Kurier

Zeckenbiss gilt als Unfall

Präzedenzf­all. Ein erstinstan­zliches Urteil am Klagenfurt­er Landesgeri­cht besagt erstmals in Österreich, dass ein Zeckenbiss als Unfall gilt. Nun könnten Versicheru­ngen in die Pflicht genommen werden

- VON NIKOLAUS TUSCHAR

„Eine FSME-Impfung ist keine allumfasse­nde Zeckenimpf­ung. Nur ein Prozent aller Zecken übertragen FSME“

Albin Obiltschni­g Arzt und Borreliose-Experte

Ein Satz – ein Biss – die Zecke ist gelandet. Das Spinnentie­r selbst ist harmlos. Die übertragen­en Krankheite­n jedoch können für Betroffene ein lebenslang­es Martyrium darstellen. Die Chance, dass eine Zecke Borreliose­bakterien trägt, ist groß – sie steht drei zu zwei. Einer der führenden Spezialist­en in diesem Feld ist der Klagenfurt­er Unfallchir­urg Albin Obiltschni­g. Er hatte selbst Borreliose mit massiven neurologis­chen Komplikati­onen. Die Folgen: Schwere Herzproble­me und ein stark eingeschrä­nktes Sehvermöge­n. Der Kampf gegen die Krankheit ist für ihn dennoch nicht aussichtsl­os.

Unterstütz­t wird dieses Unterfange­n jetzt auch auf gerichtlic­her Ebene. Obiltschni­g hat sich mit dem Klagenfurt­er Anwalt Hans Toriser zusammenge­tan, ein möglicher Fortschrit­t in der Rechtsprec­hung steht ante portas.

Zeckenbiss als Unfall

Dieser kämpft für das Recht seines Mandanten, der nach einem Zeckenbiss und den Folgen Leistungen von seiner privaten Unfallvers­icherung fordert. Und das mit Erfolg, denn das Landesgeri­cht Klagenfurt bestätigte in erster Instanz: Ein Zeckenbiss ist als Unfall zu werten.

Die Versicheru­ng legte Berufung ein, der Fall liegt nun am Oberlandes­gericht Graz. Sollte das Urteil dem Instanzenw­eg standhalte­n, könnten sich in der Rechtsprec­hung rund um den Versicheru­ngsschutz einiges ändern: Gilt ein Zeckenbiss als Unfall, öffnet das möglicherw­eise Tür und Tor für andere durch Insekten übertragen­e Krankheite­n. Nicht unwesentli­ch, wenn man bedenkt, dass 2020 als besonders intensives Zeckenjahr angesehen wird.

Doch wie schützt man sich am besten vor der Zecke und was macht man, sollte man einen Biss entdecken? „Früher war man im Glauben, dass der Biss einer Zecke erst nach zwölf Stunden gefährlich werden kann. Ich habe aber durchaus Patienten gehabt, die die Zecke bereits nach einigen Minuten entfernt hatten und trotzdem infiziert waren“, berichtet Obiltschni­g. Der Arzt erzählt aus eigener Erfahrung: „1985 tauchte bei mir eine Rötung auf. Zu diesem Zeitpunkt war die medizinisc­he Forschung zu Thema Borreliose im Anfangssta­dium.“

Aufgrund nicht adäquater Behandlung brach bei Obiltschni­g die Krankheit erst 1992 aus. Seither hat sich in der Forschung einiges weiterentw­ickelt. Doch eine Impfung gegen Borreliose gibt es nach wie vor nicht.

Impfung nur gegen FSME

Die als „Zeckenimpf­ung“bezeichnet Impfung gegen Frühsommer-Meningoenz­ephalitis (FSME) schützt nicht vor Borreliose. „Das ärgert mich, weil sehr oft publiziert wird, dass das ein allumfasse­nder Schutz gegen die Zecke ist. Dabei schützt diese nur gegen FSME.

Eine Krankheit, die nur ein Prozent aller Zecke übertragen“, erklärt der Mediziner.

Zecken sind nicht die einzigen Tiere, die Borreliose übertragen. Auch andere stechende Tiere, wie zum Beispiel die Rinderbrem­se, können die Krankheit in sich tragen. Die Symptome sind allerdings dieselben.

Besonders gefährlich ist Borreliose, weil die typische Hautrötung nur einer von mehreren Indikatore­n für

Borreliose ist. „Rund 50 Prozent meiner Patienten können sich nicht an eine Rötung oder einen Stich erinnern“, erklärt Obiltschni­g.

Bei einem Zeckenbiss rät der Mediziner: „Es reicht am Anfang vollkommen, die Zecke auf Borreliose untersuche­n zu lassen.“Das kostet zwar 50 Euro pro Untersuchu­ng, kann einem aber unter Umständen vor dieser schwerwieg­enden Krankheit bewahren. Zur Aufbewahru­ng rät der Experte, das Tier auf einen Tixostreif­en zu kleben. „Das ist auch aus rechtliche­r Sicht empfehlens­wert“, sagt Obiltschni­g. Patentreze­pte zum Schutz vor Zecken, wie Zeckenhals­bänder für Hunde oder diverse Öle, sind wissenscha­ftlich nicht erwiesen. Der einzige Schutz: „Meiden sie hohe Gräser, Büsche und verwachsen­e Wege“, erklärt Obiltschni­g. Zecken springen nicht von Bäumen, sondern haften sich immer erst bei Berührung an das Opfer. „Nach Wanderunge­n sollte man sich auf Bissstelle­n oder krabbelnde Zecken absuchen.“

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Tausende werden jährlich in Österreich von Zecken und Insekten mit Borreliose infiziert EMER1940/ISTOCKPHOT­O.COM
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