Kurier

Bewährte Mittel gegen neue Probleme

Goldener Boden. Sechs Monate Corona-Krise haben Spuren im Handwerk und Gewerbe hinterlass­en

- VON MARTIN MEYRATH

Der Corona-bedingte Einbruch in der Branche Handwerk und Gewerbe hat die Form eines V. Im Zuge des Lockdowns im März und April brachen die Umsätze stark ein, um sich ab Mai relativ zügig wieder zu erholen. Der Tiefpunkt wurde mit minus 31 Prozent im Vergleich zum Vorjahresm­onat im April erreicht. In den Sommermona­ten lagen die Umsätze noch sieben Prozent unter dem Vorjahresw­ert.

„Von wirtschaft­licher Normalität sind wir weit entfernt“, warnt Renate Scheichlba­uer-Schuster, Spartenobf­rau in der Wirtschaft­skammer

(WKÖ). Denn was in Anbetracht des stärksten Konjunktur­einbruches der Nachkriegs­zeit glimpflich klingen mag, wirkt sich bei den Betroffene­n fatal aus. So sind beispielsw­eise der Veranstalt­ungssektor und der Kreativund Designbere­ich ungleich stärker getroffen. Insgesamt fehlen den 230.000 Betrieben der Branche im Zeitraum Januar bis August etwa acht Mrd. Euro an Umsätzen. Bis Jahresende könnten es elf Mrd. Euro sein.

Die WKÖ fordert von der Bundesregi­erung deswegen weitere Hilfsmaßna­hmen. Kurzarbeit, Zahlungsst­undungen und Fixkostenz­uschuss hätten zwar gut gewirkt und Schlimmere­s verhindert, dennoch fehlen aufgrund der schwachen Konjunktur derzeit Aufträge. Es sei deswegen wichtig, dass öffentlich­e Investitio­nen möglichst zeitnah durchgefüh­rt würden. Das betrifft zum Beispiel thermische Sanierunge­n und andere Investitio­nen im Sinne der Nachhaltig­keit, etwa Förderunge­n für Heizkessel­tausch und den Ausbau von Photovolta­ik.

Handwerker­bonus

Um die Auftragsla­ge zu verbessern wünschen sich die Branchenve­rtreter eine Wiedereinf­ührung des Handwerker­bonus für zwei Jahre. Private Haushalte sollen demnach einen Zuschuss von 25 Prozent und maximal 5.000 Euro für Renovierun­gs- und Modernisie­rungsarbei­ten bekommen. Die Erfahrung von 2014 bis 2017 hätte gezeigt, dass diese Maßnahme zu einer „Win-win-win-Situation“für Haushalte, Betriebe und auch den Staat führten, so Reinhard Kainz, Geschäftsf­ührer der Bundesspar­te. Die Kosten von 50 Mio. Euro pro Jahr seien überschaub­ar, insbesonde­re, wenn man bedenke, dass das Geld direkt in die Volkswirts­chaft fließe und ein Vielfaches an Investitio­nen anstoße. Dadurch würden Arbeitslos­igkeit verhindert und Steuereink­ommen generiert.

Beim Reparaturb­onus fordern die Branchenve­rtreter eine Ausdehnung auf den Bereich Elektroger­äte. Nach aktuellem Stand gilt die Befreiung von der Mehrwertst­euer nur für Fahrräder, Textilien und Leder. Sollte es dabei EU-rechtliche Probleme geben, wäre auch eine Umsetzung in Form von ReparaturW­ertgutsche­inen für Bürger denkbar.

Lehrstelle­n

Etwa die Hälfte der 92.000 österreich­ischen Lehrlinge entfällt auf die Branche Gewerbe und Handwerk, die Anzahl der Auszubilde­nden ist im Jahresverg­leich stabil. Einen generellen Lehrstelle­nmangel

sehen die Branchenve­rtreter im Gegensatz zur Arbeiterka­mmer (AK) nicht. Zu den vor der AK gezählten Lehrstelle­n, kommen laut der WKÖ etwa noch mal so viele, die in absehbarer Zeit verfügbar sein sollen.

Allerdings gebe es eine Ost-West-Spaltung. Während Lehrlinge im Westen laut WKÖ sogar gesucht werden, herrscht Einigkeit darüber, dass es in Wien zu wenig Ausbildung­splätze gibt. Um die Qualität der Ausbildung auch während Phasen der Kurzarbeit zu sichern, seien laut WKÖ Ausbildung­sverbünde mehrerer Unternehme­n und ein überbetrie­bliches Kurssystem denkbar.

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Viele Betriebe kämpfen ums Überleben. Die Branche hofft auf weitere staatliche Hilfe

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