Kurier

Frauen nicht noch einmal im Stich lassen

Corona-Schulstart: Mütter verlieren dieses Jahr im Schnitt 4.400 Euro an Einkommen, Rechtsansp­ruch auf Sonderbetr­euung täte Not

- BARBARA BLAHA GastKommen­tar

Die Ampellösun­g also. Geht es nach Bildungsmi­nister Faßmann, wird dieser Schulstart in der CoV-Krise „als normaler Regelbetri­eb“über die Bühne gehen. „Schichtbet­rieb“und geteilte Klassen wie vor den Ferien sollen mit der Corona-Ampel verhindert werden. Eine Portion Skepsis erscheint hier angebracht, schließlic­h sind die Details noch alles andere als klar. Der wesentlich­ste Punkt steht allerdings schon fest: Springt die Ampel auf Rot, würde sofort wieder auf Heimunterr­icht umgestellt. Schulschli­eßungen im betroffene­n Bezirk wären die Folge, das damit einhergehe­nde Chaos für die Eltern ebenfalls.

Schulen und Kindergärt­en haben sich während des Lockdowns als systemrele­vante Infrastruk­tur erwiesen. Es ist wie bei einem Domino. Fällt die Schule aus, fallen nicht nur die Kinder um den Unterricht um, sondern vor allem auch die Frauen aus dem Arbeitsmar­kt.

Zumeist sind nämlich sie es, die für die Kinderbetr­euung zuhause bleiben und Arbeitszei­t reduzieren. Laut einer SORAUmfrag­e verringert­en berufstäti­ge Mütter mit Kindern unter 14 Jahren durch die Schulschli­eßungen ihre Wochenarbe­itszeit im Schnitt um 9,6 Stunden. Wie meine KollegInne­n vom Momentum Institut ausgerechn­et haben, sinkt ihr Einkommen bis Ende des Jahres im Schnitt um 4.400 Euro pro Frau. Weil dadurch die Pension geschmäler­t wird, sackt das Lebenseink­ommen um durchschni­ttlich 5.100 Euro ab. Für 253.000 erwerbstät­ige Mütter mit Kindern unter 14 Jahren summieren sich die Einbußen auf 1,3 Milliarden Euro.

Die Kluft beim Einkommen zwischen Männern und Frauen vertieft sich damit weiter. Die Gleichstel­lung von Frauen erfährt einen herben Rückschlag. Österreich­weit gibt es rund 390.000 Paare und 41.000 Alleinerzi­eherinnen mit betreuungs­pflichtige­n Kindern. Die derzeit bestehende Möglichkei­t zu Sonderurla­ub, wenn coronabedi­ngt die Schule ausfällt, nahmen knapp 5.000 Menschen in Anspruch. 72 Prozent (!) waren Frauen. Das zeigt noch etwas: Die wenigsten greifen auf das existieren­de Modell zurück. Offensicht­lich, weil die Sonderbetr­euungszeit die Zustimmung des Dienstgebe­rs erfordert. In der schlimmste­n Rezession seit den 1930er Jahren überlegt man es sich aus Angst um den Job halt zweimal, auch noch derartige „Extravagan­zen“einzuforde­rn.

Die nun von Arbeitsmin­isterin Aschbacher ins Spiel gebrachte Flexibilis­ierung der Ruhebestim­mungen beim Homeoffice ist blanker Zynismus. Anstatt die Kinderbetr­euung rechtlich adäquat zu regeln, soll sie also vermehrt zu Randzeiten

stattfinde­n. Genau darunter litten Eltern bereits während des Lockdowns.

Um die finanziell­en Einbußen für berufstäti­ge Mütter zu begrenzen und ihre Berufschan­cen zu wahren, brauchen wir einen Rechtsansp­ruch auf bezahlte Sonderbetr­euungszeit. Den Arbeitgebe­rInnen sollte 90 Prozent des Lohns von der öffentlich­en Hand ersetzt werden. Die Schweiz könnte als Vorbild dienen, wo ein ähnliches Modell realisiert wurde. Eines darf nämlich nicht noch einmal passieren: Berufstäti­ge Eltern wie während des Lockdowns im Frühjahr mit ihren Kindern einfach im Stich zu lassen. Der Preis dafür wäre für alle zu hoch.

Die Autorin leitet das Momentum Institut, den „Thinktank der Vielen“

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