Zeckenbiss gilt als Unfall
Präzedenzfall. Ein erstinstanzliches Urteil am Klagenfurter Landesgericht besagt erstmals in Österreich, dass ein Zeckenbiss als Unfall gilt. Nun könnten Versicherungen in die Pflicht genommen werden
„Eine FSME-Impfung ist keine allumfassende Zeckenimpfung. Nur ein Prozent aller Zecken übertragen FSME“
Albin Obiltschnig Arzt und Borreliose-Experte
Ein Satz – ein Biss – die Zecke ist gelandet. Das Spinnentier selbst ist harmlos. Die übertragenen Krankheiten jedoch können für Betroffene ein lebenslanges Martyrium darstellen. Die Chance, dass eine Zecke Borreliosebakterien trägt, ist groß – sie steht drei zu zwei. Einer der führenden Spezialisten in diesem Feld ist der Klagenfurter Unfallchirurg Albin Obiltschnig. Er hatte selbst Borreliose mit massiven neurologischen Komplikationen. Die Folgen: Schwere Herzprobleme und ein stark eingeschränktes Sehvermögen. Der Kampf gegen die Krankheit ist für ihn dennoch nicht aussichtslos.
Unterstützt wird dieses Unterfangen jetzt auch auf gerichtlicher Ebene. Obiltschnig hat sich mit dem Klagenfurter Anwalt Hans Toriser zusammengetan, ein möglicher Fortschritt in der Rechtsprechung steht ante portas.
Zeckenbiss als Unfall
Dieser kämpft für das Recht seines Mandanten, der nach einem Zeckenbiss und den Folgen Leistungen von seiner privaten Unfallversicherung fordert. Und das mit Erfolg, denn das Landesgericht Klagenfurt bestätigte in erster Instanz: Ein Zeckenbiss ist als Unfall zu werten.
Die Versicherung legte Berufung ein, der Fall liegt nun am Oberlandesgericht Graz. Sollte das Urteil dem Instanzenweg standhalten, könnten sich in der Rechtsprechung rund um den Versicherungsschutz einiges ändern: Gilt ein Zeckenbiss als Unfall, öffnet das möglicherweise Tür und Tor für andere durch Insekten übertragene Krankheiten. Nicht unwesentlich, wenn man bedenkt, dass 2020 als besonders intensives Zeckenjahr angesehen wird.
Doch wie schützt man sich am besten vor der Zecke und was macht man, sollte man einen Biss entdecken? „Früher war man im Glauben, dass der Biss einer Zecke erst nach zwölf Stunden gefährlich werden kann. Ich habe aber durchaus Patienten gehabt, die die Zecke bereits nach einigen Minuten entfernt hatten und trotzdem infiziert waren“, berichtet Obiltschnig. Der Arzt erzählt aus eigener Erfahrung: „1985 tauchte bei mir eine Rötung auf. Zu diesem Zeitpunkt war die medizinische Forschung zu Thema Borreliose im Anfangsstadium.“
Aufgrund nicht adäquater Behandlung brach bei Obiltschnig die Krankheit erst 1992 aus. Seither hat sich in der Forschung einiges weiterentwickelt. Doch eine Impfung gegen Borreliose gibt es nach wie vor nicht.
Impfung nur gegen FSME
Die als „Zeckenimpfung“bezeichnet Impfung gegen Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) schützt nicht vor Borreliose. „Das ärgert mich, weil sehr oft publiziert wird, dass das ein allumfassender Schutz gegen die Zecke ist. Dabei schützt diese nur gegen FSME.
Eine Krankheit, die nur ein Prozent aller Zecke übertragen“, erklärt der Mediziner.
Zecken sind nicht die einzigen Tiere, die Borreliose übertragen. Auch andere stechende Tiere, wie zum Beispiel die Rinderbremse, können die Krankheit in sich tragen. Die Symptome sind allerdings dieselben.
Besonders gefährlich ist Borreliose, weil die typische Hautrötung nur einer von mehreren Indikatoren für
Borreliose ist. „Rund 50 Prozent meiner Patienten können sich nicht an eine Rötung oder einen Stich erinnern“, erklärt Obiltschnig.
Bei einem Zeckenbiss rät der Mediziner: „Es reicht am Anfang vollkommen, die Zecke auf Borreliose untersuchen zu lassen.“Das kostet zwar 50 Euro pro Untersuchung, kann einem aber unter Umständen vor dieser schwerwiegenden Krankheit bewahren. Zur Aufbewahrung rät der Experte, das Tier auf einen Tixostreifen zu kleben. „Das ist auch aus rechtlicher Sicht empfehlenswert“, sagt Obiltschnig. Patentrezepte zum Schutz vor Zecken, wie Zeckenhalsbänder für Hunde oder diverse Öle, sind wissenschaftlich nicht erwiesen. Der einzige Schutz: „Meiden sie hohe Gräser, Büsche und verwachsene Wege“, erklärt Obiltschnig. Zecken springen nicht von Bäumen, sondern haften sich immer erst bei Berührung an das Opfer. „Nach Wanderungen sollte man sich auf Bissstellen oder krabbelnde Zecken absuchen.“