Die neue Zettelwirtschaft
Betriebe sollen Daten ihrer Gäste speichern, diese müssen sie aber nicht hergeben – und dürfen trotzdem ins Lokal. Droht das nächste Chaos? Die Gesetzesnovelle im Check
Wenn im Herbst die nächste Novelle kommt, sollen Wirte die Daten ihrer Gäste 28 Tage lang speichern müssen. Aber die Registrierung erfolgt auf freiwilliger Basis. Damit scheint das nächste Chaos programmiert
Neben dem Desinfektionsspender liegt beim Eingang des Gasthofs von Thomas Mayr-Stockinger ein Zettel: Name, eMail-Adresse und Telefonnummer sollen seine Gäste dort eintragen.
Das Ergebnis am Ende des Tages? „Sehr dürftig.“Kaum ein Gast gibt freiwillig seine persönlichen Daten her – so die Erfahrung laut dem Gastronomen und Obmann seiner Sparte bei der Wirtschaftskammer Oberösterreich. In diesem Bundesland ist die Datenerfassung im Kampf gegen Corona seit Anfang Juli „dringend empfohlen“.
Die Bundesregierung plant nun eine bundesweite Verpflichtung von Betrieben, Vereinen und Veranstaltern, die persönlichen Daten ihrer Besucher, Kunden und Mitarbeiter für 28 Tage zu speichern und den Gesundheitsbehörden zur Verfügung zu stellen. Wenn also ein Gast positiv getestet wird, sollen jene, die mit ihm am Tisch saßen und sich angesteckt haben könnten, rascher ausfindig gemacht werden.
Mayr-Stockinger ist nach den Erfahrungen in Oberösterreich skeptisch, ob so eine Pflicht sinnvoll ist. Und seine Bedenken teilen viele Kollegen (siehe rechts). Worum es geht – und wo es haken dürfte:
Datenerfassung ist ein ! zusätzlicher Aufwand Mayr-Stockinger macht seine Gäste nicht extra auf das Datenblatt aufmerksam (die Vorlage des Oberösterreich Tourismus sehen Sie auf der Seite 1 des KURIER). „Es fehlt uns schlicht die Zeit.“Es sei außerdem nicht notwendig: Ein Wirt kenne seine Stammgäste, und sonst gebe es ja noch Daten von der Reservierung.
So sieht es auch Mario Pulker, Gastro-Obmann bei der Wirtschaftskammer Österreich: „Wir spielen sicher nicht Daten-Sheriff, indem wir unseren Gästen befehlen: Schreiben Sie sich da ein, und zwar leserlich. Die Zeit haben wir im Tagesgeschäft nicht.“
Nun ist ein erwartbarer Reflex, dass sich ein Unternehmer ungern zusätzliche Arbeit aufhalsen lässt. In diesem Fall befürchten die beiden WirteSprecher aber auch, dass der Aufwand umsonst ist. Denn:
Gäste können sich weigern, ! Daten herzugeben Im Gesetzesentwurf ist nur von einer Verpflichtung der Betriebe die Rede. Sie müssen Daten speichern, in deren Verarbeitung die Gäste „ausdrücklich eingewilligt“haben. Heißt: Die Gäste müssen die Daten nicht zur Verfügung stellen, und ihnen kann dann auch nicht der Zutritt verwehrt werden. „Wir haben keine Handhabe. Die Regelung wäre absurd“, sagt GastroSprecher Pulker. Dazu kommt:
Die angegebenen Daten ! müssen nicht stimmen Der Wirt kann von seinem Gast keinen Ausweis verlangen, sagt Pulker. Ein Gast könnte theoretisch einen Fantasienamen hinschreiben.
In der Schweiz und in Deutschland ist das Datenblatt bereits Pflicht (siehe unten rechts). Und dort seien erstaunlich viele „Max Mustermanns“unterwegs, sagt der Gastronom scherzhaft. Aber im Ernst: „Wir lassen uns nicht veralbern. Der Aufwand ist umsonst, wenn nicht gewährleistet werden kann, dass die Daten vollständig und richtig sind.“
Datenerfassung könnte ! Gäste abschrecken
Es gebe gute Gründe, so Mayr-Stockinger, dass die
Datenerfassung in Oberösterreich freiwillig ist: „Unsere Gäste sollen sich wohl und sicher fühlen, aber niemand will gläsern sein. Es geht bei solchen Maßnahmen um ein Miteinander.“
Auch Pulker ist dagegen, „Gäste in der Corona-Zeit noch zusätzlich zu verschrecken“. Er hält nichts von der „Zettelwirtschaft“, die der aktuelle Plan von Gesundheitsminister Rudolf Anschober zur Folge haben könnte. Kein Problem hätte er hingegen mit einer App, die breiter angelegt wäre. Der Gastro-Sprecher der Wirtschaftskammer stellt sich das so vor: „Nur, wer diese App nutzt, darf gewisse Bereiche des öffentlichen Lebens betreten – Gastronomiebetriebe ebenso wie Bus, Bim oder Veranstaltungen.“
Paket kommt im Herbst
Wie geht’s weiter? Die Novelle ist noch bis Freitag, 28. August, in Begutachtung. Institutionen, aber auch einzelne Bürger können bis dahin Stellungnahmen abgeben. Der vorliegende Text könnte dann noch ergänzt oder präzisiert werden, heißt es aus dem Ministerium. Etwa die Stelle, in der nur von einem „Aufbewahren“der Daten für 28 Tage die Rede ist. Wie ein Betreiber an die Daten seiner Kunden kommt, ist noch nicht klar.
Klar ist aber der politische Wille: „Ein effizientes Kontaktpersonen-Management ist Voraussetzung für eine erfolgreiche Bekämpfung der Ausbreitung des Virus“, erklärte der grüne Minister Anschober jüngst. Und diese Maßnahme soll dabei helfen.
Die Novelle des Covid-19Gesetzes und des Epidemiegesetzes soll im September im Nationalrat eingebracht werden. Das Paket könnte dann mit Anfang Oktober in Kraft treten. Enthalten sind darin auch die gesetzlichen Grundlagen für die Corona-Ampel in den Bezirken sowie neue Rahmenbedingungen für den Mindestabstand und künftige Ausgangsverbote.