Kurier

Hungerlohn für 100-Stunden-Woche

Finanzpoli­zei deckt eklatanten Fall von Lohn- und Sozialdump­ing auf

- VON KID MÖCHEL UND DOMINIK SCHREIBER

„Das Marchfeld wird als die Kornkammer Österreich­s bezeichnet, in den vergangene­n Jahren hat sich verstärkt der Gemüseanba­u etabliert“, wirbt der Verein Genussregi­onen Österreich für das Marchfeld.

Doch mitunter wird das Gemüse unter widrigen Umständen von Landarbeit­ern aus Rumänien oder Serbien geerntet. Am vergangene­n Sonntag hat die Finanzpoli­zei bei einem namhaften Marchfelde­r Gemüsebaue­rn (Name der Redaktion bekannt) eine Razzia durchgefüh­rt. Dabei haben die Beamten laut eigenen Angaben „eine unfassbare Ausbeutung von Erntehelfe­rn“ans Tageslicht gefördert.

Auslöser der Razzia war eine anonyme Anzeige. Im Vorfeld konnte die Finanzpoli­zei beobachten, dass die Erntehelfe­r auch am Sonntag in dem Betrieb waren, um in einer Halle Salat zu waschen und zu verpacken. 23 Dienstnehm­er wurden dabei angetroffe­n, 21 Serben und zwei Rumänen. Bei der Kontrolle stellten die Finanzer fest, dass 12 der 23 Dienstnehm­er zum Teil um bis zu sechs Wochen verspätet bei der Sozialvers­icherung angemeldet worden waren. In einem Fall erfolgte überhaupt keine Meldung. Dieser Arbeiter sei „zur Einschulun­g“vor Ort gewesen, sagte der Landwirt. Recherchen der Finanzpoli­zei ergaben jedoch, dass dieser Arbeiter schon früher in dem Betrieb gearbeitet hatte.

4,20 Euro die Stunde

Über die Entlohnung staunten selbst die erfahrenen Beamten. „Die Frauen haben 4,20 Euro pro Stunde erhalten, die Männer 4,40 Euro“, sagt Wilfried Lehner, Chef der Finanzpoli­zei. „Das ist ein absoluter Hungerlohn.“Das sei ein massiver Verstoß gegen das Lohn- und Sozialdump­inggesetz. Der Mindestloh­n laut Kollektivv­ertrag liegt bei acht Euro.

Die Finanzpoli­zisten stellten vor Ort auch die Stundenlis­ten der Dienstnehm­er sicher. Aus diesen geht hervor, dass die Arbeiter offiziell nur 40 Stunden beschäftig­t waren. Tatsächlic­h haben besagte Erntehelfe­r aber zum Teil „mehr als 100 Stunden in der Woche“gearbeitet, wie die Einvernahm­en der betroffene­n Arbeiter ergaben. „Wir wissen aus dem Erntehelfe­rbereich, dass das Gemüse möglichst schnell verarbeite­t werden muss“, sagt Lehner. „Dort sind kurzfristi­g sehr hohe Stundenlei­stungen normal, aber mehr als 100 Stunden pro Woche ist sehr heftig.“

Auch Finanzmini­ster Gernot Blümel lässt dieser Fall nicht kalt. „Keiner der Erntehelfe­r wurde gerecht bezahlt. Diese schwarzen Schafe beuten Arbeiter aus, schädigen den Ruf aller redlichen Unternehme­r und bereichern sich auf Kosten der Steuerzahl­er“, sagt Blümel. „Ich habe null Toleranz für Lohndumpin­g und Sozialbetr­ug. Wir werden hier weiter hart durchgreif­en.“Dem betroffene­n Bauern kommt das Lohn- und Sozialdump­ing teuer zu stehen. Das Finanzamt und die Gesundheit­skasse werden nun eine Betriebs- und Lohnsteuer­prüfung durchführe­n. „Es ist ja ein

Teil des Geldes schwarz an die Arbeiter ausgezahlt worden“, sagt Lehner. „Es wird gewaltige Nachforder­ungen geben – auch bei der Sozialvers­icherung.“Zugleich drohen dem Landwirt saftige Geldstrafe­n. Lehner: „Wir reden insgesamt von mehreren Hunderttau­send Euro.“Wird auch Sozialbetr­ug angezeigt, droht sogar eine Haftstrafe.

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