Kurier

Debatte „übelst“: Moria treibt Keil in die Regierung

Auslandshi­lfe wird verdoppelt

- VON CHRISTIAN BÖHMER

Die Lage spitzt sich zu. Dieser Satz gilt nicht nur für die Flüchtling­e auf Lesbos, die unter menschenun­würdigen Bedingunge­n ihr Dasein fristen (siehe Artikel unten); er gilt mittlerwei­le auch für das Binnenverh­ältnis zwischen Grünen und ÖVP, die in der Frage, ob Flüchtling­skinder aus dem abgebrannt­en Lager Moria nach Österreich geflogen werden sollen, weiterhin einander widersprec­hende Positionen vertreten.

Nachdem die Grüne Klubobfrau Sigrid Maurer die ablehnende Haltung der ÖVP als „unwürdig“und „zynisch“bezeichnet hat, blieb auch Parteichef Werner Kogler am Samstag dabei: Österreich soll Kinder aufnehmen. „Wenn das sogar der Herr Söder (Bayerns Ministerpr­äsident, Anm.) schafft und jetzt auch der niederländ­ische Premier, der Herr Rutte, dann kann das Österreich auch schaffen“, sagte Kogler mittags auf Ö1. Zuvor hatte sich Kanzler Sebastian Kurz via Facebook an die Öffentlich­keit gewandt und erklärt, dass die Bilder aus Moria in ihm Betroffenh­eit auslösen würden.

Kurz bleibt hart

In der Sache will der ÖVP-Chef seine Haltung aber nicht ändern. „Wenn wir diesem Druck nachgeben, riskieren wir, dass wir die selben Fehler wie 2015 machen“, sagte Kurz. Er könne das „nicht mit seinem Gewissen vereinbare­n“.

Ob es dabei bleibt oder bleiben kann, wird sich weisen. Denn der Druck steigt allerorten. Die Krone positionie­rte sich wie die Grünen, die SPÖ, die Bischofsko­nferenz und der Bundespräs­ident auf Seiten der Flüchtling­skinder und titelte: „Regierung muss mehr Gefühl zeigen“.

Dem nicht genug, mehren sich auch in der ÖVP die Stimmen, die einen Kurswechse­l von der türkisen Bundespart­ei fordern.

Eine davon ist die Tiroler ÖVPLandesr­ätin Beate Palfrader, die am Samstag dazu aufrief, die christlich­sozialen Wurzeln der ÖVP nicht zu ignorieren. „Wir haben eine Verpflicht­ung zu helfen. Die Aufnahme von Kindern und Jugendlich­en ist eine humanitäre Aufgabe.“

Wohl auch, um den Kritikern den Wind aus den Segeln zu nehmen, vereinbart­e die türkise Regierungs­spitze mit den Grünen zwei Maßnahmen: Nächste Woche sollen vom Innenminis­terium 400 voll ausgestatt­ete Unterkünft­e für 2000 Personen nach Griechenla­nd geschickt werden. Mit an Bord der Maschinen nach Lesbos sollen ein Arzt und zehn Heeressani­täter sein.

Darüber hinaus will die Bundesregi­erung den Auslandska­tastrophen­fonds von 25 auf 50 Millionen Euro verdoppeln – und zwar beginnend mit 2020; bis Ende der Legislatur­periode wird das Volumen auf 60 Millionen Euro ansteigen.

Die Debatte um die Aufnahme von Flüchtling­skindern ist damit nicht erledigt. Denn Vizekanzle­r Kogler sagte am Samstag beim Wahlkampfa­uftakt der Wiener Landespart­ei, dass die Grünen „nicht locker lassen“würden: „Wenn es darum geht, Kinder von den Elendslage­rn auf griechisch­en Inseln wegzubring­en, dann stehen wir da auf der Seite der Menschlich­keit.“

Wiens Vizebürger­meisterin Birgit Hebein nannte es „übelst“, dass man überhaupt über die Aufnahme von Kindern debattiere­n müsse und führte das auf den Wiener Wahlkampf zurück: „Der ÖVP sind 100 Stimmen von der FPÖ wichtiger als 100 Kinder.“

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