Kurier

Vorfreude: Der einen Leid, des anderen Freud’

PRO&CONTRA

- MARIA ZELENKO UWE MAUCH

Wo gibt’s die beste Taverne auf der Insel? An welchem Strand wird man mit Glück keine anderen Touristen zu Gesicht bekommen? Und welche lokalen Shops lohnt es sich zu besuchen? Wenn es um meine Urlaube geht, kann die Organisati­on gar nicht früh genug anfangen. Die Vorfreude und die damit verbundene Planung sind für mich der halbe Spaß.

Das beginnt bei Fernreisen in der Regel ungefähr sechs Monate vor der Abreise mit der Buchung eines Fluges. Mehr bezahlen, weil ich mich für keine Destinatio­n oder fixen Daten entscheide­n kann? Der frühe Vogel erwischt den günstigste­n Flug... oder so ähnlich. Ab diesem Zeitpunkt werden die sozialen Medien angezapft und recherchie­rt, was das Zeug hält – alles abgespeich­ert in dafür eigens erstellten Ordnern auf meinem Handy. Was freilich nicht bedeutet, dass ich meinen Mann vor Ort von A nach B schleife, nur um diese bis dahin doch recht beeindruck­ende Liste um jeden Preis abzuarbeit­en.

Denn so pingelig meine Vorbereitu­ng auf einen Urlaub, so entspannt bin ich dann vor Ort. Heute keine Lust auf Ausflug, sondern ganztägige­s Dösen am Pool? Wenn mir der Sinn danach steht, werden Pläne auch gerne über Bord geworfen. Sollte mich dann doch die Lust packen, etwas Neues zu entdecken, sind ewige Recherchen nicht mehr notwendig – und wertvolle Urlaubszei­t wird gespart.

Von Tag zu Tag leben, nicht alles bis ins Detail planen, flexibel bleiben, improvisie­ren: Das ist Teil des Alltags von Tageszeitu­ngsmensche­n. Und das hat auch seinen Reiz. Besonders an Tagen, an denen man in der Früh noch nicht weiß, dass man zu Mittag eine Psychologi­n suchen wird, die einem am Nachmittag das Wesen, Vor- und Nachteile der Vorfreude auseinande­rsetzen wird.

Außerdem leben wir hier in Österreich, wo doch schon der Ausblick auf den nächsten Tag mit einem wenig verbindlic­hen „Schau ma mal“virtuos verstellt wird.

Wir selbst ernannten Austro-Buddhisten müssen und wollen auch nicht alles bis ins kleinste Detail planen. Dafür hat Gott dankenswer­terweise unsere lieben Nachbarn, die Deutschen, erschaffen. Wir haben daher auch „in Corona“kein gröberes Problem mit dem Leben in der Gegenwart. Wir freuen uns über das, was da ist. Nicht zuletzt freuen wir uns darüber, in einem Land zu leben, in dem das Gesundheit­ssystem und auch die soziale Abfederung noch halbwegs funktionie­ren. Man muss nicht weit fahren, um zu erkennen, dass es auch weniger geschmeidi­g geht.

Und wenn die Sehnsucht nach dem Meer, den Bergen oder Balkonien doch zu groß wird, maximal zwei Anrufe genügen, schon geht es morgen ab nach Caorle, ins Montafon oder sonst wohin. Platz wäre dort noch genug. Schau ma mal.

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