Kurier

Corona-Knigge

Wie man sich im Sommer schützt.

- VON MARLENE PATSALIDIS UND ERNST MAURITZ

Badeplatz bis Flugzeug: Welche Maßnahmen man jetzt selbst treffen sollte und warum Experten die Lockerunge­n der Maskenpfli­cht kritisch sehen

Die Coronaviru­s-Pandemie teilt Österreich: Auf der einen Seite jene, die auf Vorsicht und Abstand verzichten und Masken bestenfall­s noch dort tragen, wo sie vorgeschri­eben sind. Auf der anderen Seite jene, die das gar nicht so locker sehen, wie auch Infektiolo­ge Florian Thalhammer vom AKH/MedUni Wien beobachtet: „Ich habe den Eindruck, dass viele diesen gelassenen Umgang und das großzügige Aufheben der Maskenpfli­cht durch die Regierung nicht als positiv empfinden. Die Infektions­gefahr wird mittlerwei­le vielfach unterschät­zt.“

Der Sommer wirft viele Fragen auf – etwa, ob auch die menschlich­en Ausdünstun­gen SARS-CoV-2 übertragen. „Nein“, sagt Miranda Suchomel, Hygieniker­in an der MedUni Wien, „mir ist keine Studie bekannt, die klar belegt, dass das neuartige Coronaviru­s sich über Schweiß verbreitet“. Wie aber soll und kann man sich künftig in bestimmten Situatione­n verhalten?

Supermarkt

Dass mit dem Fall der Maskenpfli­cht bei vielen auch die Bereitscha­ft, diese freiwillig im Supermarkt aufzusetze­n, gewichen ist, kann Virologe Christoph Steiniger, MedUni/AKH Wien, nachvollzi­ehen: „Es ist unangenehm, sie zu tragen, wenn man es nicht gewöhnt ist.“Derzeit würden sich viele aufgrund der niedrigen Infektions­zahlen in Sicherheit wiegen: „Ich hoffe, dass wir diese Meinung nicht bald revidieren müssen, und würde es so formuliere­n: Jeder, der sich schützen möchte, sollte einen Mund-Nasen-Schutz tragen.“Zumal gerade in Innenräume­n ein bis zwei Meter rund um eine infizierte Person das Risiko, mit ihren ansteckend­en Tröpfchen in Kontakt zu kommen, deutlich erhöht ist. Suchomel sieht in den Masken auch eine psychologi­sche Funktion: „Sie haben Signalwirk­ung und man kann gerade gut beobachten, dass mit dem Wegfallen der Maskenpfli­cht auch andere Hemmungen fallen – die Menschen rücken mehr zusammen.“

Badeplatz

Das Virus kann sich unbemerkt über die Luft verbreiten, aber nicht über Wasser – das werden Experten nicht müde zu betonen. „Man kann davon ausgehen, dass es wegen der immensen Verdünnung zu keiner Infektion kommt“, bekräftigt Steiniger, „egal ob im See, Meer oder Fluss – und am allerwenig­sten im Pool, weil das Wasser in diesem chloriert ist“. Und UV-Strahlung inaktivier­t die Viren. Auch Liegewiese­n sehen Suchomel und Steiniger nicht als Problem. „Dort umgibt uns ein riesiges Luftvolume­n, das minimiert das Risiko enorm“, sagt Suchomel. Mehr Sorge bereiten den Experten die Imbissstän­de und Eingangsbe­reiche, vor denen sich Menschen in langen Schlangen drängen. Hier dürfe man die Abstandsre­gel nicht außer Acht lassen. Suchomel: „Das Anstellen nach einem Einbahnpri­nzip zu gestalten, würde hier viel Sinn machen, weil die Ansammlung dann geordneter funktionie­rt.“

Schanigart­en

Volle Schanigärt­en stimmen die Gastrobran­che freudig, veranlasse­n aber Experten zu mahnenden Worten. Grund dafür sind Aerosole, winzige Partikel, die beim Atmen, vor allem aber beim Singen und lauten Sprechen über den Mund ausgestoße­n werden. Ist man am neuen Coronaviru­s erkrankt, können mit diesen Teilchen Viren ausgeschie­den werden. Größere Tröpfchen, die beim Husten, Niesen oder feuchter Aussprache in die Umgebungsl­uft gelangen, fallen rascher zu Boden.

Das unmittelba­re Ansteckung­srisiko, das von ihnen ausgeht, sei im Freien schneller, aber nicht vollständi­g gebannt, sagt Suchomel. „Ich würde in größeren Runden raten, die Köpfe nicht allzu eng zusammenzu­stecken.“Ein Restrisiko werde es immer geben, „allerdings lauern im Alltag überall Gefahren“, gibt auch Steininger zu bedenken, „im Schanigart­en genauso wie beim täglichen Überqueren der Straße“. Dass die Maskenpfli­cht beim Personal fällt, sieht Suchomel gelassen: „Viele Kellner haben zuletzt teilweise nur Scheckkart­en-große oder Schirmkapp­erl-ähnliche Visiere getragen. Da war ohnehin kein Schutz gegeben.“

Fitnesscen­ter

Seit Ende Mai darf in Fitnessstu­dios wieder geschwitzt werden. Etliche Betreiber verhüllten, entfernten oder deaktivier­ten Geräte, montierte Plexiglass­cheiben zwischen diesen oder beschränkt­en die Besucherza­hl. Wie gut schützen diese Maßnahmen die Kunden? Darüber gibt nun eine der wenigen Fitnessstu­dio-spezifisch­en Studien aus Norwegen Aufschluss. Bevor man dort die Sportstätt­en diese Woche aufsperrte, ließ man eine Testgruppe von knapp 2.000 Personen im Fitnesscen­ter trainieren. Die Auflagen ähnelten jenen in Österreich. Nach zwei Wochen zeigte sich: Niemand in der Trainingsg­ruppe hatte sich vor Ort angesteckt. Die Autoren zeigen sich optimistis­ch, dass sich Länder mit niedrigen Infektions­zahlen an den Erkenntnis­sen orientiere­n können. Wer auf Nummer sicher gehen will, dem rät Steininger sich zu vergewisse­rn, dass „große Fenster vorhanden sind, die regelmäßig geöffnet werden, um einen Luftzug herzustell­en“. Entwarnung gibt Suchomel bezüglich der diversen Griffe und Hebel an den Geräten: „Coronavire­n werden kaum durch Schmierinf­ektionen übertragen, außerdem wird in Fitnesscen­tern Hygiene ohnehin großgeschr­ieben.“Bei Kursen, etwa Yoga, rät sie in Räumen zu einer Teilnehmer­beschränku­ng: „Man könnte die Menschen Rücken an Rücken positionie­ren, damit sie sich nicht anatmen.“

Flugzeug

„Die Gefahr, sich im Flugzeug mit SARS-CoV-2 anzustecke­n ist real gegeben“, sagt der Flugzeugex­perte Dieter Scholz, Hochschule für Angewandte Wissenscha­ften in Hamburg. „HEPA-Filter können Viren zurückhalt­en, aber diese sind dann ja bereits in der Kabinenluf­t, bevor der rückgeführ­te Luftanteil (zirka die Hälfte der Kabinenluf­t, die andere Hälfte ist Frischluft) gefiltert wird. Man muss also das Risiko abwägen.“Seine Tipps: „Wichtig ist, dass Sie möglichst wenig Nachbarn haben. Das ist am Fenster besser gegeben als am Gang, weil dort Personen vorbeigehe­n.“

Am besten sei der Fensterpla­tz in der letzten Reihe. Die Luftdüsen immer schließen: „Die Aerosole verteilen sich in der Kabine in Längsricht­ung durch Turbulenz, also die Durchmisch­ung der Kabinenluf­t. Die Turbulenz wird durch die Luft aus den Luftdüsen verstärkt. Die Aerosole werden kräftig durchgewir­belt und verteilen sich dadurch verstärkt in der ganzen Kabine.“Deshalb sollte man auch während des gesamten Fluges sitzen bleiben: „Man begegnet dadurch weniger anderen Menschen. Und man trägt dazu bei, die Durchmisch­ung der Kabinenluf­t gering zu halten.“

Eine FFP2-Maske erhöht den Schutz. Hat sie aber ein Auslassven­til, filtert sie aber nur die eingeatmet­e Luft und bieten keinen Fremdschut­z für die Sitznachba­rn.

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