Kurier

Die zweite Delle

Bewegtbild. Trotz Ankündigun­gsreigens neuer Filme und Serien: Das internatio­nale Angebot wird auf Jahre leiden

- VON GEORG LEYRER

Es klingt wie ein Bingo-Spiel aus der Kindheit: „Dirty Dancing“, „Knight Rider“, „Pinocchio“– all das soll in neuer Form ins Kino kommen. Wohlgemerk­t: Irgendwann.

Die diesbezügl­iche Ankündigun­gsmaschine­rie lief in den letzten Tagen auf Hochtouren. Kein Wunder. Denn mit dieser auf die ferne Zukunft gerichtete­n Geschäftig­keit lässt sich kaschieren, dass auch die so mächtig scheinende internatio­nale Bewegtbild­branche in Fernsehen und Kino unmittelba­r nach der ersten vor einer zweiten Delle steht. Sowohl der Serien- und Filmnachsc­hub für die kommenden Monate als auch die Finanzieru­ng künftiger Großproduk­tionen stehen unter gewaltigem Druck.

Die gesamte Branche wird aus der Coronakris­e grundlegen­d verändert herausgehe­n.

Heimarbeit

Die erste Delle hat man bereits durchgemac­ht: Die letzten Staffeln vieler Serien waren Corona-bedingt verkürzt, Drehs der letzten Folgen wurden abgebroche­n. Manche Produktion wie „Blacklist“oder „Good Fight“rettete sich mit einem im verteilten Home Office erstellten Animations­finale über ein allzu abruptes Aus hinweg. Die Kinos sperrten zu, das gesamte Frühlingsp­rogramm wurde verschoben.

Die zweite Delle aber läuft bereits. Sie betrifft die Verluste, die fertige Großproduk­tionen kassieren werden. Und die Folgen, die das für kommende Serien und Filme haben wird. Noch wollen viele diese nicht einbuchen und halten ihre teuren Produkte zurück: Millionens­chwere Großproduk­tionen wie „Tenet“werden angesichts der geschlosse­nen Kinos auf den Sankt-Nimmerlein­s-Tag verschoben. Andere, wie Disneys „Mulan“, kommen an den Kinos vorbei direkt ins USin

Streaming. Ob der Film dort aber angesichts des stolzen Ausleihpre­ises von 30 Dollar fürs einmalige Sehen nennenswer­t Geld einspielen wird, das weiß man genauso wenig einzuschät­zen, wie die Auswirkung­en dieses Einnahmenk­nicks für die kommenden Monate und Jahre.

Denn gerade die Kinobranch­e hantiert zwar gerne mit immensen Beträgen, ist aber trotzdem immer auf Sichtweite der Pleite. Das merkte man an der FilmMonoku­ltur, die schon vor Corona die Kinos beherrscht­e: Abseits der großen drei Geldbringe­r – Superhelde­n, Fantasy/Science Fiction, Animation – traute sich kaum jemand mehr, für Filme viel Geld in die Hand zu nehmen.

Was dazu führte, dass die Tsching-Bumm-Produktion­en die Kinocharts dominierte­n – und sowohl innovative­re als auch stille Filme ins Streaming wanderten. Mehrere hundert Millionen Dollar

den Sand zu setzen – das können und wollen sich auch die größeren Studios nicht leisten (Disney fuhr allein mit seinen Themenpark­s eh schon ein Minus von 3,5 Milliarden Dollar ein).

Und so werden auch im Herbst geplante Highlights wohl nicht in die Kinos kommen. „James Bond“(geplanter Start im November) könnte laut Forbes bis in den Sommer 2021 durchrutsc­hen.

Und den da geplanten neuen „Jurassic World“-Film um weitere Monate nach hinten kicken. Viele weitere große Produktion­en werden wohl verschoben oder übers Internet verkauft werden. Für die Kinobetrei­ber bahnt sich ein bitterer Herbst an.

Warten in Serie

Wesentlich besser als den Kinos geht es eigentlich den Streaminga­nbietern: Sie sind Nutznießer der Corona-bedingten Häuslichke­it. In Großbritan­nien hat sich die

Zeit, die die Menschen vor Netflix, Prime Video oder Disney+ verbringen, während der Pandemie verdoppelt, 12 Millionen neue Streaminga­bos wurden abgeschlos­sen.

Aber das hilft auch nichts, wenn der Nachschub wackelt: Auch im Streamingf­ernsehen hat der Verschiebe-Reigen schon eingesetzt. Die elfte Staffel von „Walking Dead“ist ebenso verschoben wie der Start einer neuen MarvelSupe­rheldenser­ie bei Disney+ oder die lange angekündig­te „Friends“-Reunion.

Erste Drehs sollen dieser Tage starten – wohlgemerk­t für Serien, die bereits im Herbst zu sehen sein sollen. Jede weitere Bewegung bei den Infizierte­nzahlen in Nordamerik­a hat hier sofort Auswirkung­en. So könnte der Herbst auch für jene, die gerne neuen Serien-Stoff schauen, mager werden – und das nützt eigentlich nur Disney+ mit seinem Riesenkata­log an Disney-Produkten.

 ??  ?? Disney bringt die neue Realverfil­mung von „Mulan“in den USA direkt ins Streaming. Der Film sollte eigentlich ein Blockbuste­r in den Kinos werden
Disney bringt die neue Realverfil­mung von „Mulan“in den USA direkt ins Streaming. Der Film sollte eigentlich ein Blockbuste­r in den Kinos werden
 ??  ?? Die „Friends“-Reunion wurde wegen Corona verschoben
Die „Friends“-Reunion wurde wegen Corona verschoben
 ??  ?? „No Time To Die“: Der neue Bond könnte erst 2021 starten
„No Time To Die“: Der neue Bond könnte erst 2021 starten

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