TELLERRAND
Als die geschätzte Kollegin Anita Kattinger mir jüngst vorschlug, eine Doppelseite über Erbsen zu schreiben, fragte ich mich natürlich, wie man über etwas so Kleines so viel schreiben kann. Nicht nur, dass die Erbse ein winziges Lebensmittel ist, das beim Entkommen in jede Ritze kullert, ist auch ihre Bedeutung in der großen Küche klein geblieben. Mir ist im stundenlangen Grübeln über diese winzige Frage mein Freund Marcus M. eingefallen. Der ist ein Gast jener Sorte, die sich jeder Kochende wünscht: kriegt beim Betreten der Küche glänzende Augen ob des Geruches (egal wonach), entwickelt ein vorfreudiges Lächeln, wenn das Essen auf den Tisch kommt (egal was) und versucht sich fast immer in der Aufgabe, den Topf leer zu machen (egal wie viel). Würde nur Marcus M. zu mir essen kommen, hielte ich mich für den besten Koch seit Erfindung des Kochlöffels.
Außer es gibt Erbsen. Um die kleinen grünen Kugeln isst Marcus M. einen Bogen, und das kommt mir gerade bei Erbsen komisch vor. Dabei bin ich in
Geschmacksfragen sehr verständnisvoll, wenn einer etwas nicht mag, mag er es eben nicht. Ich halte salbungsvolle Missionsköche nicht aus, die einem Gast einreden wollen, dass so ein Oktopus oder so eine Schnecke doch eh gut schmeckt, obwohl dem Gast schon beim Gedanken an den Biss das Grüne ins Gesicht steigt. Man muss die Menschen essen lassen, was sie wollen, besonders bei Exotischem.
Aber Erbsen? Die hätte ich immer zum Allerweltsessen gezählt, das jedem schmeckt. Dass „Allerweltsessen“falsch ist, weiß ich seit der Lektüre von Kollegin Kattingers Text (siehe Seiten 6 und 7). Und dass Erbsen nicht jedem schmecken, seit Marcus M. „Es ist die Konsistenz“, verriet er mir einmal. Ich nehme das so hin, schließlich bin ich ja verständnisvoll in Geschmacksfragen.
Außer es stellt mir jemand Oliven vor die Nase. Aber das ist eine andere Geschichte. Und was für eine.