Erwachsenwerden mit dem altersmilden Freud
Free-TV-Premiere für „Der Trafikant“
Frisch vom Land kommt der 17-jährige Franz (Simon Morzé) nach Wien, wo er in einer Trafik anfangen soll.
Einer der Stammkunden: Sigmund Freud – gespielt von Bruno Ganz. „Der Trafikant“war sein letzter Film. Die ARD zeigt die Kino-Verfilmung des gleichnamigen Robert-Seethaler-Romans heute (Dienstag) um 22.45 Uhr (im ORF soll es im Herbst so weit sein).
Im Zentrum steht die Trafik von Otto (Johannes Krisch), der im Ersten Weltkrieg ein Bein verloren hat und mit seinem Geschäft seinen Lebensunterhalt verdienen muss. Menschen aus allen Schichten kommen herein: vom Kommunisten in Lederjacke bis zum Bürger im Anzug, von der Frau Doktor bis zum Herrn Professor.
Nichts Besseres zu tun
Bruno Ganz gibt einen altersmilden und skeptischen Sigmund Freud, den seine Patienten langweilen und den nichts mehr erschüttern kann.
Der junge Franz ist fasziniert von ihm, er will alle Werke des Psychologen studieren, der entgegnet entsetzt: „Um Himmels Willen, hast du nichts Besseres zu tun?“
Als Franz sich in Anezka (Emma Drogunova) verliebt, hofft er vergeblich auf Rat vom Professor. Der sagt bloß weise: „Von der Liebe versteht niemand irgendetwas.“
Der 17-Jährige, überzeugend gespielt von Simon Morzé (Sohn von Petra Morzé und bekannt u. a. aus „Schnell ermittelt“), mag jung, unbedarft und naiv sein, aber er ist auch menschlich, neugierig und hartnäckig: Er kämpft um Anezka und hält zu seinem Chef Otto, den die Nazis verhaften.
Immer wieder wird der realistisch erzählte Film von Vorstellungen und Traumbildern unterbrochen, die die Gedanken von Franz wiedergeben. Die politischen Hintergründe der 1930er-Jahre thematisiert Regisseur Nikolaus Leytner („Die Kinder der Villa Emma“, „Südpol“) eher unterschwellig, trotzdem werden sie sehr deutlich.
Die braune Ideologie sickert ein und breitet sich aus. Als die Nazis Franz das „Ableben“Ottos mitteilen und ihm ein Paket mit dessen Sachen schicken, trifft sich der 17-Jährige ein letztes Mal mit Freud, der ins Exil nach London flieht. Auch Franz will ein Zeichen setzen und fasst einen folgenschweren Entschluss.
„Der Trafikant“bildet den Abschluss der diesjährigen „SommerKino“-Reihe der
ARD. Auch Seethalers „Ein ganzes Leben“wird übrigens verfilmt.