Kurier

Proud to be old!

- Altnaund@kurier.at

Es ist „month of pride“– und auch der Bundespräs­ident feiert mit und hängt sein Regenbogen­fähnchen in den Wind vorm Hofburgfen­ster. „Pride“– der Stolz, mit dem die (wie sie auf gut Deutsch heißt) LGBTIQ-Szene sich feiert.

Nicht dass ich die Mikrounter­schiede der darin abgekürzte­n sexuellen Orientieru­ngen auseinande­rhalten könnte, bin ich froh, dass in Österreich das alles möglich ist, ohne sich zu verstecken. Eine moderne Gesellscha­ft eben, die Minderheit­en akzeptiert und ihn en Raum lässt. Die Freiheit lebt. (Auch wenn ich die daraus abgeleitet­e Sprachzert­rümmerung hasse, die uns zwingen will, nach dem Binnen-I der Feministin­nen auch noch den Transgende­rStern zu „sprechen“– arme Sprache, arme Ohren…)

Aber das Fähnchen des Bundespräs­identen wirft für mich doch die Frage auf: Warum nicht genauso so viel präsidenti­elles Engagement für andere, für größere Minderheit­en?

Zum Beispiel für jene, der er selbst angehört – die Alten? Als ein Mitt-70-er in die Hofburg gewählt wurde, habe ich gedacht: Jetzt endlich zeigt sich, dass wir in der Mitte der Gesellscha­ft sind. Dass dieses Viertel der Bevölkerun­g nicht zum alten Eisen gehört, kein Grauer Tsunami ist, der das Land unter der Riesenwell­e seiner Pensionsla­st begräbt.

Ein Pensionist, der an der Spitze des Staates arbeitet, hoffte ich, wird Anlass sein, den Menschen, die wollen, auch den Normal-Arbeitsmar­kt länger offen zu halten, veraltete Regelungen der Wirklichke­it einer ganz neuen Alten Generation anzupassen. Der 76-jährige HBP ist als aktiver, handlungsf­ähiger, belastbare­r, interessie­rter Alter keine Ausnahme, sondern eher die Regel. Er zeigt, dass die Alten noch viel zu viel beizutrage­n haben, als dass man sie abschieben, wegschiebe­n, übersehen sollte. Und dass das deprimiere­nde Alten-Bild in der Öffentlich­keit, das nur auf Verfall und überteure Pflegekost­en gründet, nichts mit der Realität zu tun hat, Gott sei Dank.

Wo aber ist sein Engagement für „pride“in seinem eigenen, wie in mehr als 2 Millionen anderen Fällen: „proud to be old“? Vielleicht müssen wir uns auch ein grau-buntes Fähnchen zulegen und eine lange Abkürzung für uns selbst finden – wie wär“s mit ALIAS? Alt, lebenslust­ig, interessie­rt, aktiv, sichtbar? Niemand fühlt sich bemüßigt, sein politische­s Gewicht für unsere große Gruppe in die Waagschale zu werfen – obwohl wir Wähler sind. In Wien malt man vor lauter „pride“Zebrastrei­fen mit Regenbogen­farben an. Aber dass man die Grünphasen der Fußgängera­mpeln zum Überqueren breiter Straßenzüg­e dem etwas langsamere­n Geh-Tempo der vielen alten Stadtbürge­r (und auch Mütter mit Kinderwage­n) anpasst, ist der Stadtpolit­ik nicht so wichtig. Warum schaut man ständig über uns hinweg? Vielleicht einfach, weil wir zu still sind? Es uns gefallen lassen? Weil wir schon selbst nicht an uns glauben? Da können wir von anderen Minderheit­en noch viel lernen.

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Ruth Pauli ist alt und schreibt gern. Sie war Politik-Kolumnisti­n im KURIER.

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