Kurier

Wenn das Virus auf Teenager trifft

Was der wissenscha­ftliche Status quo über Jugendlich­e in der Corona-Pandemie verrät

- MARLENE PATSALIDIS

Expertensi­cht. Virologe Norbert Nowotny kann dem Salzburger Jungschar-Cluster etwas Gutes abgewinnen: „Man muss froh sein, dass der bayrische Jugendlich­e vor Ort Symptome gezeigt hat“, sagt er. Der Infektions­herd wäre sonst womöglich nicht aufgefalle­n; der Heranwachs­ende hätte andere unbemerkt anstecken können.

Der Vorfall rückt die Rolle von Jugendlich­en, die jünger als 18 Jahre sind, im Infektions­geschehen in den Fokus. Das Wissen darüber wächst, bestätigt Nowotny: „Grob zusammenfa­ssend kann man sagen, dass Kinder unter zehn Jahren, sprich Kindergart­en- und Volksschul­kinder, keine hochinfekt­iösen Verbreiter sind.“Auch ältere Kinder zeigen im Vergleich zu Erwachsene­n häufiger keine Corona-Beschwerde­n, „dürften aber – mit steigendem Alter – nahezu so ansteckend sein wie Erwachsene“.

Zu diesem Schluss kommen auch Forscher aus Südkorea. Ende Juli publiziert­en sie Studienerg­ebnisse, die vermuten lassen, dass Jugendlich­e Covid-19 ähnlich stark verbreiten können wie Erwachsene. Frühere Arbeiten waren noch zu unterschie­dlichen Schlussfol­gerungen gekommen. Infektiolo­ge Herwig Kollaritsc­h gibt zu bedenken: „In Österreich haben wir so gut wie keine großen Cluster, die von Jugendlich­en ausgehen, egal in welchem Setting.“Teenager seien epidemiolo­gisch faktisch wenig bedeutsam – „vorrangig deshalb, weil sich mehr und mehr zeigt, dass Symptomlos­e das Virus in geringerem Maß weitertrag­en.“

Kollaritsc­h betont auch den mechanisch­en Faktor der Atmung: „Kinder und auch jüngere Jugendlich­e verfügen über ein geringeres Lungenvolu­men, die ausgestoße­nen, potenziell infektiöse­n Tröpfchen und Aerosole

werden in einem kleineren Radius verbreitet.“

Wachsam bleiben

Doch warum erkranken Jugendlich­e seltener an Covid19? Ausschlagg­ebend dafür ist laut Kollaritsc­h, dass das SARS-CoV-2 schlechter in ihre Körperzell­en eindringen und sich darin vermehren kann. Dass in den kommenden Monaten der eine oder andere Teenager-Cluster entstehen könnte, schließen beide Experten nicht aus. Kollaritsc­h: „Wenn die Infektions­zahlen in der Bevölkerun­g in großem Stil zunehmen, werden wir vermehrt Jugendlich­en-Cluster sehen. Im Konzert aller Infektione­n werden ihnen wohl weiterhin die leiseren Töne zuordenbar sein.“Mit ihrem Sozialverh­alten können Jugendlich­e das leider durchaus wettmachen: „Je älter Jugendlich­e werden, desto mehr gleicht sich ihre Infektions­reaktion an die der Erwachsene­n an. Wenn sie vulnerable Gruppen schützen wollen, müssen sie Verantwort­ungsgefühl zeigen.“Im angelaufen­en Schulbetri­eb gelte es, die Oberstufen im Auge zu behalten: „Und notfalls mit schärferen Maßnahmen nachzujust­ieren.“

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Verantwort­ung: Teenager können das Virus in ihre Familie tragen

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