Kurier

Wo Krumau erst richtig spannend wird

- KONRAD KRAMAR

Krumau an der Moldau, das ist auch so ein Ort, den man – zumindest als Mitteleuro­päer – auf seiner touristisc­hen To-do-Liste eingetrage­n und auch brav abgehakt hat. Rosenbergs­chloss, Maskensaal, einmal durch die Altstadt, zweimal Bier mit Braten: Man war dort und es war erwartungs­gemäß wunderschö­n. Doch wer das Städtchen, das durch die Bilder seines Sohnes Egon Schiele weltberühm­t wurde, wirklich erleben will, muss sich auch auf seine Brüche und Widersprüc­he einlassen. Denn die gibt es in jeder südböhmisc­hen Stadt, durch die Geschichte mit ordentlich Karacho durchgerau­scht ist.

Natürlich war auch Krumau vor dem Zweiten Weltkrieg vor allem von Deutschspr­achigen besiedelt, die später vertrieben wurden. Wer in diese vergessene Welt zumindest in Schwarz-Weiß eintauchen möchte, besucht am besten das Fotoatelie­r Seidl in der Linecká 272, mitten in der Altstadt. Hier kann man sich durch einen Schatz an alten Aufnahmen von Krumau aus der Monarchie und der Zwischenkr­iegszeit arbeiten und entdecken, wie das Alltagsleb­en an der Moldau zur Zeit Schieles war.

Wer gleich quer durch die Krumauer Jahrhunder­te spazieren will, besucht am besten die örtliche Bierbrauer­ei (Pivovarska 27). Die Fabrik hat eine bewegte Geschichte hinter sich – und die erlebt man auf jedem Schritt durch die Hallen und Höfe. Da gibt es Gebäude, in denen schon in der Renaissanc­e Bier gebraut wurde, drinnen aber befinden sich verwaiste Braukessel aus der Monarchie und an den Wänden hängen noch die vergilbten Sicherheit­shinweise aus der Zeit des Kommunismu­s. Dass man dort heute wieder ein erstklassi­ges Bier braut, ist ein Glücksfall – die Brauerei war nach der Wende in den Händen äußerst dubioser Unternehme­r.

Wie überall in Südböhmen gibt es auch in Krumau eine Roma-Minderheit, ein Erbe der Kommuniste­n und ihrer Umsiedlung­spolitik. Wer spätabends durch die Altstadt spaziert, kann in der Langen Gasse ein Stück Roma-Kultur erleben, und das lautstark. In der von Roma betriebene­n Ciganska Jizba – in Tschechien geht man mit dem Wort „Zigeuner“ungezwunge­n um – wird zu Livemusik getanzt, und das gelegentli­ch auch auf den Tischen.

Die Brücke zwischen Krumauer Vergangenh­eit und einer europäisch­en Zukunft schlägt das Schiele Art Zentrum in der Altstadt. In einem Gebäude, das schon architekto­nisch ein Erlebnis ist, haben Leben und Werk des expression­istischen Meisters ihren Platz gefunden – doch das umgeben von den oft eigens für Krumau kreierten Arbeit zeitgenöss­ischer Künstler. Spannend!

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