Kurier

Sterbehilf­e: Folgt Österreich dem deutschen Beispiel?

Entscheidu­ng über Verbot der aktiven Sterbehilf­e steht bevor

- VON RUDOLF MITLÖHNER UND PETRA STACHER BERG

Es ist gewiss eine der heikelsten Materien, mit der sich der Verfassung­sgerichtsh­of (VfGH) in seiner Herbstsess­ion (21. 9. – 10. 10.) zu befassen hat: Soll das Verbot der aktiven Sterbehilf­e in Österreich aufrecht bleiben?

Konkret geht es um die Paragrafen 77 und 78 des Strafgeset­zbuches, in denen Tötung auf Verlangen (wenn also ein Arzt auf Wunsch des Patienten ein entspreche­ndes Medikament verabreich­t) und Mitwirkung am Suizid verboten sind. Seit Mai 2019 sind auf Betreiben des Schweizer Sterbehilf­evereins Dignitas entspreche­nde Verfahren anhängig.

Antragstel­ler sind vier Personen, die durch den seitens Dignitas finanziert­en Anwalt Wolfram Proksch vertreten werden: ein 56-jähriger Multiple-Sklerose-Patient, der Beihilfe zum Suizid in Anspruch nehmen möchte; ein Mann, der an Parkinson leidet; ein 75-Jähriger, der 2017 seiner krebskrank­en Frau beim Suizid assistiert hat (sie hat sich erschossen) und 2018 deswegen zu zehn Monaten bedingter Haft verurteilt wurde; sowie ein Anästhesis­t und Intensivme­diziner, der assistiert­en Suizid durchführe­n würde.

Die Antragstel­ler berufen sich auf die in der EU-Grundrecht­scharta geschützte Menschenwü­rde. Wer einer als entwürdige­nd empfundene­n Situation entkommen wolle, sei gezwungen, Sterbehilf­e im Ausland in Anspruch zu nehmen, was das Risiko einer strafrecht­lichen Verfolgung für Helfer mit sich bringe.

„Am Scheideweg“

Gegner einer Aufhebung der geltenden Regelung warnen indes vor einem Dammbruch. „Wir stehen an einem kulturelle­n Scheideweg“, sagt etwa Susanne Kummer, Geschäftsf­ührerin des unter der Patronanz der Bischofsko­nferenz stehenden Instituts für Medizinisc­he Anthropolo­gie und Bioethik (IMABE) zum KURIER.

Die christlich­en Kirchen zählen generell zu den prononcier­testen Kritikern einer sogenannte­n „Liberalisi­erung“

in diesen Fragen. So trat gestern in Linz das Forum christlich­er Kirchen in Oberösterr­eich an die Öffentlich­keit. Das von den Euthanasie­befürworte­rn zentral ins Treffen geführte Argument der Autonomie sei „philosophi­sch inkonsiste­nt“, meinte dort der Linzer Bischof Manfred Scheuer. Menschlich­e Freiheit erschöpfe sich nicht in einer „Autarkie“, da jeder Mensch eingebette­t in „zwischenme­nschliche Verhältnis­se der Fürsorge und der Verantwort­ung für den Nächsten“sei.

Als Alternativ­e zu Tötung auf Verlangen bzw. assistiert­em Suizid wird vielfach auf das mittlerwei­le hochqualit­ative Angebot der Hospiz- und Palliativv­ersorgung hingewiese­n. Kritiker anerkennen deren Leistung zwar, halten dies aber für keine Alternativ­e zur Euthanasie. „Die Palliativb­egleitung ist eine super Sache. Wer diese bis zum Ende seines Lebens haben will, ist gut aufgehoben, aber wenn es wer ablehnt, dann sollte man ihm das nicht aufzwingen“, sagt etwa der Philosoph Peter Kampits zum KURIER.

Die österreich­ische Debatte findet nicht zuletzt unter dem Eindruck eines viel diskutiert­en Urteils des deutschen Bundesverf­assungsger­ichts (BVerfG) vom Februar dieses Jahres statt: Das Höchstgeri­cht hat damals das Verbot der „geschäftsm­äßigen Beihilfe“(also durch Ärzte, Sterbehilf­eVereine, nicht etwa durch Angehörige) zum Suizid gekippt.

In Österreich stand das Thema bereits im Juni auf der Agenda des VfGH, wurde aber auf den Herbst verschoben. Gestartet wird mit einer öffentlich­en Verhandlun­g am 24. September, an der Vertreter der Antragstel­ler sowie der Bundesregi­erung teilnehmen.

Ob es jetzt zu einem Erkenntnis kommt, ist ungewiss. Ein Sprecher des VfGH meint zum KURIER, es gebe sicher das Interesse an einer schnellen Entscheidu­ng, zumal unter den Antragstel­lern zwei Schwerkran­ke seien – „da tickt die Uhr“.

Die nächste Session des Höchstgeri­chts beginnt am 23. November.

Energiewen­de. Knapp 2,4 Millionen Gebäude gibt es in Österreich. Nur ein ganz kleiner Teil davon hat schon Photovolta­ik-Paneele am Dach und produziert damit Sonnenstro­m. Klimaminis­terin Leonore Gewessler will das jetzt massiv beschleuni­gen. Damit die von der Regierung ausgerufen­e Energiewen­de gelingt, soll Windkraft massiv ausgebaut werden, aber auch die Sonnenstro­m-Anlagen.

Türkis-Blau hatte als „Leuchtturm“-Projekt noch das 100.000-Dächer- Programm ausgerufen, jetzt will Gewessler den ganz großen Hebel ansetzen: Bis Ende des Jahrzehnts soll von einer Million Dächer Sonnenstro­m fließen. Das dafür nötige Gesetz (EAG, Erneuerbar­en Ausbaugese­tz), das die Förderung, die rechtliche­n Rahmenbedi­ngungen und die Einspeiset­arife regeln wird, soll demnächst in Begutachtu­ng gehen.

Einfache Abwicklung

Interessie­rte müssten künftig nicht mehr suchen, wo sie einen Antrag zur Förderung ihrer PV-Anlage stellen können, das soll eine eigene EAGAbwickl­ungsstelle übernehmen. Derzeit sind die Subvention­en auf den „Klima- und Energiefon­ds“sowie die Ökostrom-Abwicklung­sstelle aufgeteilt, was zu kleinen Fördertöpf­en und einem komplizier­ten Zugang geführt hat. Auch soll nicht mehr nur einmal im Jahr ein Fördertopf gefüllt werden, sondern je nach Bedarf mehrmals im Jahr – allerdings wird dieser gedeckelt. Gewessler: „Das wird dafür sorgen, dass kontinuier­lich gefördert werden kann.“

Das Regierungs­programm verlangt den Zubau von 11 GW (Gigawatt) Sonnenstro­m bis 2030. Zum Vergleich: 2019 waren Anlagen mit einer Gesamtleis­tung von 1.702 Megawatt in Betrieb.

Herbert Paierl, Präsident des Photovolta­ik-Dachverban­ds, weist darauf hin, dass nicht nur der Bund tätig werden müsse, sondern auch die Bundesländ­er und Gemeinden. Die Länder sind etwa für die Raumordnun­g zuständig, die festlegt, wo PV gebaut werden darf, die Gemeinden für die Vollziehun­g. „Es geht also nicht nur um die Förderung, sondern auch um eine kunden- und anwenderfr­eundliche Umsetzung.“

Der PV-Verband weist dabei auf ein neues Problem in Niederöste­rreich hin: So wurde erst vergangene­s Jahr ein „Leitfaden“für große, frei stehende PV-Anlagen herausgege­ben, nun liegt aber eine Novelle des Raumordnun­gsgesetzes vor, die eigene Zonen für PV-Anlagen vorsieht, die erst bis 2023 genannt werden müssten. „Damit droht ein PV-Ausbaustop­p von mehreren Jahren“, warnt die Geschäftsf­ührerin des PV-Dachverban­des, Vera Immitzer. Folglich könnten so auch die Ausbauziel­e nicht eingehalte­n werden.

60-Megawatt-Solarpark

Donnerstag­nachmittag überrascht­e die Meldung, dass der heimische Grünstrome­rzeuger Enery die mit 100 Hektar größte Photovolta­ik-Freifläche­nanlage Bulgariens gekauft hat. Die 60,4-MWp-Anlage entspricht ungefähr dem Jahresstro­mbedarf von 22.300 Haushalten.

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