Ökostrom von der Autobahn
Forscher untersuchen, welche Vorteile ein Solardach über der Autobahn mit sich bringen könnte
Das Autobahn- und Schnellstraßennetz in Österreich ist über 2.200 Kilometer lang und beansprucht eine entsprechend große Fläche. In einem neuen Forschungsprojekt wird untersucht, ob man einen Teil dieser Fläche verwenden könnte, um die Sonnenenergie zu nutzen.
Die konkrete Idee ist, ein Dach aus Fotovoltaikpaneelen auf Stützen über der Autobahn zu errichten. Dadurch könnte einerseits Ökostrom erzeugt werden, andererseits die Fahrbahn besser vor Abnutzung durch Umwelteinflüsse bewahrt werden.
Theorie und Praxis
„Unser Ziel ist es, alle Aspekte, die bei der Installation einer solchen Anlage auftreten würden, zu evaluieren“, meint Manfred Haider vom Austrian Institute of Technology (AIT), der Leiter des Projekts „PV-SÜD“. Gemeinsam mit den Projektpartnern Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme und Forster Industrietechnik, wird die Anlage also zunächst theoretisch geplant und analysiert. In einem weiteren Schritt wird ein „Demonstrator“errichtet, also ein echtes Solardach über einer Autobahn.
„Wir stellen uns eine Leichtbaukonstruktion vor, etwa auf der Höhe von Schilderbrücken über der Autobahn“, meint Haider. Der Demonstrator solle „einige zehn Meter“lang sein, definitiv aber unter 100 Meter bleiben. Während oben auf dem Dach Solarmodule angeordnet werden, soll die
Fahrbahn darunter im Schatten liegen.
Fahrbahnschäden
Das bringt laut Haider zweierlei Vorteile: „Durch die Sonneneinstrahlung dehnt sich der Asphalt aus und zieht sich bei Nacht wieder zusammen. In Kombination mit der Verkehrsbelastung treten dadurch Schäden auf. Wenn ich Temperaturextreme vermeiden kann, reduziert sich das.“
Der zweite Vorteil ist, dass die Menge an Niederschlägen auf die Fahrbahn reduziert wird. Das Solardach wird eine gewisse Neigung aufweisen, damit etwa Regenwasser gut abfließen kann. Insgesamt soll die Straßenoberfläche also langlebiger werden.
Stromverwertung
Zur Frage, was man mit dem erzeugten Solarstrom anfangen kann, gibt es verschiedene Ideen. „Es gibt ja momentan bereits Solaranlagen neben der Autobahn, etwa vor Tunneln. Der Strom wird dann etwa direkt für die Tunnelbeleuchtung genutzt“, sagt Haider. Möglich sei auch, den Strom an nahe gelegene Ladestationen für Elektroautos weiterzuleiten.
Noch futuristischer wäre es freilich, Stromschienen in der Fahrbahn zu beliefern, die E-Autos beim Drüberfahren
induktiv aufladen. Haider: „Das ist aber nicht Teil dieses Projekts.“
Aufwand und Nutzen
Herausfordernd für einen Straßennetzbetreiber wäre freilich die Wartung eines Solardachs. Im Projekt PVSÜD wird genau berechnet, welcher Aufwand notwendig wäre. Auch hier gibt es unterschiedliche Ideen. „Wir könnten etwa eine Ebene unter den Solarmodulen einziehen, um die Wartung zu vereinfachen.“Die Haltbarkeit der Fotovoltaikpaneele macht Haider wenig Sorgen. Die Vorstellung, dass durch die Dachstützen ein gefährlicher Säulenwald entsteht, entkräftet der Projektleiter: „Natürlich schauen wir uns die Anprallsicherheit an, aber es gibt Lösungen wie Betonleitwände dafür.“
Am Ende des Projekts will man Straßennetzbetreibern genaue Auskunft über Aufwand und Nutzen eines Autobahn-Solardachs geben können. „Die Nutzung von Solarstrom alleine reicht nicht. Unsere Untersuchung könnte wichtige Zusatzpunkte finden, die in die Lebenszyklusbetrachtung einer solchen Anlage einfließen.“Vielleicht führe das künftig dazu, dass die Entscheidung zugunsten eines AutobahnSolardachs ausfalle, vielleicht aber auch nicht.
Ein anderer Ansatz als Solaranlagen über Straßen sind Solaranlagen in der Fahrbahn. In China und Frankreich gibt es bereits Teststrecken für solche „Solarstraßen“. Jene im französischen Tourouvre wurde 2016 eröffnet und ist rund einen Kilometer lang. Das Projekt „Wattway“konnte die Erwartungen jedoch nicht erfüllen. Viele der verbauten Solarzellen hielten den Belastungen nicht stand. Der Stromertrag fiel gering aus. Offenbar hatte niemand damit gerechnet, dass Laub im Herbst viele Zellen verdeckte. Der 2017 eröffneten Teststrecke im chinesischen Jinan erging es kaum besser.