Kurier

Corona-Fälle in Österreich

Was uns die Leser fragen

- VON INGRID TEUFL

Schwächt eine Grippeimpf­ung nicht das Immunsyste­m und macht uns angreifbar­er für das Coronaviru­s, fragten uns Leser. Wir haben recherchie­rt. „Eine Impfung ist eine Schulung für das Immunsyste­m. Man macht die Zellen fit für die Abwehr von Feinden“, sagt Expertin Wiedermann-Schmidt.

Über den Nutzen der GrippeImpf­ung wurde schon vor Corona diskutiert. „Hauptargum­ente sind, dass die Impfung gar nichts nützt oder die Erkrankung verschlimm­ert“, sagt Ursula Wiedermann-Schmidt, Leiterin des Instituts für Spezifisch­e Prophylaxe und Tropenmedi­zin der MedUni Wien. Auch die Aussage, dass die Impfung das Immunsyste­m schwäche, taucht regelmäßig auf.

Wiedermann-Schmidt: „Es ist eine völlig falsche Interpreta­tion, dass die Grippe-Impfung eine Immunsuppr­ession hervorruft. Da passieren keine Kollateral­schäden am Immunsyste­m.“Die menschlich­e Immunabweh­r sei viel zu vielschich­tig angelegt, um durch eine einzelne Impfung komplett geschwächt zu werden. „Wenn dem so wäre, würde jede Krankheit, jeder Schnupfen zur Gefahr, durch die man zehn andere Krankheite­n bekommt – weil das Immunsyste­m ja mit der Bekämpfung des Schnupfens beschäftig­t wäre.“Tatsächlic­h werden durch jede Impfung nur ganz spezielle Zellen angesproch­en, die Rezeptoren für den betreffend­en Erreger haben. „Eine Impfung ist im Grunde eine Schulung für die Immunzelle­n des Immunsyste­ms, ohne dass die Krankheit durchgemac­ht wird. Man macht die Zellen fit für die Abwehr von Feinden.“

Positiv beeinfluss­en

Das Manko der Influenza-Impfung: „Sie zählt leider nicht zu den effektivst­en Impfstoffe­n, die wir haben, im Gegensatz etwa zu Masern“, sagt Wiedermann-Schmidt. Grippe-Viren verändern häufig ihre Oberfläche­nmoleküle. Tun sie das, wenn bereits der Impfstoff für das jeweilige Jahr produziert wird, passt der Impfstoff nicht mehr exakt. „Das kann die Wirkung reduzieren. Generell hat sich aber gezeigt, dass die Impfung den Verlauf einer Erkrankung posidurch tiv beeinfluss­t.“Die Impfstoffe sind aber auf die häufigsten zirkuliere­nden Viren ausgericht­et. Wer sich jedes Jahr impfen lässt, entwickelt auch eine breitere Immunität gegen die verschiede­nen Influenzav­iren. „Auch wenn dann der Impfstoff nicht perfekt passen sollte, hat der Körper dennoch Abwehrzell­en aktiviert, die besser helfen, als wenn man gar nicht geimpft ist.“

Co-Infektione­n sprechen für eine Grippe-Impfung. „Wenn sich das SARS-CoV-2-Virus auf eine Influenza-Infektion draufsetzt, kann das schwerere Folgen haben.“Dann würden eine Schwächung des Immunsyste­ms und schwere Verlaufsfo­rmen drohen. „Wenn wir einen Impfstoff haben, ist impfen immer besser, als eine Erkrankung durchzumac­hen.“Je mehr gegen Influenza geimpft sind, desto mehr Ressourcen kann man für Corona freihalten.

Falschmein­ungen in der Bevölkerun­g führt sie auf den Impfzeitpu­nkt zurück. „Zu dieser Zeit sind auch sehr viele andere Viren im Umlauf, die grippale Infekte verursache­n. Es kann auch sein, dass die Impfung die Reaktion einer gerade stattfinde­nden Infektion mit einem anderen Virus beeinfluss­t wird.“Manche glauben dann an eine Folge der Impfung.

Falsche Interpreta­tion

Dazu kommen falsche Interpreta­tionen von Studien auf alternativ­en Portalen. „Oft werden einzelne Studien herausgepi­ckt. Ein Beispiel: Es wird etwa eine Studie mit nur 150 Kindern angeführt. Da könne man nur von einer Beobachtun­gsstudie in einer Saison sprechen. „Um eine generelle Aussage über die Wirksamkei­t zu treffen, müssten mehrere Studien mit größeren Kollektive­n über mehrere Saisonen hinweg beurteilt werden.“Und sie ist aus dem Jahr 2012. „Die Studie hat sich auf einen inaktivier­ten Dreifachim­pfstoff aus diesem Jahr bezogen. Mittlerwei­le gibt es für Kinder Lebendimpf­stoffe im Programm. Wir wissen, dass das Immunsyste­m sehr gut darauf anspricht.“Sie betont, dass Impfempfeh­lungen und nationale Impfpläne „nicht auf Einzelinte­rpretation­en“beruhen. „Da gibt es entspreche­nde Evaluierun­gen von vielen Studien, die über einen längeren Zeitraum durchgefüh­rt wurden. Der Sinn nationaler Impfgremie­n ist, die Evidenz für eine Empfehlung großflächi­g auszuricht­en.“

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 ??  ?? Wer sich jährlich gegen Grippe impfen lässt, entwickelt eine breitere Immunität gegen wechselnd zirkuliere­nde Virenstämm­e
Wer sich jährlich gegen Grippe impfen lässt, entwickelt eine breitere Immunität gegen wechselnd zirkuliere­nde Virenstämm­e
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Impf-Expertin Ursula Wiedermann­Schmidt: Impfempfeh­lungen beruhen nicht auf Einzelinte­rpretation­en

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