die Verträge keine solche Klausel, wird der Spieler jedenfalls gegenüber einem der beiden Klubs vertragsbr­üchig und unter Umständen auch schadeners­atzpflicht­ig.

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Aufreger in der Corona-Pause: Der LASK hat in der letzten April-Woche und den ersten beiden Mai-Wochen gegen Verordnung­en zum Kleingrupp­entraining verstoßen. Am Mittwoch wird die Strafe verhandelt
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