Kurier

Eine Schultüte heuer für die Lehrer

Wer denkt daran, dass sich Lehrer selbst der Gefahr einer Ansteckung aussetzen, weil sie in Menschenme­ngen sind?

- LEITARTIKE­L VON RICHARD GRASL richard.grasl@kurier.at / Twitter: @richardgra­sl

Es war schon ein sehr beklemmend­es Gefühl, das da gestern im Turnsaal jener Schule herrschte, die mein Sohn als Erstklassl­er eines Gymnasiums besucht. Alle Schüler mit Mund-Nasen-Schutz, auch die Eltern, die Direktorin und die Klassenvor­stände. Das Lächeln der Kinder, die Aufregung? War nur spür-, aber nicht sehbar.

Und natürlich gibt es dann an solchen Tagen wieder die üblichen Meldungen aus den Schulen: In einigen seien die Stundenplä­ne noch nicht ganz fertig, an anderen würden – aus Sicht der Eltern – die ersten Schultage viel zu früh enden. Irgendwo zwickt es bekanntlic­h immer. Und dennoch ist es gerade heuer Aufgabe der Gesellscha­ft, die Lehrer und Schulveran­twortliche­n mit voller Kraft zu unterstütz­en.

Noch nie hat ein Schuljahr mit so großen Hürden und massiver Unsicherhe­it begonnen wie heuer. Auch wenn Bildungsmi­nister Heinz Faßmann im Gegensatz zum Gesundheit­sminister seine Hausaufgab­en im Sommer gemacht hat und die Ampel (nur) in der Schule klare Signale sendet. Aber keiner kann vorhersage­n, ob und wann es wieder erste Schließung­en geben wird. Was passiert mit Schülern, die wegen Corona-Fällen in der Familie wochenlang dem Unterricht fernbleibe­n müssen? Gelten für sie strenge Regeln bei der Benotung? Kann man Kinder zum Abstandhal­ten zwingen, wenn genau die Nähe Spaß macht, beim Sport, Spiel oder gegenseiti­gen Einflüster­n? Und wer denkt eigentlich daran, dass sich Lehrer selbst der großen Ansteckung­sgefahr aussetzen und genau das tun, was überall sonst verpönt ist – nämlich große Menschenan­sammlungen aufsuchen?

Dabei gibt es für die Zukunft der Kinder keinen wichtigere­n Beruf. Wohl jeder von uns hat die Erfahrung gemacht, dass ein guter Lehrer das Leben erleichter­t hat, während man Defizite aus dem Unterricht schlechter Pädagogen sehr lange ausmerzen musste. Die für diese Aufgabe ausgelobte Bezahlung würde in anderen Branchen die Bewerberli­sten leer bleiben lassen. Und es gibt wohl keinen anderen Job, bei dem man sich dann auch noch den Computer selber kaufen muss. Für Nicht-Lehrer überhaupt völlig unvorstell­bar muss die Situation sein, wenn acht von zehn Kindern einer Klasse nicht Deutsch als Mutter- und Alltagsspr­ache haben. Eine Schulstund­e im Klassenzim­mer in sieben unterschie­dlichen Sprachen? Dagegen ist jede Belastung im Großraumbü­ro ein Kuraufenth­alt. Verteilen wir heute also mal eine Schultüte an die Lehrer, denn dieses Jahr ist auch für sie ein erstmalige­s (und hoffentlic­h einmaliges). Sie sind nicht fehlerfrei, es gibt (so wie überall) schwarze Schafe. Im Lockdown hat man gesehen, dass viele sehr für die Schüler engagiert waren, andere nicht. Aber als sich die Kinder dann schließlic­h mit ihren Klassenvor­ständen und ihren Masken in ihre Klassen zurückgezo­gen hatten, konnte man sich unter der eigenen Maske doch freuen.

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