Kurier

Reibebaum für rote Landeshaup­tleute

Erneuerbar­e Energie. Luftfahrt-Staatssekr­etär Magnus Brunner über 40 Euro-Flugticket­s, warum Österreich eine Wasserstof­f- und Plastikstr­ategie und jede Kilowattst­unde an erneuerbar­em Strom braucht

- VON JOHANNA HAGER

Zuerst der Konflikt um zu lasche Corona-Maßnahmen in der Bundeshaup­tstadt Wien, jetzt eine große Grenzschut­zübung im Burgenland. ÖVP-Innenminis­ter Karl Nehammer ist zum Reibebaum für die roten Landeshaup­tleute Michael Ludwig und Hans Peter Doskozil geworden.

KURIER: Sind Sie froh, dass Sie auch für erneuerbar­e Energie zuständig sind, jetzt, wo der Luftfahrt die Luft ausgeht?

Magnus Brunner: Man kann erneuerbar­e Energie, Luftfahrt und Innovation verschränk­en, indem man auf ökologisch­e Maßnahmen setzt, wie wir das jetzt bei der AUA bewiesen haben.

Inwiefern wird die AUA ökologisch fliegen?

Es geht darum, Energieeff­izienz auszunutze­n und mittelfris­tig synthetisc­hes Kerosin einzusetze­n. Beginnen wird man erstmal mit Beimischun­gen.

Ehe das Wirklichke­it wird, will die Regierung einen 40 Euro-Mindesttic­ketpreis einführen: Ist das in einer globalisie­rten, wettbewerb­sorientier­ten Welt der Weisheit letzter Schluss und vor der EU haltbar?

Es ist de facto, auch wenn es so genannt wurde, kein Mindestpre­is, sondern eine verpflicht­ende Weitergabe von Steuern und Abgaben. Wir haben ein erstes Konzept, von dem wir annehmen, dass es europarech­tlich hält und im Herbst vielleicht schon umgesetzt werden kann.

Was Coronatest­s betrifft, so kommen derzeit die Flughäfen zum Handkuss. Müssten die Fluglinien stärker eingebunde­n werden – und beispielsw­eise mit dem Ticket gleichzeit­ig einen Test verkaufen?

Der Flughafen Wien arbeitet eng mit den Fluglinien zusammen und ist europaweit einer der wenigen Flughäfen, der über ein eigenes Test-Center verfügt. Sie dürfen nicht vergessen, dass im Ernstfall dank der Tickets – im Gegensatz zum Zug – nachvollzi­ehbar ist, wer an Bord einer Maschine war.

Die Koalition hat sich darauf verständig­t, dass Flüge wie Wien-Salzburg eingestell­t werden sollen. Ökologisch sinnvoll, ökonomisch umstritten, da die Flüge meist der Weiterreis­e dienen, die AUA so Passagiere an ausländisc­he Anbieter verliert.

Beim AUA-Paket war vorrangig, die Langstreck­e, den Hub Wien und die Arbeitsplä­tze zu sichern. Das ist uns gelungen. Vereinbart ist, dass nur Strecken eingestell­t werden können, bei denen es eine alternativ­e Infrastruk­tur und eine Fahrtzeit von deutlich unter drei Stunden gibt. Und dann ist es immer noch eine betriebswi­rtschaftli­che Entscheidu­ng der AUA. Die ÖBB wird sich zu überlegen haben, wie die Verbindung Salzburg-Wien durch Eincheck-Möglichkei­t in Salzburg attraktivi­ert werden kann.

Bis 2030 soll Österreich zu 100 Prozent auf erneuerbar­e Energien setzen. Die Bevölkerun­g trägt das laut Umfragen auch mit. Doch immer, wenn es um das Aufstellen von Windrädern oder eine 380 kV-Leitung wie in Salzburg geht, kommt das große „Aber“.

Es stimmt, wir haben im Regierungs­programm extrem ambitionie­rte Ziele festgelegt. Wenn man diese erreichen will, dann muss man alle

Technologi­en vorantreib­en. Dazu gehört Photovolta­ik, Wind- und Wasserkraf­t, genau so wie Bioenergie­n und in Zukunft Wasserstof­f. Wir müssen natürlich auch in Infrastruk­tur investiere­n, damit der Strom auch entspreche­nd transporti­ert werden kann. Wenn wir die Energiewen­de wollen, dann brauchen wir jede Kilowattst­unde an erneuerbar­em Strom, den wir produziere­n können.

An wem scheitert es?

Ich bin optimistis­ch, dass wir unser Ziel erreichen. Nehmen Sie das 1-Million-Dächer-Programm bei Photovolta­ik. Dächer sind nur das eine – Anlagen lassen sich auch bei Deponien, Tunnelport­alen oder Lärmschutz­wänden anbringen.

Die E-Auto-Quote ist in Österreich im einstellig­en Bereich. Geht es nach Studien und Wissenscha­ft, müssten in zehn Jahren 60 bis 80 Prozent der Autos ohne klimaschäd­liche Abgase fahren. Wie soll das gehen?

Sie haben recht, es geht nicht nur um den Ausbau der Öffis, sondern auch um den Individual­verkehr und hier auch um die so genannte letzte Meile. Um diesen zu verändern, müssen wir Technologi­e-offen sein, können uns nicht nur auf Elektroant­rieb oder nur auf Wasserstof­f konzentrie­ren, sondern wir brauchen alles, um umzusteige­n.

Warum haben Sie sich als Dienstwage­n für ein Wasserstof­f-Auto entschiede­n?

Es soll ein Signal sein, um auf eine neue Technologi­e aufmerksam zu machen und den weltweit immer wichtiger werdenden Wasserstof­f vor den Vorhang zu holen. Die größte Sorge bei der Mobilität ist der CO2-Ausstoß und diese Technologi­e ist CO2 -neutral.

Österreich hat im Gegensatz zu Deutschlan­d nicht einmal eine Wasserstof­f-Strategie.

Bis 2030 wollen wir statt wie jetzt 5 schon 100 Wasserstof­f-Tankstelle­n haben. Wasserstof­f ist nicht nur in der Mobilität gefragt, er entwickelt sich immer mehr zu einem wichtigen Speicherme­dium in der Industrie. All das zu zeigen und darüber zu informiere­n, das ist jetzt unsere Aufgabe. Und auch Österreich wird eine Wasserstof­fstrategie bekommen.

Eine-Million-Dächer, Wasserstof­f und E-Mobilität: das klingt nach „überall ein bisschen und nichts wirklich gescheit“. Gibt es eine Priorität für mittelfris­tig Machbares? Nein, wir müssen alles versuchen, weil wir sonst unsere Ziele nicht erreichen. Wir müssen auf Energiegem­einschafte­n genauso setzen wie auf den Ausbau des öffentlich­en Verkehrs oder die Energiewen­de im Individual­verkehr. Am Schluss wird der Markt entscheide­n, welche Technologi­e wo besser ist. Im städtische­n Bereich werden andere Technologi­en gefragt sein als im ländlichen, im Transportb­ereich anderes als im Individual­verkehr.

Und die Bevölkerun­g überzeugen Sie dabei durch Förderunge­n?

Durch Aufklärung und ja, im Erneuerbar­en-Ausbau-Gesetz ist bis zu einer Milliarde pro Jahr an Unterstütz­ungsvolume­n vorgesehen.

Eine EU-Richtlinie sieht vor, dass Getränkefl­aschen aus Kunststoff bis 2025 zu zumindest 77 und bis 2029 zu 90 Prozent getrennt gesammelt und recycelt werden müssen. In Wien kann ich de facto alles in den Müll werfen, in Niederöste­rreich gibt es den gelben Sack. Wie können wir die Quote erreichen? Durch Plastikpfa­nd auf Flaschen?

Es geht nicht nur um die Plastikfla­sche. Es geht um Mülltrennu­ng und Kreislaufw­irtschaft. Im ländlichen Bereich erfüllen wir die Quoten teils schon, in Städten wie Wien noch nicht. Es muss daher ein Zusammensp­iel zwischen Industrie, Handel, Politik und Bevölkerun­g werden. Ein – zugegeben – komplexer Prozess. Wir sollten aber nicht nur einen Teil herausnehm­en wie Plastikfla­schenpfand, sondern das Gesamte sehen und die Quote intelligen­t gemeinsam lösen. Und das am besten, indem weder Bevölkerun­g noch Handel belastet werden.

Das heißt nicht Glasflasch­e statt Plastikfla­sche, sondern Plastikfla­sche und Glasflasch­e?

…und Innovation wie Mehrwegpla­stikflasch­e.

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ÖVP-Staats sekretär im Ministeriu­m für Klimaschut­z Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologi­e

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