Kurier

Erdoğan versteht nur Härte

- VON ULRIKE BOTZENHART ulrike.botzenhart@kurier.at

Klare Kante zeigen: Das macht Bundeskanz­ler Sebastian Kurz im Rahmen seiner Möglichkei­ten gegenüber dem türkischen Autokraten Recep Tayyip Erdoğan, wo immer es geht. Und zu kritisiere­n gibt es in der Türkei unter dem Autokraten mehr als genug – nicht erst seit dem vereitelte­n Putschvers­uch im Juli 2016 und der darauffolg­enden Verfolgung­swelle aller Andersdenk­enden durch Erdoğan und seine Gefolgsleu­te. Von einer unabhängig­en Justiz im Land, das offiziell noch immer den Status eines EU-Beitrittsk­andidaten hat, kann keine Rede sein, von Meinungsfr­eiheit und dem Schutz von Minderheit­en auch nicht.

Dazu kommen – wie immer, wenn ein Autokrat innenpolit­isch geschwächt ist – außenpolit­ische Manöver. In etlichen Ländern des Mittelmeer­raumes will Erdoğan politisch und zum Teil auch militärisc­h mitmischen. Von Zypern über Syrien bis Libyen. Im riskanten Muskelspie­l mit dem alten Feind und Nachbarn Griechenla­nd startete das türkische Militär am Sonntag eine Militärübu­ng vor Zypern. Bezeichnen­der Name: „Mittelmeer-Sturm“.

Im östlichen Mittelmeer verschärft sich seit Wochen der Streit zwischen den beiden NATO-Staaten um unter dem Meeresbode­n vermutete Erdgasvork­ommen. Militärisc­hes Muskelspie­l gibt es auf beiden Seiten, so wie sich beide Seiten mit Verweis auf unterschie­dliche Abkommen im Recht fühlen. Dass der türkische Verteidigu­ngsministe­r medienwirk­sam mit einem Kampfjet flog und offen von einem möglichen Krieg geredet wird, muss überall die Alarmglock­en schrillen lassen. Zu allem Überdruss mischt auch noch Russland mit: Ab Dienstag lässt Moskau seine Marine nahe der Insel Zypern mit scharfer Munition Schießübun­gen durchführe­n. Und was machen die USA? Sie kündigten die ersten Rüstungsli­eferungen an die Republik Zypern seit Jahren an. Die NATO steht vor einem gewaltigen Problem.

Kanzler Kurz hat in den vergangene­n Tagen die EU-Staaten zu „voller Solidaritä­t mit Griechenla­nd“aufgerufen und zu Einigkeit im Schutz der EU-Außengrenz­en. Er betonte auch, die EU dürfe sich nicht vom türkischen Präsidente­n Erdoğan erpressen oder bedrohen lassen. Stichwort: Flüchtling­sdeal. Und er warf Erdoğan den Versuch vor, Türken oder türkischst­ämmige Menschen, die in Westeuropa leben, für seine Zwecke zu instrument­alisieren. All das brachte offenbar das Blut des türkischen Außenminis­ters in Wallung: „Die eigentlich­e große Bedrohung für die EU und deren Werte stellt die verzerrte Ideologie dar, die Kurz vertritt“, wetterte Mevlüt Çavuşoğlu.

Man fragt sich, in welcher Welt er lebt, angesichts dessen, was sich im Mittelmeer­raum derzeit zusammenbr­aut – unter Federführu­ng seines Staatschef­s.

Kritik von Kanzler Kurz lässt in Ankara die Wutmaschin­e anlaufen – derweil bringen sich im Mittelmeer die alten Erzfeinde in Stellung

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