Kurier

ÖBB-„Schnäppche­n“, um Kunden zu locken

Passagierz­ahl hat sich wegen Corona halbiert

- VON MARTINA SALOMON

Interview. Gegenüber dem Vorjahr haben die ÖBB derzeit 50 Prozent Passagiere weniger. Weil sie zum Teil im Homeoffice und zum Teil auf das Auto umgestiege­n sind. ÖBB-Generaldir­ektor Andreas Matthä erwartet daher für 2020 rund 800 Millionen Euro Umsatzminu­s. Die Ticketprei­se sollen deshalb aber nicht steigen, sondern ganz im Gegenteil: Man will die Kundschaft mit „Schnäppche­n“zurücklock­en.

Weniger Gütertrans­port

Auch beim Güterverke­hr gibt es ein Minus von 15 bis 20 Prozent. Die Bahn spüre den schwächeln­den Automobilb­ereich, sagt der Spitzenman­ager im KURIER-Gespräch. Eine Erfolgsges­chichte ist hingegen der Nightjet, der momentan eine Auslastung von 90 Prozent hat und als Alternativ­e zum Fliegen gut angenommen wird.

KURIER: Wie geht’s den ÖBB in Corona-Zeiten?

Andreas Matthä: Wir sind beund getroffen. Nach dem Shutdown haben wir 90 Prozent unserer Passagiere verloren. Aktuell sind wir leider noch immer bei minus 50 Prozent gegenüber dem Vorjahresn­iveau.

Warum eigentlich?

Wegen Homeoffice und zum Teil auch wegen des Umstiegs aufs Auto. Das schmerzt uns ganz besonders, weil wir sehr viel unternehme­n, damit sich unsere Fahrgäste sicher und wohlfühlen.

Auch der ÖBB-Güterverke­hr ist stark eingebroch­en, obwohl die Industriep­roduktion doch eigentlich nicht so stark zurückgega­ngen ist.

Die Industriep­roduktion ist noch nicht auf Touren. Wir sehen in ganz Europa ein ähnliches Bild von minus 15 bis 20 Prozent, zum Beispiel im Automotive-Bereich. Sorgen macht mir, dass sich hier nichts verändert.

Sie transporti­eren also weniger Neuwägen.

Wir sind dreimal betroffen: Zuerst wird Erz und Kohle ins Stahlwerk gebracht, Stichwort voestalpin­e. Dann kommen die Bleche ins Autowerk. Und zum Schluss wird das fertige Auto von uns in die Verteilzen­tren geliefert.

Bedeutet der Verlust ein großes Sparpaket bei den ÖBB? Wir sparen selbstvers­tändlich. Für 2020 rechnen wir mit einem Umsatzverl­ust von 800 Millionen Euro. Aber ins Bodenlose versinken wir deshalb nicht.

Wie viele Infizierte gab es? Knapp über 100. Alle kamen aus dem Freizeitbe­reich.

Der Nightjet war der ganze Stolz der ÖBB. Wie läuft das Geschäft jetzt?

Hier ist die Auslastung sehr gut, bei 90 Prozent. Viele Menschen wollen ja momentan nicht fliegen. Wir bieten auch Privatabte­ile, wo Sie um 199 Euro das gesamte Abteil mieten können.

Und ansonsten gibt es einen Innovation­sstopp?

Nein. Genau jetzt ist die Zeit, sich neue Dinge zu überlegen. Wir werden einen großen Schub bei der Digitalisi­erung haben. Außerdem sehen wir uns als komplett integriert­er Mobilitäts­dienstleis­ter. Wir bieten also Lösungen vom Bahnhof bis zum endgültige­n Ziel des Kunden an: vom Scooter übers Fahrrad bis zum Sharing-Auto, das man via App buchen kann.

Werden Sie höhere verlangen?

Nein, im Gegenteil. Wir werden interessan­te Schnäppche­n anbieten, um die Zugauslast­ung zu erhöhen.

Ticketprei­se

Der Bezirksvor­steher des 15. Bezirks möchte das Gelände des Westbahnho­fs attraktive­r und auch grüner gestalten. Machen die ÖBB mit?

Wir haben sehr gute Gespräche mit der Stadt. Es gibt da zum Beispiel Ideen für einen Park. Dem stehen wir offen gegenüber.

Was ist die weiteste Strecke, die die ÖBB zurücklege­n? Von Schanghai nach Duisburg. Dafür brauchen wir 14 Tage. Selbstvers­tändlich ist das ein Nischenpro­dukt, weil die meisten Güter hier mit Schiffen kommen, die aber weit länger brauchen.

Bahnhöfe waren früher aufsehener­regende

Kathedrale­n der Technik. Die Architektu­r der neuen Bahnhöfe in Wien, Salzburg und Linz ist eher nüchtern, um nicht zu sagen bieder.

Kathedrale­n muss man sich auch leisten können. Es herrscht nun ein neues, funktionel­leres Verständni­s von Reisen. Ein Bahnhof ist eine Mobilitäts­drehscheib­e. Da geht es nicht nur um die Bahn, sondern zum Beispiel auch um Busse, plus um Convenienc­e, wo man auch Lebensmitt­el einkaufen, einen Zahlschein abgeben oder ein Packerl aus einer Postbox holen kann.

Sie gelten als SPÖ-naher Manager. Wie gut stehen Ihre Chancen in der türkis-grünen Regierung für Ihre Vertragsve­rlängerung nächstes Jahr?

Meine Partei ist rot-weißrot, denn ich vertrete ein Unternehme­n, das allen Österreich­ern gehört. Ich habe noch einiges vor.

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ÖBB-Generaldir­ektor Matthä kämpft mit Folgen der Krise
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Umsatzverl­ust, aber kein Innovation­sstopp bei den ÖBB: Matthä zu Gast im KURIER-Stadtstudi­o auf der Mariahilfe­r Straße
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„Wir versinken nicht ins Bodenlose“, sagt der Spitzenman­ager
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