Wo Politiker kandidieren – und wo sie in Wahrheit leben
Wo Strache wohnt, ist für seine Wien-Kandidatur entscheidend. Bei Nationalratswahlen gibt es viele Polit-Pendler – jedoch ganz legal
Soll jemand, der gar nicht in Wien lebt, für die Bundeshauptstadt Politik machen?
Schwer vorstellbar – und in Bezug auf die Wien-Wahl überhaupt verboten. Aktuell plagt sich Ex-FPÖ-Chef HeinzChristian Strache mit der Wohnsitzfrage. Ihm wird ja vorgeworfen, er habe seinen Lebensmittelpunkt gar nicht in Wien (obwohl er hier geboren ist), sondern in seinem Haus in Klosterneuburg.
Bei der Nationalratswahl spielt es im Gegensatz dazu keine Rolle, wo man gemeldet ist. Und das, obwohl es Regional- und Landesmandate
gibt, für die sich ein Volksvertreter bewerben kann.
Heißt: Zwischen dem Ort, den ein Volksvertreter im Parlament repräsentiert, und dem Ort, an dem er lebt, einkaufen geht und Freunde trifft, dürfen auch große Distanzen liegen.
Das trifft auf einige Kandidaten der Nationalratswahl 2019 auch zu. Der KURIER hat einige Polit-Pendler herausgesucht:
Im Hause Strache ist Heinz-Christian nicht der Einzige, dessen Eintrag im Melderegister Fragen aufwirft: Seine Ehefrau Philippa Strache hat 2019 für die Wiener Landesliste der FPÖ auf Platz 3 kandidiert. Als Wohnort ist bei ihr jedoch „7100 Neusiedl am See“angegeben. Dort soll sie
mit ihrem früheren Freund gewohnt haben.
Leonore Gewessler, heute grüne Infrastrukturministerin, hat auf Platz 2 der oberösterreichischen Landesliste kandidiert und war Erste im Wahlkreis Linz. Dabei ist Gewessler eine gebürtige Grazerin, die in Wien-Ottakring wohnt. In ihrem Büro erklärt man dazu, sie habe damals als Global-2000-Chefin einen „engen beruflichen Bezug“zu Oberösterreich gehabt.
Karl Mahrer, Ex-PolizeiVizepräsident, kandidierte 2019 auf Platz 3 der Wiener ÖVP-Landesliste, wohnte damals aber in Perchtoldsdorf, Niederösterreich. Mahrer kandidiert nun bei der WienWahl und ist mittlerweile nach Wien gezogen. Es geht auch umgekehrt – mit Wienern, die auf der niederösterreichischen Landesliste kandidieren: Sonja Hammerschmid, SPÖ, stand auf NÖListenplatz 2, sie wohnt aber in 1230, Wien-Liesing. Apropos Wien-Liesing:
Doris Bures, Zweite Nationalratspräsidentin (SPÖ), ist dort seit mehr als zehn Jahren Bezirksparteiobfrau und hat für den Regionalwahlkreis Süd-West auf Platz 1 kandidiert. Wohnhaft ist sie in der Josefstadt, 1080 Wien.
Bei der Liste Jetzt waren mehrere Kandidaten bunt auf die Landeslisten verstreut. Bei den Neos gibt es auch ein paar Ausreißer. Bei beiden sind es aber keine prominenten Namen.
Und der Spitzenkandidat der Bier-Partei, die 2019 nur in Wien am Wahlzettel stand,
Dominik Wlazny, ist eigentlich in 2020 Hollabrunn wohnhaft.
Erlaubt ist das alles. Was aber nicht geht: „Man darf seinen wahren Wohnort nicht am Wähler vorbeischmuggeln“, sagt Robert Stein, für Wahlen zuständiger Abteilungsleiter im Innenministerium. Bei jedem Kandidaten muss auf der Wahlliste die Postleitzahl ersichtlich sein. Diese wird vorab auch kontrolliert. Eine falsche Angabe wäre ein Meldevergehen und wird mit Geldstrafe geahndet.
Eine Geldstrafe dürfte für Strache eine geringe Sorge sein. In Wien hängt vom Wohnort die Kandidatur ab.