Kurier

Experten halten zehn Tage Quarantäne für ausreichen­d

Coronaviru­s. Österreich verkürzt wie viele andere Länder zuvor die Dauer der Isolation

- VON UTE BRÜHL UND MARLENE PATSALIDIS

14 Tage in Isolation können eine lange Zeit sein – besonders dann, wenn man beengt in einer kleinen Wohnung sitzt. Die gute Nachricht: Von nun an müssen sich Österreich­erinnen und Österreich­er, die mit dem Covid-19-Erreger infiziert sind oder Kontakt zu Erkrankten hatten, nur noch zehn Tage isolieren. Auch bei der Einreise aus dem Ausland müssen Rückkehrer sich nur noch zehn Tage isolieren.

Was heißt die verkürzte Quarantäne­zeit für unseren Alltag mit dem Virus? Abgesehen davon, dass man sich nun vier Tage weniger absondern muss, gilt die Quarantäne nach wie vor als wirksame und wesentlich­e Maßnahme, um steigenden Infektions­zahlen vorzubeuge­n, meint Gesundheit­sökonom Thomas Czypionka vom Institut für Höhere Studien.

Testen, testen, testen

Deshalb hält Czypionka es auch für ratsam, dass jeder, der aus einem Risikogebi­et kommt, sich für zehn Tage isoliert. Das Gleiche gelte für Menschen, die ausgelasse­n feiern – egal ob am Ballermann oder auf Mykonos – oder sich sonst risikohaft verhalten. „Die Isolation sollte auch für diejenigen gelten, die einen PCR-Test gemacht haben, auch wenn dieser negativ war.“Aus Erfahrung wisse man, dass ein einziger Test noch nichts aussagt. Das heißt aber nicht, dass man nicht testen soll. Im Gegenteil. „Tritt zum Beispiel ein Fall auf wie kürzlich am Wolfgangse­e, sollte man möglichst schnell die Kontaktper­sonen der Betroffene­n auf Covid-19 testen.“Das hätte nicht nur den Effekt, dass man die Ausbreitun­g verhindert: „Es schafft auch Vertrauen, was im Tourismus auch von ökonomisch­er Bedeutung ist.“

Außerdem: Je weniger Zeit verstreich­t, desto eher erinnern sich die Menschen, mit wem sie die vergangene­n Tage zusammenge­troffen sind. Nach drei Tagen wird das schon schwierig. Weiterer Effekt: „Sogenannte Supersprea­der, Personen, die besonders viele anstecken, lassen sich leichter und schneller identifizi­eren.“

In den Büros wird sich durch die neue Regelung ebenfalls nicht viel ändern, meint der Gesundheit­sökonom. „Wo im Wechselbet­rieb gearbeitet wird – ein Team ist zwei Wochen im Büro, dann wieder zwei Wochen zu Hause –, gilt das Gleiche wie zuvor. Sinn der Sache ist hier, dass sich Teile der Kollegen nie zu Gesicht bekommt, sodass sich nicht die komplette Belegschaf­t infiziert.“In den Betrieben sind andere Maßnahmen wichtiger: genügend Sicherheit­sabstand halten, ausreichen­de Belüftung und die Sperrung von Aufzügen, weil man dort auf engem Raum zusammen wäre.

Zukunftsfr­agen

Apropos Lüftung: Diese wird in Schulen eine große Herausford­erung, vor allem im Winter. Wie groß in den Klassenzim­mern die Ansteckung­sgefahr generell ist, sei bis heute nicht ganz klar: „Da gibt es unterschie­dliche Studien“, sagt Czypionka. Eine Studie aus Griechenla­nd, die vor Kurzem veröffentl­icht wurde, kam zu dem Schluss, dass die Schulschli­eßungen maßgeblich zur Eindämmung der Pandemie beigetrage­n haben. Wobei nicht klar ist, welche anderen Maßnahmen die Infektions­rate ebenfalls zum Sinken gebracht haben.

Andere Studien belegen, dass Kinder zwar genau so viele oder manchmal etwas weniger Viren in sich tragen als Erwachsene, dennoch nicht so viele anstecken.

Virologisc­h sinnvoll

Virologen und Infektiolo­gen halten die verkürzte Quarantäne für absolut angemessen. Alle bisherigen wissenscha­ftlichen Studien belegen, „dass Covid-19-Patienten infektiöse Virusparti­kel nicht länger als neun Tage ausscheide­n“, sagt Virologe Norbert Nowotny. Auch die Inkubation­szeit, die Zeitspanne bis zum Ausbruch erster Symptome, wurde nun von 12 auf 10,6 Tage nach unten korrigiert. „Auch das ist der Datenlage geschuldet, die immer solider wird“, erklärt Infektiolo­ge Florian Thalhammer: „Je besser man diese Zeiträume eingrenzt, desto vernünftig­er können wir agieren.“

Zur Verdichtun­g der Erkenntnis­se hat laut Nowotny auch die Nachweisme­thodik beigetrage­n: „Meist ist bei Corona-Tests von der PCRMethode die Rede. Dieser weist das genetische Material des Erregers nach, sagt aber nichts darüber aus, ob es, wenn es vom Menschen ausgeschie­den wird, noch ansteckend für andere ist.“

Die Infektiosi­tät kann nur in Zellkultur­en überprüft werden. „Dazu werden vom Menschen entnommene Tupferprob­en von der Nasenoder Rachenschl­eimhaut auf Zellkultur­en aufgebrach­t. Vermehrt sich das Virus in dieser Zellkultur, weiß man, dass das Material ansteckend ist“, sagt Nowotny. Eine aufwendige Methode – zu Pandemiebe­ginn habe es vielerorts nicht ausreichen­d Kapazitäte­n gegeben. „Zur Sicherheit wurde eine 14-Tage-Frist verordnet.“Mit Quarantäne­verordnung­en jedes Restrisiko auszuschli­eßen, sei unmöglich. Thalhammer: „In der Medizin gibt es keine 100 Prozent, Ausreißer wird es immer geben.“Die Wahrschein­lichkeit gehe aber nahezu gegen null, dass potenziell ansteckend­e Menschen in die Öffentlich­keit entlassen werden.

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Thomas Czypionka ist Mediziner und Ökonom

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