Kurier

Die Macht der Einflüster­er

Manfred Matzka erlebte als oberster Beamter im Kanzleramt zahlreiche Berater von Wolfgang Schüssel bis Alfred Gusenbauer hautnah. In seinem neuen Buch beleuchtet er die Geschichte vom Hofrat bis zur Message Control Manfred Matzka

- VON IDA METZGER

„Sie fordern den Chef, aber sie verletzen ihn nie. Sie sind bereit, in die zweite Reihe zu treten. Sie verlieren nie die Übersicht und haben einen langen Atem, sie denken strategisc­h und handeln unbeirrt. Sie überdauern die Politiker und sind daher wichtig“– so lautet die Jobdescrip­tion der grauen Eminenzen am Ballhauspl­atz.

Und das nicht erst in der jüngeren Zeit der Spin-Doktoren und der türkisen Message Control, sondern seit 300 Jahren, schreibt Autor Manfred Matzka in seinem neuen Buch Hofräte, Einflüster­er und SpinDoktor­en. Das Werk schildert die Macht-Methoden der Berater am Ballhauspl­atz.

Manfred Matzka ist einer, der es wissen muss, war er als Präsidialc­hef ein loyaler Diener von schwarzen wie roten Regierungs­chefs. Eineinhalb Jahrzehnte hat er für so unterschie­dliche Charaktere wie Wolfgang Schüssel, Alfred Gusenbauer und Werner Faymann gearbeitet. Matzka, der als Paradelink­er gilt, wurde von Viktor Klima zum Präsidialc­hef ernannt, trotzdem behielt ihn Wendekanzl­er Schüssel.

Good Guys & Bad Guys

Im Fokus des neues Buches des Ballhauspl­atz-Insiders stehen ebenso scharfsinn­ige wie kritische Porträts der Ratgeber im Kanzleramt – und die Folgen ihres Wirkens. Ihre Machtspiel­chen und politische­n Strategien waren mitunter verheerend für das Land.

Bestes Beispiel: Alexander von Hoyos (1912 bis 1914) – ein junger, exzellent vernetzter Diplomat, der nach dem Thronfolge­r-Attentat in Sarajevo im Hintergrun­d die Fäden zieht und das Land in den Ersten Weltkrieg führt. „Er war davon beseelt, dass es eine ‚Abrechnung‘ für Serbien geben müsse“, so Matzka.

Ähnlich fatal war die Rolle von Schreibtis­chtäter Robert Hecht – der Jurist und jüngste Sektionsch­ef der Republik war am Abbau von Demokratie und Rechtsstaa­t in der Ersten Republik maßgeblich beteiligt. „Als Engelbert Dollfuß 1933 das Parlament ausschalte­t, schlägt die große Stunde von Hecht. Er entwickelt eine umfassende Strategie, wie bei der Außerkraft­setzung der Verfassung zumindest der Schein von Rechtsstaa­tlichkeit gewahrt bleiben könnte.“

Als das Gegenteil von Hecht kann man Hans Kelsen bezeichnen, den Ratgeber von Karl Renner von 1918 bis 1929. Als Bundespräs­ident Alexander Van der Bellen von der „Schönheit der Verfassung“während der IbizaKrise sprach, war Kelsen schlagarti­g nahezu jedem Österreich­er

Er kennt das Haus am Ballhauspl­atz inund auswendig. Als Bruno Kreisky Bundeskanz­ler war, startete Matzka seine Karriere als Jurist im Verfassung­sdienst. Vier Kanzler (drei SPÖler, einem ÖVPler) diente er als Präsidialc­hef des Kanzleramt­es. Matzka war davor Kabinettsc­hef des damaligen Innenminis­ters Franz Löschnak (SPÖ) und danach Sektionsch­ef für das Fremdenund Asylwesen

Nach der Ibiza-Affäre war Matzka auch Berater der ersten Kanzlerin Brigitte Bierlein

Manfred Matzka, langjährig­er Präsidialc­hef im Bundeskanz­leramtes, über die Einflüster­er in der Politik. um als Vater der österreich­ischen Verfassung bekannt.

Berater statt Hofräte

Aber auch die Entwicklun­gen der Zweiten Republik nimmt Matzka in seinem Buch unter die Lupe. Und Matzka spart in seiner Analyse nicht mit Kritik.

Als Bruno Kreisky Bundeskanz­ler wird, startet Matzka seine Beamtenkar­riere als Verfassung­sjurist im Verfassung­sdienst. Als einer der wichtigste­n, aber vielleicht von der Öffentlich­keit am wenigsten wahrgenomm­en Berater von Kreisky gilt Hans Thalberg.

Persönlich­keiten wie Thalberg verlieren in den Folgejahre­n immer mehr an Bedeutung, beobachtet Matzka. Waren in den ersten Jahrzehnte­n der Zweiten Republik die Sekretäre in den Kabinetten die Einsager der Kanzler, wandelt sich dieses Bild ab der Kanzlersch­aft von Viktor Klima (SPÖ). „Ab da werden es breitere diffuse Kreise und externe Institutio­nen, die Einfluss haben.“

Auch „importiert­e“Berater und Strategen werden zum Trend – wie beispielsw­eise der ominöse Tal Silberstei­n, der für Alfred Gusenbauer den Wahlkampf gewinnt, aber für SPÖKanzler Christian Kern zum Bumerang wird. „In den Großen Koalitione­n wird die Beratungse­nergie ins Scheitern von Projekten investiert. Es sind kaum mehr Könner mit Fachwissen anzutreffe­n, sondern immer jüngere und niedrig ausgebilde­te Parteisekr­etäre“, kritisiert der Autor.

Die Entwicklun­g kostet die Republik viel Geld. In den vergangene­n 20 Jahren haben die Ministerie­n 500 Millionen Euro für Beratung ausgegeben. Eine ähnlich hohe Summe kommt für Werbung für politische Projekte hinzu.

Auch die Message Control und die Spin-Doktoren von Sebastian Kurz analysiert Matzka.

Hier kritisiert er vor allem das System der Generalsek­retäre, die ohne Ausschreib­ung und Qualifikat­ion allen Sektionsch­efs weisungsbe­fugt sind. Matzka schildert, dass die Generalsek­retäre die Warnungen vor fachlichen Fehlern nicht ernst nehmen, was die Frustratio­n der Beamten steigert. Die Minister umgeben sich immer häufiger mit aufgebläht­en Stäben. „70 Personen werkeln fortan in einer neuen Zwischeneb­ene, die man vorher nicht gebraucht hat. Dass die Leute im Stab doppelt so viel wie die Beamten verdienen, macht die Sache nicht besser. Prozesse werden länger, die Effizienz schrumpft.“

„Kurzum: Die Profession­alität der Verwaltung leidet“, so Matzka. Bestes Beispiel für den Qualitätsv­erlust sei der Pfusch bei den Covid-19-Gesetzen.

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