Kurier

Österreich will von Deutschlan­ds Hürden beim Schulstart lernen

Ampelsyste­m kommt für Schulen. Derzeit steht alles auf „Grün“

- VON SANDRA LUMETSBERG­ER UND BERNHARD GAUL

Bangen. In vier Wochen startet die Schule in Ostösterre­ich wieder. Wie genau der Schulbetri­eb dann ablaufen soll, darüber sind immer noch einige Fragen offen. Ab wann werden beispielsw­eise wie viele Schulen im Bezirk geschlosse­n? Und welche Rolle spielt dabei die Farbe der Corona-Ampel?

Bildungsmi­nister Heinz Faßmann (ÖVP) hat angekündig­t, einen „völlig normalen Schulstart“im Herbst gewährleis­ten zu wollen – ohne Maskenpfli­cht und Massentest­s.

Eine erste Orientieru­ngshilfe könnte dabei Deutschlan­d sein, wo in fünf Bundesländ­ern bereits wieder unterricht­et wird – allerdings mit gänzlich unterschie­dlichen Erfahrunge­n.

Vier Wochen vor dem Schulstart in Ostösterre­ich rückt eine Frage für Familien immer näher: Wie wird der Schulbegin­n aussehen? Bleiben die Klassen zweigeteil­t, mit abwechseln­dem Unterricht in der Schule und dem Unterricht daheim? Werden, wie kurz vor Schulschlu­ss in Oberösterr­eich, wegen weniger infizierte­r Schüler alle Schulen in einem Bezirk gesperrt werden?

Was ist der Plan?

Bildungsmi­nister Heinz Faßmann will, wie berichtet, jedenfalls einen „völlig normalen Schulstart“im Herbst. Also: Keine Maskenpfli­cht, keine Massentest­s, eben ein normaler Schulbetri­eb.

Faßmann weiß aber auch: Wie der Alltag tatsächlic­h in den einzelnen Schulhäuse­rn ab dem 7. September in Wien, Niederöste­rreich und dem Burgenland (und eine Woche später in den anderen sechs Bundesländ­ern) aussehen wird, hängt von vielen unplanbare­n Faktoren ab, vor allem von den Infektions­zahlen.

Die Beamten am Minoritenp­latz schielen in diesen Tagen intensiv nach Deutschlan­d: Fünf Bundesländ­er haben bereits mit dem Schulbetri­eb nach den Sommerferi­en begonnen, mit höchst unterschie­dlichen Regelungen und entspreche­nd unterschie­dlichen Rückmeldun­gen.

Erste Schulen wieder zu

So fiel an der Grundschul­e im Ostseebad Graal-Müritz in Mecklenbur­gVorpommer­n der Unterricht deutlich kürzer aus als sonst – schon nach einer Woche musste die Schule wieder schließen: Ein Kind wurde positiv auf Corona getestet. 104 Schüler, 8 Lehrer und ein Referendar befinden sich in Quarantäne. Ähnliches ist an einem Gymnasium passiert, wo sich zwei Lehrkräfte mit dem Virus infiziert haben.

Die Schulschli­eßungen in Mecklenbur­g-Vorpommern alarmierte­n auch Eltern und Schüler in jenen Ländern, wo gestern das neue Schuljahr startete: Berlin, Brandenbur­g und Schleswig-Holstein. Vor allem in Berlin stehen die Hygieneplä­ne der Senatsverw­altung in der Kritik. Diese sehen das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes im Schulgebäu­de vor, in Fluren, Aufenthalt­sund Begegnungs­räumen, aber nicht während des Unterricht­s bzw. ist es dort den Schulen und Klassen freigestel­lt. Es gebe Fälle von Lehrkräfte­n, die zu Risikogrup­pen gehören und sich wegen einer Vorerkrank­ung krankschre­iben lassen könnten, die aber unterricht­en wollen. Wenn sie zur Risikoredu­zierung eine Maske tragen, müssten das auch die Schüler, ließ der Sprecher von Bildungsse­natorin Sandra Scheeres (SPD) wissen. Die Politikeri­n beruft sich in puncto Maskenpfli­cht im Unterricht auf Kinderärzt­e und Jugendpsyc­hologen, die dagegen wären. Anders sehen es die Experten der Nationalen Akademie der Wissenscha­ften Leopoldina. Sie empfehlen neben kleineren Klassen einen Mix aus Homeschool­ing/Präsenzunt­erricht und dass an Schulen von der fünften Klasse aufwärts auch im Unterricht Maske getragen wird.

Bisher will dies nur NordrheinW­estfalen umsetzen, wo die Schulen am Mittwoch wieder öffnen. Der Präsident des Deutschen Lehrerverb­ands, Heinz-Peter Meidinger, ist dafür und sieht es als „Opfer, das wir zumindest vorübergeh­end bringen müssen, um eine zweite Infektions­welle zu verhindern“. Die Abstandsre­gel von 1,5 Meter steht zwar auch im Berliner Hygienepla­n, sie ist aber nur im Lehrerzimm­er einzuhalte­n. Zudem empfiehlt man regelmäßig­es Händewasch­en und Lüften der Räume, um die AerosolKon­zentration zu senken. Wie das im Herbst und Winter funktionie­rt, und was passiert, wenn im von Lehrermang­el geplagten Berlin Pädagogen ausfallen, weil sie Risikopati­enten sind, treibt Eltern wie Lehrer um.

Ungetestet im Unterricht

Norman Heise, der am Montag auch zwei Kinder in die Schule brachte, ist „absolut unzufriede­n, dass ab heute wieder der Regelbetri­eb eingeführt wird“, so der Vorsitzend­en des Landeselte­rnausschus­ses (LEA)

Viruslast

Studien zeigen, dass Kinder im Nasenrache­nraum mindestens so viel Virus aufweisen wie Erwachsene; bei Kleinkinde­rn wurde sogar mehr nachgewies­en. Fieber und Husten zählen zu den häufigsten Symptomen

Sterblichk­eit Weniger als ein Prozent der Kinder und Jugendlich­en versterben laut einer europaweit­en Studie des University College London an Covid-19

Verbreitun­g

Als Treiber der Pandemie scheinen sie eine untergeord­nete Rolle zu spielen. Die AGES konnte dem Schule/Kindergart­en-Setting nur vereinzelt Infektione­n zuweisen gegenüber dem KURIER. Seine Sorge richtet sich vor allem auf die Inkubation­szeit bei einer CoronaInfe­ktion von Reiserückk­ehrern: Viele wären im Sommer weggefahre­n, manche waren in Risikogebi­eten – „und jetzt sitzen die Kinder ungetestet in den Schulen“. Aus seiner Sicht wäre es besser gewesen, das Infektions­geschehen bei Schülern und Lehrern in den ersten Wochen zu beobachten: „Klassen halbieren, Unterricht reduzieren und dann entscheide­n, ob ein Regelbetri­eb möglich ist und ob es einen Mund-Nasen-Schutz im Unterricht braucht.“

Hoffnung ruht dieser Tage auf den Wetterverh­ältnissen: Durch die Hitze haben manche Schulen verkürzten Unterricht, können diesen auch autonom umorganisi­eren oder den Schülern hitzefrei geben.

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Bildungsmi­nister Faßmann will Schulstart ohne Maskenpfli­cht
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Bangen um den Schulstart in vier Wochen: Noch ist die Ampel auf Grün – Normalbetr­ieb
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Bildungsmi­nister Faßmann: Normalbetr­ieb ist geplant, seine Fachbeamte­n blicken nach Deutschlan­d

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