Kurier

„Polizisten“legten 180 Senioren rein

Geld und Gold abgenommen / Prozess gegen Mitglied der Bande

- MICHAELA REIBENWEIN

Wien. Die ältere Dame muss Montagfrüh erst einmal das Hörgerät einstellen. „Moment“, bittet sie den Richter. „Gleich geht’s.“Die Wienerin, Jahrgang 1938, ist als Zeugin im Landesgeri­cht für Strafsache­n geladen. Im Herbst des Vorjahres wurde sie – wie viele andere Pensionist­innen – via Telefon kontaktier­t.

„Ein Mann hat mir gesagt, im Nahbereich meiner Wohnung ist eingebroch­en worden. Zur Sicherheit würde man meine Wertgegens­tände und mein Geld abholen“, schildert die Dame. Am Telefon, so war sie der Überzeugun­g, war die Polizei. „Der Herr hat fast Burgtheate­rDeutsch gesprochen“, erinnert sie sich. Doch tatsächlic­h kam der Anruf von einem Betrüger aus der Türkei.

Vier Mio. Euro Schaden

180 Pensionist­en fielen bisher schon auf die Betrüger herein, der Schaden beläuft sich auf vier Millionen Euro.

Frau E. ist eines der Opfer. „Blöd war ich“, sagt sie zerknirsch­t. Die Betrüger haben ihr insgesamt 270.000 Euro abgenommen. „Zwei Tage lang haben wir Touren zu verschiede­nen Banken gemacht und ich hab Geld abgehoben. Und meine goldenen Philharmon­iker hab ich ihnen auch gegeben.“

Auf der Anklageban­k sitzt einer der mutmaßlich­en Betrüger – ein Österreich­er mit türkischen Wurzeln. Der angeklagte Ferdi B. ist teilgestän­dig. Im Juli des Vorjahres wollte er „sein Herz erleichter­n“und ging selbst zur Polizei. Er habe nicht mehr bei den Betrügerei­en mitmachen wollen. „Als er das gesagt hat, ist er sogar mit einer Schusswaff­e bedroht worden“, sagt sein Strafverte­idiger Roland Friis.

Mit dem Fall von Frau E. will er allerdings nichts zu tun haben, beteuert er. Er sei auch nicht stutzig geworden, als ihm eine ältere Dame 50.000 Euro Bargeld aushändigt­e. Und auch nicht, als er danach 2.000 Euro als Anteil bekam. „Ich habe nicht nachgefrag­t“, erklärt er.

Prozess vertagt.

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