Der Doppelgänger des Kaisers
Serie Teil 1. Aus dem neuen Buch von Georg Markus. Heute: Ein Logenschließer sah Franz Joseph zum Verwechseln ähnlich. Einmal kam es zur Begegnung der beiden Herren
Den „Kaiserbart“zu tragen war damals in ÖsterreichUngarn durchaus in Mode, bei Herrn Achilles Farina kam noch hinzu, dass er Franz Joseph auch sonst zum Verwechseln ähnlich sah – und er selbst tat alles, um diese Ähnlichkeit zu unterstreichen. Vor allem durch das stolze Tragen seiner Uniform und durch seinen gepflegten Backenbart, der mit dem des Kaisers identisch war.
Immer in Kaisers Nähe
Der Mann mit dem schönen Namen Achilles Farina war gebürtiger Wiener mit italienischen Vorfahren. Geboren 1844, war er vierzehn Jahre jünger als der Kaiser und sein Leben lang immer irgendwie in dessen Nähe. 27 Jahre lang versah er in der k. k. Trabantenleibgarde seinen militärischen Dienst, um nach seiner Pensionierung als Amtsdiener in der Generalintendanz der Hoftheater weiterzuarbeiten und sich abends als Logenschließer im Burgtheater und in der Hofoper ein paar Kronen dazuzuverdienen. So war er zu seiner schmucken Billeteurs-Uniform
gekommen, die der eines Angehörigen der k. k. Armee ähnelte.
Die größte Ähnlichkeit war in den Jahren nach der Jahrhundertwende festzustellen, als der Kaiser über siebzig und Herr Farina an die sechzig Jahre alt war und beide weißes, schütteres Haar respektive Backenbart trugen. Und so kam es, dass der eingangs erwähnte Spaziergang des irrtümlich als Kaiser wahrgenommenen Herrn Farina ein skurriles Nachspiel hatte. Der Hauptmann der an diesem Tag vor der Hofburg aufgestellten Burgwache zog, als der falsche Kaiser näher kam, seinen Säbel und rief, wie es ihm angesichts des Erscheinens Seiner Majestät vorgeschrieben war, „Gewehr heraus“, worauf die Soldaten habt acht standen und ihre Gewehre in Stellung brachten, die zum Schutz des Monarchen dienen sollten.
Stadtbekanntes Original
Der Kaiser freilich war zu diesem Zeitpunkt in seinem Arbeitszimmer und wunderte sich über den Ruf „Gewehr heraus“, der üblicherweise nur zur Anwendung kam, wenn er selbst durch den Burghof schritt. Franz Joseph ging also zum Fenster seines Arbeitszimmers, das zum Inneren Burghof hinausging, und sah fassungslos, dass da sein Double über den Platz schritt. Schnell rief er seinen Adjutanten, der Franz Joseph erklären musste, dass Herr Farina ein stadtbekanntes Original sei, das gerne als sein Doppelgänger durchs Leben ging.
Der Kaiser lächelte gütig und erteilte dem Flügeladjutanten den Auftrag, Herrn Farina augenblicklich zu sich zu rufen. Im letzten Moment konnte Herr Farina noch aufgehalten und zum Kaiser befohlen werden.
Seit mehreren Jahren schon war Achilles Farina souverän als Kaiser „aufgetreten“, jetzt aber war er über alle Maßen aufgeregt. Er, der Amtsdiener und Logenschließer, sollte ins Allerheiligste, in die privaten Räumlichkeiten Seiner Majestät des Kaisers.
Der Kaiser lacht
Man sagt, dass Franz Joseph nur selten gelacht hätte, doch als er jetzt seinem Ebenbild gegenüberstand und dabei den Eindruck hatte, in einen Spiegel zu schauen, lachte er laut und herzhaft auf. Der Amtsdiener stand in seiner Uniform und in strammer Habtachtstellung vor seinem Kaiser und musste diesem nun vor allem von seiner militärischen Karriere berichten, in der er es bis zum Feldwebel gebracht hatte.
Es sei ihm immer eine Ehre gewesen, erklärte Herr Farina noch, Seiner Majestät zum Verwechseln ähnlich zu sehen und auch die Barttracht des Kaisers tragen zu dürfen.
Der Kaiser lachte noch einmal, dann wurde Herr Farina entlassen. Vorher gab ihm der Monarch noch den Rat, in Zukunft die Umgebung der Hofburg zu meiden, damit es nicht wieder zu einer solchen Verwechslung käme. Farina war glücklich, so gnädig davongekommen zu sein und hütete sich, die Geschichte an seinem Arbeitsplatz, der Generalintendanz, zu erwähnen.
Allerdings erzählte er in seinem Stammcafé Bauer, dem späteren Café Heinrichhof, einem Kollegen der Hofoper von seiner Allerhöchsten Begegnung mit Seiner Majestät dem Kaiser.
Damit war klar, dass sich die Geschichte in Wien schnell herumsprechen würde, und nach einigen Tagen rief ihn auch schon der Generalintendant der Hoftheater, Eduard von Wlassak, zu sich und befahl Herrn Achilles Farina, den Bart abzurasieren.
„Ausgeschlossen“, erwiderte der, „lieber gehe ich in Pension“.
Lassen Sie ihm den Bart
Diese Weigerung meldete nun der Generalintendant dem Obersthofmeister, der wieder dem Kaiser Meldung erstattete. Doch Franz Joseph erklärte: „Warum denn so viele Geschichten machen? Wenn der Mann sonst seinen Dienst brav versieht, soll man ihm seinen Bart lassen, der ihm anscheinend so viel Freude macht!“
Tod mit 72 Jahren
Herr Farina hat seinen Dienst in der Generalintendanz und als Logenschließer noch mehrere Jahre, bis zu seiner endgültigen Pensionierung, versehen. Der Mann, dem es so wichtig war, Franz Joseph ähnlich zu sehen, starb am 19. Mai 1917, nur sechs Monate nach seinem Kaiser, im Alter von 72 Jahren.
Eine österreichische Köpenickiade.
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