Kurier

Die Stadt, die niemals schläft

Broadway ohne Shows, Stadien ohne Fans, Lokale ohne Gäste: Wie New York mit den Folgen der Pandemie kämpft

- AUS NEW YORK ANGELIKA AHRENS

Am Times Square flimmern wieder riesige Leuchtrekl­amen und versprühen einen Hauch Entertainm­ent. Doch die Menschen, die Touristen fehlen auf den Straßen. Broadwaysä­nger und Musiker

verdienen sich ihr Geld als Werbesprec­her oder private Musiker bei Geburtstag­sessen. Entweder in New York oder in den Hamptons.

Das bei Touristen so beliebte Einkaufsvi­ertel Soho bietet ein ähnlich bedrückend­es Bild. Links und rechts vom Broadway stehen Geschäfte leer. Und es sind nicht nur die kleinen Läden, auch

Große geben auf: Die Kaufhauske­tte Lord & Taylor schließt nach 200 Jahren jetzt auch die letzten Geschäfte, der Billig-Markentemp­el Century 21 sperrt nach fast 60 Jahren zu.

Seit dem Ausbruch der Pandemie hat mehr als eine halbe Million Menschen die Stadt verlassen. Die Gründe: Die Enge der Stadt, Massenprot­este,

soziale Unruhen und Schießerei­en, die mittlerwei­le an der Tagesordnu­ng sind. Wer noch kein Haus auf dem Land hatte, hat sich eines gekauft oder gemietet. Viele haben ihre Kinder anderswo eingeschul­t. Die Folge: Die horrenden Mieten lassen sich besser verhandeln. Im Schnitt gibt es 1,8 Monatsmiet­en gratis, wenn man einen Vertrag abschließt. Denn Tausende Wohnungen stehen leer.

Alkohol und Drogen

Das nutzen mittlerwei­le Obdachlose für Einbrüche. Alkohol, Drogen und Arbeitslos­igkeit werden auch in den nächsten Monaten noch dafür sorgen, dass mehr Menschen ihre Wohnung verlieren. „Das wird noch richtig schlimm werden,“sagt Christine, eine Bewohnerin. Das sei nach 9/11 auch so gewesen.

Die Menschen fehlen auch anderswo. Zum Beispiel im Stadion in Flushing Meadows, im Stadtteil Queens. Hier feuern sonst während der US-Open zirka 850.000 Fans die Spieler an. Und es mischen sich lokale Promis wie Schauspiel­er Alec Baldwin oder Filmregiss­eur Spike Lee unter die Zuschauer. Doch heuer waren aufgrund der Covid-Beschränku­ngen maximal Serviceleu­te, Caterer oder andere Sportler auf der Tribüne zu sehen.

Infektions­rate sinkt

Als das Coronaviru­s vor wenigen Monaten die Stadt noch fest im Griff hatte und die Krankenhäu­ser überforder­t waren, wurde das US-OpenGeländ­e zum Feldlazare­tt umgebaut.

Allein in der Megacity sind seither mehr als 23.700 Menschen an Covid-19 gestorben. Mittlerwei­le liegt die Infektions­rate seit mehr als 30 Tagen unter einem Prozent. „Das sind großartige Nachrichte­n“, erklärte Gouverneur Andrew Cuomo. Er hat den Menschen von Anfang an eingebläut, Masken zu tragen und Abstand zu halten.

Sie sind in New York auch für Kinder ab zwei Jahren Pflicht. Wer sie in der U-Bahn nicht trägt und erwischt wird, zahlt 50 Dollar Strafe. Denn die U-Bahn ist der Schlüssel für die Wiederbele­bung der Wirtschaft. Sie soll die Menschen zurück an die Arbeitsplä­tze bringen und sich damit teilweise auch selbst am Leben erhalten.

Allerdings war sie auch die reinste Virenschle­uder. In der Folge haben sich viele nicht getraut, damit zu fahren. So auch Manny. Der Koch hat sich in einem Lokal in Manhattan nur dann zum Dienst einteilen lassen, wenn ihn seine Frau mit dem Auto aus Queens zur Arbeit fahren konnte.

Hohe Arbeitslos­igkeit

Doch mit oder ohne U-Bahn – die Jobs sind noch immer rar. Die Arbeitslos­igkeit liegt bei 20 Prozent und ist doppelt so hoch wie im Rest der USA. Ein Grund dafür ist, dass die Restaurant­s seit dem Ausbruch der Pandemie etwa nur Essen zum Mitnehmen anbieten dürfen – dabei ist die Branche einer der größten Arbeitgebe­r in der Stadt. Im

Februar verdienten dort noch mehr als 300.000 Menschen ihr Geld. Im August waren 200.000 noch ohne Job.

Lockerung für Lokale

Die Stadt hat den Restaurant­s mittlerwei­le erlaubt, auf den Straßen Tische und Stühle aufzustell­en. Dort, wo sonst Autos parken, flankieren Blumenkäst­en, meterhohe Grünpflanz­en und Lampions die Terrassen. Das Ergebnis: Noch nie waren so viele Menschen an den Sommeraben­den draußen. Normalerwe­ise ist in den schwülen, heißen Sommermona­ten Klimaanlag­e Trumpf.

Ab Ende September dürfen die Lokale auch drinnen aufsperren, aber nur mit 25 Prozent der Sitzplätze. Eine spezielle 400 Mann starke Einsatztru­ppe soll überwachen, ob Fieber gemessen wird, niemand an der Bar sitzt und die Tische zwei Meter voneinande­r entfernt stehen. Ab 24 Uhr ist Sperrstund­e in der Stadt, die jetzt zur Abwechslun­g doch einmal schlafen gehen muss.

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